Die Industrie- und Handelskammern verfügen über das Mittel der Zuwahl. Foto: dpa

Wer ins Parlament der regionalen Wirtschaft möchte, muss sich den Mitgliedern der IHK zur Wahl stellen. Doch das gilt nicht immer. Leute, die als besonders wichtig angesehen werden, können später dazu geholt werden. Das gefällt nicht jedem.

Wer ins Parlament der regionalen Wirtschaft möchte, muss sich den Mitgliedern der IHK zur Wahl stellen. Doch das gilt nicht immer. Leute, die als besonders wichtig angesehen werden, können später dazu geholt werden. Das gefällt nicht jedem.

Stuttgart - Selten herrscht in den Gremien der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart (IHK) so große Einmütigkeit wie bei einer Sitzung vor einigen Wochen. 18 Wünsche der Wirtschaft für die Kommunalwahl verabschiedet die Bezirksversammlung Esslingen-Nürtingen da. Die Vertreter der ansässigen Unternehmen sind sich einig. Doch das bleibt nicht lange so. Denn auf der Tagesordnung steht auch der Punkt Kooptation. Die Versammlung wählt auf Vorschlag Einzelner drei neue Mitglieder hinzu.

Diese Vorgehensweise ist auch innerhalb der Kammern umstritten. Denn normalerweise sitzt in der Vollversammlung und den Bezirksversammlungen, wer alle vier Jahre von den 160 000 Mitgliedsunternehmen gewählt wird. Doch das gilt nicht für alle. Hat das Gremium danach das Gefühl, bestimmte Berufsgruppen oder wichtige Firmen fehlen, kann es selbst Leute nachnominieren.

Kritik aus der "Kaktus-Gruppe"

„Auf diese Weise kommen Leute dazu, die sich vorher nicht dem Wählerwillen gestellt haben“, sagt Thomas Albrecht. Der Unternehmensberater sitzt selbst in der Esslinger Bezirksversammlung und zählt sich zur sogenannten Kaktus-Gruppe, die den bisherigen Prinzipien der IHK kritisch gegenübersteht und beispielsweise die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft fordert. Auch Kai Boeddinghaus vom Bundesverband für freie Kammern, einer Konkurrenzorganisation der IHK, kritisiert die Kooptation scharf: „Mit Demokratie hat das nichts zu tun.“

Ausgelöst wird die Aufregung bei den Kritikern durch die Zuwahl von Flughafen-Geschäftsführer Walter Schoefer in die Esslinger Bezirksversammlung in jener Sitzung vor einigen Wochen. Sein Geschäftsführer-Kollege Georg Fundel sitzt bereits in der Stuttgarter IHK-Vollversammlung – ebenfalls kooptiert. „Beide haben sich nicht zur Wahl aufstellen lassen und sind jetzt trotzdem zum Zug gekommen“, ärgert sich Thomas Albrecht.

„Die Flughafen-Geschäftsführer drängen dort nicht hinein“, sagt Flughafen-Sprecher Volkmar Krämer. Das Engagement sei für sie eher eine zusätzliche Arbeitsbelastung, die sie aber gerne übernähmen, um die IHK zu stärken. Die Kammer wolle sich den Sachverstand der beiden Flughafenvertreter sichern und wähle dabei den Weg der Kooptation. „Letztlich geht es darum, besonders fachkundige Mitglieder in die Versammlungen zu bekommen und ein möglichst breites Spektrum abzudecken“, so Krämer.

Vertreter des Flughafens haben Sonderrecht

Das sieht auch IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Richter so. „Die Versammlungen werden in freier und geheimer Wahl gewählt. Gleichzeitig verlangt das IHK-Gesetz, dass die Gewählten die wirtschaftliche Struktur der Kammer abbilden müssen“, sagt er. Deshalb gebe es in der Satzung die Möglichkeit, dieses Abbild herzustellen und zusätzliche Leute aufzunehmen. Für Vertreter des Flughafens gelte das ganz besonders: „Schließlich haben wir nur einen, und er spielt in Hinsicht auf Tourismus, Logistik und Zahl der Arbeitsplätze eine große Rolle“, so Richter. Zudem schieden immer wieder einige Gewählte vorzeitig aus diesem Ehrenamt aus, sodass Ersatz notwendig sei.

Juristisch ist die Kooptation bisher nicht zu kippen gewesen. Bei der IHK-Geschäftsführung kann man die Aufregung auch angesichts der nackten Zahlen nicht so recht verstehen. In der Vollversammlung sind derzeit von 108 Mitgliedern elf zugewählt, in den fünf Bezirksversammlungen sind es von insgesamt 215 Mitgliedern lediglich zehn. Zwei Bezirkskammern haben in dieser Wahlperiode bisher komplett auf die Zuwahl verzichtet. Die Kritiker der Methode werden sagen: Aus gutem Grund.