Franco Giardini setzte sich mit dem Hornberger "Trevi-Club" für Erdbebenopfer in Italien ein. Für den SchwaBo hat sich Giardini die Zeit genommen, um über die Situation vor Ort und bisherigen Fortschritte des Engagements zu sprechen. Foto: Jehle

Ein Jahr nach dem Erdbeben in Italien informiert Hornberger Mitinitiator der Spendenaktion über den Wiederaufbau

Hornberg . Ein Jahr ist vergangen seit den schweren Erdbeben, die in Mittelitalien beliebte Ferienorte wie Amatrice, Norcia und Castelluccio di Norcia in Schutt und Asche legten. Finanzielle Hilfe haben die Menschen dort bisher nur in Form von Spenden erfahren. Zu den Spendern gehören viele Ortenauer, die an den Aktionen des Hornberger "Trevi-Club" um Franco Giardini teilnahmen oder einfach auch so spendeten. Kürzlich waren sechs Clubmitglieder zum zweiten Mal in der zerstörten Region, um Zuwendungen zu übergeben und sich ein Bild von der Situation zu machen. Der SchwaBo fragte Franco Giardini, nach den Fortschritten des Wiederaufbaus.

Herr Giardini, letztes Jahr wurden bereits rund 25 000 Euro an besonders hilfsbedürftige Menschen übergeben. Was hat sich seither getan in der Region?

Bestürzend wenig. Die Menschen, die dort geblieben sind, leben immer noch in Behelfsunterkünften - Schuttberge bestimmen nach wie vor das Ortsbild. Nur die Straßen sind einigermaßen frei geräumt.

Gibt es denn keine staatliche Hilfe?

Die italienischen Panzerschränke, wo das Geld liegt, sind undicht. Die finanziellen Mittel sind da, aber es wird nicht ausgegeben. Kommendes Jahr sind Wahlen und die Menschen befürchten, dass vorher nichts Grundlegendes passiert. Immerhin liegen in der Zwischenzeit Abrissgenehmigungen für die beschädigten Gebäude vor.

Wie leben die Menschen in den zerstörten Städten?

Na ja, in Containern und Wohnwagen. Jeder noch nutzbare Schuppen wird umgebaut. In denen leben zum Teil mehrköpfige Familien. Außerdem haben alle natürlich Angst, weil die Erde immer wieder bebt.

Hatten Sie Kontakt zu Familien?

Ja, das ist ja meine ursprüngliche Heimat! Wir hatten viele Begegnungen und wurden zum Beispiel von einer Familie zu einem Umtrunk eingeladen. Der Großvater hat seine letzten Ersparnisse für den Umbau eines Schuppens ausgegeben, in dem die achtköpfige Familie zur Zeit wohnt.

Gibt es denn auch Lichtblicke?

Ja, die gibt es. Bei unserem Besuch in Amatrice feierten die Einwohner ein Herbstfest mit der Einweihung eines kleinen Einkaufszentrums, das von der Kommune unterstützt wird. In Castelluccio kamen am Jahrestag des Erdbebens von überall her auch die Einwohner, die die Region verlassen hatten. Darunter war auch eine Gruppe aus den Abruzzen. Sie demonstrierten und wollten damit darauf aufmerksam machen, dass der Staat zu wenig – und das Wenige zu langsam – tut. (lacht) Straßburg ist ja nicht weit von Hornberg entfernt und vielleicht wird dieses Interview von einem EU-Parlamentsmitglied gelesen. Viele Italiener wünschen sich, dass die EU vom italienischen Staat mehr Hilfe für die Erdbebenopfer fordert.

Ziel der Clubgründung war unbürokratische schnelle Hilfe für einzelne, besonders notleidende Menschen und Sie haben auch bei dem kürzlichen Besuch Spenden übergeben.

Ja, wir wissen vom italienischen Sozialamt und meinen Neffen über Härtefälle Bescheid und haben diesmal 1500 Euro, die vom Sozialausschuss der Seelsorgeeinheit Haslach gespendet wurden, einem mittellosen 37-jährigen Mann übergeben. Luigi hat seine gesamten Angehörigen bei der Katastrophe verloren.

Ihre Neffen arbeiten beim Katastrophenschutz und haben bereits letztes Jahr den Kontakt zu diesen Menschen vermittelt.

Das ist richtig. Im Moment sind sie aber aus der Organisation ausgetreten, weil dessen Leiter Gelder veruntreute. Wenn der Mann bestraft ist, treten sie wieder ein. Wir haben nicht ohne Grund betont, dass wir die Spenden persönlich übergeben. Wie gesagt haben wir durch meine Verwandten und dem italienischen Sozialamt von besonders notleidenden Menschen erfahren.

Können Sie uns ein Beispiel schildern?

Die 51-jährige Erminia hat es hart getroffen. Ihr haben wir die Spende von der Weinmanufaktur Gengenbach in Höhe von 1325 Euro übergeben. Erminia ist geschieden und arbeitslos. Ihre zwei Kinder haben studiert, damit ist es nun vorbei. Hier wurde das Geld ausnahmsweise überwiesen, weil sie vor einer schweren Operation stand. Ich hoffe für die Frau, dass sie von woanders her noch Unterstützung erhält.

Haben Sie die Aktionen und deren Spendenerlöse dokumentiert?

Klar, ich führe akribisch Listen, wer was gespendet hat und an wen die Spenden übergeben wurden.

Planen Sie weitere Aktionen?

Nein, unser Ziel, sozusagen erste Hilfe zu leisten, ist erreicht. Wir waren von der Hilfsbereitschaft sowieso überwältigt. Uns erreichen aber immer noch Spenden wie zum Beispiel erst vor Kurzem: Eine Dame, die ihren Geburtstag bei mir feierte, hatte von Americo gehört und spendete spontan 40 Euro. Der elf-jährige Junge hatte bei unserem Besuch bei der Familie, von der ich erzählte, Akkordeon gespielt. Er ist von seinem Können her dem Kinderinstrument entwachsen und spart auf ein neues.  Die Fragen stellte Evelyn Jehle.

INFO

Das Erdbeben

Die Hilfsaktion für die Erdbebenopfer in Mittelitalien wurde von den vier Hornbergern Thomas Schwertel, Josef Frey und Hans Brohammer sowie dem gebürtigen Umbrier Franco Giardini ins Leben gerufen. Er stammt aus Trevi, das 60 Kilometer von Amatrice entfernt liegt. Giardini lebt schon seit Jahrzehnten in Hornberg und annähernd 30 Jahre lang organisierte er Urlaubsreisen in das Heimatland. Viele Menschen, die dort unbeschwerte Ferien verbrachten, erkundigten sich beim Bekanntwerden der Katastrophe bei Giardini nach der dortigen Situation, unter ihnen befanden sich auch die genannten Gründungsmitglieder. Gemeinsam beschloss das Quartett, eine Hilfsaktion zu starten. Ihr Aufruf löste in Hornberg und weit über die Stadtgrenzen hinaus eine Welle der Hilfsbereitschaft sondergleichen aus. So kamen viele zu den Aktionen im ehemaligen Gasthaus Kanönle. Gäste aus Offenburg und Firmen überwiesen Spenden, die bei Weihnachtsfeiern gesammelt wurden. Bei den schweren Erdbeben in Italien starben hunderte Menschen. Tausende verloren ihr Zuhause.