"Guten Tag, hier spricht Harald Leipold von der Björn-Steiger-Stiftung, das ist ein Testruf": Der Techniker wartet inzwischen alleine die Notrufsäulen in ganz Baden-Württemberg. Foto: Gräff

Notrufe mit sicherer Standortkennung: Fest installierte Säulen der Björn-Steiger-Stiftung sind auch in Zeiten von Mobilfunk wichtig.

Hornberg - Hin und wieder sieht man sie noch an Landes-, Kreis- und Bundesstraßen im Mittleren Kinzigtal: Die orangefarbenen Notrufsäulen der Björn-Steiger-Stiftung. Scheinbar fristen sie nur noch ein Nischendasein in Zeiten von Mobilfunktelefonen. Machen diese Notrufmelder überhaupt noch Sinn?

"Auf jeden Fall", sagt Harald Leipold, alleine zuständig für die Wartung der Notrufsäulen in Baden-Württemberg. Bei einem Vor-Ort-Termin hat der SchwaBo dem Techniker bei seiner Arbeit über die Schulter geschaut. Die Björn Steiger Stiftung betreibt in Baden-Württemberg noch 1686 Notruftelefone, davon stehen 90 in der Ortenau.

Wir treffen uns an einem Notruftelefon, welches an der Bundesstraße 33 auf einem Parkplatz zwischen Niederwasser und Gremmelsbach steht. Leipold erklärt kurz die Funktionsweise dieser Anlage. "Wer eine Panne hat, einen Unfall oder einen Notfall melden will, öffnet die Türe des Kastens, hebt einfach den Hörer ab und wartet ab, bis sich die Gegenseite meldet, das kann etwa dreißig bis 40 Sekunden dauern", schildert er das Vorgehen. Entgegengenommen werden die Anrufe vom Notruf der Autoversicherer mit Sitz in Frankfurt.

Hilfe ist sicher

"Der Disponent hat natürlich vermutlich keine Ahnung, wo Niederwasser ist, kennt vielleicht nicht einmal den Schwarzwald so richtig", sagt Harald Leipold. Und trotzdem kann der Disponent sofort Hilfe in Gang setzen. Der Techniker erklärt, warum: "Unsere Notrufsäule hat die Nummer 1600, und am Bildschirm in Frankfurt leuchtet diese Nummer auf", sagt er.

Nimmt der Disponent den Anruf entgegen, erscheinen auf seinem Bildschirm sofort alle wichtigen Daten wie Straßen- und Umgebungskarten vom Umfeld des Notruftelefons.

Auch die Telefonnummern der zuständigen Polizeireviere, Rettungs- und Feuerwehrleitstellen und Pannendiensten werden eingeblendet. "Der Anrufer muss nur noch sagen, was passiert ist, dann wird umgehend entsprechende Hilfe geschickt", sagt Leipold.

"Aber ist das nicht auch mit dem Mobiltelefon möglich?", will ich wissen. "Nein", sagt Leipold, denn: "Im Gegensatz zu den stationären Notrufmeldern verfügen Handys über keine automatische Standortkennung." Dadurch kommt es laut Leipold einerseits zu falschen Standortangaben, andererseits laufen diese Handy-Notrufe nicht zwingend auf der zuständigen Polizei- oder Rettungsleitstelle auf.

Kein Netzempfang

"Stellen Sie sich Urlauber vor, die keine Ahnung haben, wo sie sind, das wird dann ein richtiges Problem und vor allem kann dies zu einem enormen Zeitverlust bei Rettungseinsätzen führen", so Leipold. Dann zückt er sein Mobiltelefon und schmunzelt: "Und jetzt kommt noch was Wichtiges: Sie brauchen nämlich erst einmal Netzempfang, und den haben Sie hier beispielsweise nicht." Ich schaue auf mein Handy und erinnere mich: Richtig, seit Niederwasser war mein Telefon ›tot‹.

Nichtsdestotrotz hat seit dem Jahr 2006 aufgrund der starken Mobilfunkverbreitung die Reduzierung der Notruftelefone begonnen. Sie werden nach Informationen der Björn-Steiger-Stiftung in denjenigen Gebieten abgebaut, die über eine gute Mobilfunknetzanbindung verfügen.

Woanders werden sie noch gebraucht: "Ortschaften und ländliche Gebiete mit schlechtem Mobilfunkempfang sowie Standorte, die in Rettungsketten der Forstbetriebe eingebunden sind, sind hiervon nicht betroffen", sagt Harald Leipold.

Das mit den Forstbetrieben interessiert mich. Waldarbeiter gibt es im Schwarzwald ja zur Genüge. Und die haben fast keinen Netzempfang an ihrem Arbeitsplatz. Daher gibt es in vielen Forstbezirken sogenannte Rettungsketten. "Die Waldarbeiter wissen dann genau, wo das nächste Notfalltelefon steht", sagt Leipold.

Ansonsten vermisst Leipold die Informationen über Notruftelefone in Fahrschulen. "Früher hat jedes Mal, wenn ich irgendwo an einer Notrufsäule gearbeitet habe, mindestens ein Fahrschulwagen angehalten", erinnert sich Leipold. Auch das habe sich dezimiert.

Massiver Abbau

Rund 7000 Notrufsäulen an den Bundes- und Landstraßen in Deutschland wurden unter anderem von der Björn-Steiger-Stiftung betrieben. 2011 teilte die Björn-Steiger-Stiftung mit, dass die Säulen in allen Bundesländern bis auf Baden-Württemberg bis Ende 2011 abgebaut würden. Bereits Mitte 2011 gab es nur noch 2000 Notrufsäulen der Stiftung. Trotzdem haben die Telefone nach Ansicht von Harald Leipold ihre Daseinsberechtigung, wenn auch nicht mehr in dem Umfang wie damals: "Sie decken eben noch die Gebiete ab, in denen Funklöcher sind, und zudem verwandelt sich der zeitlich schnelle ›Handy-Notruf‹ ins Gegenteil, wenn die Angaben des Anrufers nicht präzise sind, denn Handys können nicht so schnell geortet werden", betont Leipold. Die Hilfsfristen des Rettungsdienstes erhöhten sich dadurch beispielsweise bei Verkehrsunfällen dramatisch.

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In den Straßen Berlins wurden im Jahr 1924 erstmals 30 Polizeistraßenmelder installiert. Polizeibeamte im Straßenaufsichtsdienst konnten mittels der ans Telefonnetz angeschlossenen Melder mit dem zuständigen Polizeirevier Kontakt aufnehmen.

Als Weiterentwicklung derartiger Straßenmelder aus der Weimarer Republik wurde auf der Internationalen Polizeiausstellung in Essen im Jahr 1956 eine Notrufeinrichtung zur kostenlosen Alarmierung der Polizei durch die Bevölkerung vorgestellt. Dieser "eiserne Schutzmann" erfuhr eine weite Verbreitung. So waren etwa in Nordrhein-Westfalen bis zu 3000 der hellgrünen Säulen aufgestellt. Der "eiserne Schutzmann" verrichtet heute noch vereinzelt seinen Dienst. 1955 begann man mit dem Aufstellen von Notrufsäulen an deutschen Autobahnen, knapp 16.000 davon gibt es heute noch.

7000 Nottelefone betrieb die Björn-Steiger-Stiftung auf Landes- sowie Kreis- und Bundesstraßen. Aufgrund der allgemeinen Mobilfunkverbreitung ist auch mit der heute geringeren Anzahl von Notruftelefonen weiterhin eine flächendeckende Notfallalarmierung sichergestellt. Die Björn Steiger Stiftung setzt nach eigenen Angaben vermehrt daran, anderweitige Projekte zum Thema Notruf zu entwickeln und zu fördern, wie beispielsweise der Handyortung im Notfall.