Museum Biedermann vereint neu und alt / Architekt Gäbele erklärt bauliche Herausforderung

Von Gunter Faigle

Donaueschingen. Lukas Gäbele ist ein Mensch, dem man schon nach fünf Minuten anmerkt, dass er seinem Beruf mit Leidenschaft nachgeht. Der Architekt hat mit seiner Partnerin Tanja Raufer in den Jahren 2008 und 2009 die gemeinsamen Entwürfe für Umbau und Erweiterung des rund 170 Jahre alten Museumsgebäudes an der Brigach zum privaten "Museum Biedermann" verwirklicht.

Die Herausforderung: Bekommt man die Gelegenheit, von Gäbele durch das historische und zugleich faszinierend modernisierte Gebäude geführt zu werden, fällt einem Renzo Piano ein, der große Meister aus Italien, von dem diese Einschätzung stammt: Der Beruf des Architekten ist eine abenteuerliche Tätigkeit. Es ist ein Beruf in der Schwebe zwischen Kunst und Wissenschaft, auf dem Grat zwischen Erfindung und Gedächtnis sowie zwischen dem Mut zur Modernität und tatsächlicher Achtung der Tradition.

Bezogen auf Lukas Gäbele, Tanja Raufer und das Museum Biedermann bedeutet das an drei Beispielen konkret: Ästhetische Gestaltungsabsichten müssen zeitgleich einhergehen mit Überlegungen zu schwierigen Anforderungen, welche etwa die Gebäudestatik stellt; eine energetisch sinnvolle Wärmeisolation der zahlreichen Fenster muss möglich sein, auch wenn deren historische Rahmung zu erhalten ist; und ein räumlich notwendiger Funktionsanbau in zeitgemäßer Bauweise muss in eine optisch stimmige Balance mit dem vorhandenen, klassizistischen und denkmalgeschützten Haus gebracht werden.

Das Ganze und die Details: Gäbele berichtet schon auf dem Vorplatz des symmetrisch angelegten Museums, auf der langen Bank, von zwei wesentlichen Polen seines architektonischen Schaffens: vom Blick auf das große Ganze und von der Liebe zu tausend technischen und gestalterischen Details. Der Blick fällt auf die ausgewogene helle Fassade und den mit Quarzsandstein aus dem Obwaldner Steinbruch Guber gepflasterten Bereich davor. Geht man dann ums Haus herum in Richtung Altenheim St. Michael, wird man Zeuge von Gäbeles zielführender Experimentierfreude: Das matte Schwarz des Anbaus ist nicht etwa ein Farbanstrich. Es rührt vielmehr daher, dass in den noch feuchten Beton, der im Übrigen völlig ungewöhnliche Toneinschlüsse enthält, eine Art dunkler und glättender Fließfolie eingelegt worden ist - eine vor 2008 völlig unbekannte Verfahrensweise!

Vorbildliche Symbiose: Betritt man das Museum Biedermann, bezeugt das Erdgeschoss sofort die gelungene Verbindung von Tradition und Moderne. Im Entree sind bewusst bauliche Zitate wie "Loge – Sperrsitz – 1. Platz" belassen worden, die daran erinnern, dass fast 70 Jahre lang Kinos hier ihre Heimat hatten. Auf dem Boden liegt Solnhofener Plattenkalk - teils erhalten und frisch poliert, teils ergänzt. Neu angebaut findet sich ein Ausstellungssaal ohne jedes Seitenlicht, aber mit einer durchgehenden Oberlichtfläche; senkrecht stehende Holzbohlen brechen das eindringende Tageslicht und schaffen eine wunderbar weiche Lichtstimmung.

Geht man mit Gäbele über jahrzehntealte Treppenstufen hinab in den Keller und damit zu den Garderoben und WCs, wird der Blick konzentriert auf die Baugeschichte gelenkt: Auf wenigen Metern zeigen sich Putz von 1841, Backsteinwerk von 1937, Beton von 2008 sowie ein betagter Stahlträger. Die Damen- und Herrentoiletten sind konstruktiv genial und für das Auge echte Hingucker. Ihre bis unter den Grundwasserspiegel neben der Brigach abgesenkten Trennwände aus Beton dienen zugleich als Stützen des darüberliegenden Raumbodens, der so mit sehr schweren Kunstwerken mit bis zu einer Tonne pro Quadratmeter belastet werden kann. Tanja Raufer hat mit dem Fund grellbunter Tapetenreste für ein außergewöhnlich pfiffiges Ambiente in jedem der stillen Örtchen gesorgt.

Kunst und Technik: Die Begeisterung lässt bei Gäbele an keiner Stelle nach - das Museum Biedermann ist fester Bestandteil seiner Biografie geworden. Er begründet, warum Kalkmarmorputz auf den Wänden für das Benageln des Ausstellungshauses ein ideales Material ist; er kennt alle Vor- und Nachteile von Dielen aus Tanne, Fichte oder Lärche; er erklärt die raumklimatisch famose Wirkung der mit warmem Wasser betriebenen Wandheizung; und im Spiegelsaal, dem Herzstück des Hauses, spricht er nicht nur über den prächtigen Lüster, sondern auch über die kaum sichtbaren Brandschutzinstallationen in der gold-weißen Kassettendecke.

Das Architektenteam: Lukas Gäbele und Tanja Raufer haben an der Fachhochschule Konstanz Architektur studiert und dort in den Jahren 2000 beziehungsweise 2003 das Diplom erworben. Beide haben in verschiedenen Baseler Architekturbüros gearbeitet und sich dann 2008 gemeinsam als Freie Architekten in Donaueschingen selbstständig gemacht. 2011 haben Lukas Gäbele und Tanja Raufer zusammen mit der Bauherrschaft Biedermann für das Donaueschinger Museumsbauwerk eine Hugo-Häring-Auszeichnung des Bundes Deutscher Architekten erhalten.