Geschenke von Freunden: ein Poncho, eine Planflöte und die Landesfahne von Peru. Die handgemachte Stoffpuppe ist ein Geschenk zum Abschied gewesen. Foto: Gräff

Anna-Lena Baumann bilanziert ihre Peru-Reise.

Hornberg - Anna-Lena Baumann aus Hornberg hat ein Jahr lang in Lima, der Hauptstadt von Peru, gelebt. Inzwischen ist sie seit fast zwei Monaten wieder in ihrer ihrer Heimatstadt. Dem SchwaBo erzählt sie über ihre Erwartungen vor der Reise und ihre persönlichen Eindrücke, die sie von Peru mitgebracht hat.

Mit welchen Erwartungen sind Sie nach Peru gereist?

Ich hatte natürlich Sorgen, mit der dortigen Kultur nicht klarzukommen, mit der Sprache Probleme zu haben und vor allem habe ich mir immer wieder die Frage gestellt, wie ich wohl mit dem Heimweh zurecht kommen werde. Meine Erwartungen waren einfach die, in Peru ein tolles Jahr zu verbringen. Natürlich war mir klar, dass ich keine Welt verbessern kann, aber ich hatte mir vorgenommen, einfach für die Kinder dazusein und ihnen zu helfen, soweit es möglich ist.

Ein Jahr später: Wie ist der Eindruck und sind die Erwartungen erfüllt worden?

Also erst einmal: Ich habe es keine Sekunde bereut, nach Peru gegangen zu sein. Natürlich gab es viele Höhen und Tiefen, und es gab auch Situationen, die nicht ganz einfach zu lösen waren. Nach anfänglichen Sprach- und Eingewöhnungsproblemen habe ich mich dann so gut in Peru eingelebt, dass ich am Schluss nur schweren Herzens wieder wegging.

Haben Sie von Peru etwas mitgebracht?

Durchaus, und zwar habe ich viel von der Mentalität der Peruaner mitgenommen. Die waren alle so offen und warmherzig, ich finde, das kennen wir hier in Deutschland überhaupt nicht. Imponiert hat mir auch die Hilfsbereitschaft der Menschen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Ja sicher, als ich im Bus nach dem Weg fragte, haben die Menschen minutenlang darüber diskutiert, wie ich am Besten an mein Ziel gelange. Oder als ich zu einem Kurzurlaub gestartet bin und gefragt habe, wie ich da hinkomme, war ich überrascht über die große Hilfsbereitschaft.

Was hat Sie besonders beeindruckt?

Dass die Menschen sich selbst nicht so unter Druck setzen wie hier in Deutschland. Hier ist jeder Tag von morgens bis abends durchgeplant, das Wort ›Muss‹ prägt hier das gesellschaftliche Leben und setzt einen permanent unter Druck. Die Menschen in Peru versuchen immer, das Beste aus ihrem Tag zu machen und vor allem positiv zu denken und handeln.

Gibt es etwas, was Sie hier bei sich verändern wollen?

Auf alle Fälle möchte ich keinen Terminkalender mehr führen müssen. In Peru habe ich so richtig gemerkt, dass man sehr gut ohne diesen durch den Tag kommt. Um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen: Hart gearbeitet wird in Peru auch, aber die Menschen sind viel gelassener.

Und die Mentalität?

Der Unterschied zwischen deutschen und Peruanern kann krasser nicht sein. Beispiel: Auch wenn man sich nicht kennt, begrüßen sich die Menschen in Peru mit Wangenkuss. Hier gibt man sich im Allgemeinen die Hand und schafft Distanz.

Also die ideale Lebensart?

Ja und nein. Ich habe es beispielsweise bei Konferenzen in Peru erlebt. Da wird ewig diskutiert, bis man auf den Punkt kommt. Bei der Lehrerkonferenz in Deutschland ist alles viel straffer organisiert. Das finde ich dann zwar in Ordnung. Aber wie gesagt, alles durchorganisieren, da bleibt einem ja kaum noch Luft für sein eigenes Ich.

Sie haben in einer Kindertagesstätte gearbeitet. Wie kann man sich das vorstellen?

So wie in Deutschland. Die Kinder wurden um 7 Uhr zum Frühstück gebracht und um 17 Uhr wieder abgeholt. Manche blieben bis Mittag, weils sie nachmittags Schule hatten, die anderen kamen von der Schule und verbrachten den Nachmittag hier. Allerdings waren dies meist Kinder aus ärmlichen Verhältnissen. Viele Mütter waren alleinerziehend und mussten daher arbeiten, um über die Runden zu kommen.

Und was war Ihre Aufgabe?

Die Betreuung der Kinder. Ich hab mit ihnen Hausaufgaben gemacht, ihnen Englischunterricht gegeben, aber auch mit ihnen Projekte gemacht wie Armbänder knüpfen, Bilder malen oder Musik machen. Aber jede Kindergruppe hatte auch seine Aufgaben wie Hof putzen oder Spülen.

Gibt es ein Ereignis, was Sie besonders beeindruckt hat?

Ja, der Tod eines 20-jährigen Jungen. Von dem hatten alle geschwärmt, weil er sehr interessiert war und sogar etwas Deutsch sprechen konnte. Dem ging es eines Tages gesundheitlich schlechter. Im Krankenhaus konnte man ihm nicht helfen, weil entweder gerade die Ärzte streikten oder es keine freie Betten gab. Zudem fehlte dem Jungen das nötige Geld für eine Behandlung.

Und was hatte der Junge?

Man sagte mir, etwas mit seinen Nieren stimmt nicht. Um sich aber untersuchen zu lassen, hätte er ein bestimmtes medizinisches Gerät kaufen müssen. Da er das Geld nicht hatte, haben wir alle für ihn zusammengelegt. Außerdem habe ich über meine Eltern noch weitere Spenden aus Hornberg bekommen. Nach verschiedenen Dialysen ging es ihm besser. Allerdings hat das Geld nicht ausgereicht, um ihn langfristig weiter zu behandeln. Er ist dann gestorben.

Gibt es in Peru keine Krankenversicherung?

Doch, aber viele können sich die nicht leisten oder geben das Geld lieber für Essen anstelle der Versicherung aus. Die Kasse dort zahlt nur beispielsweise bei Grippe. Alles andere muss der Betroffene selbst aufbringen.

Was war das schönste Erlebnis?

Die Herzlichkeit und Liebe der Kinder, die sie mir entgegengebracht haben. Entsprechend schwer fiel uns dann auch der Abschied. Ein Kind schenkte mir beispielsweise einen Teddybären mit dem Auftrag, dass er auf mich aufpasst.

Und wie ist das Leben nun in Deutschland?

Gut ich habe mich auf meine Familie gefreut, auf mein Zuhause. Aber ich vermisse meine Freunde in Lima, den Tagesablauf dort, die Mentalität der Menschen. Und ich muss umdenken. Beispiel: Meine Mutter wundert sich, dass ich das Geschirr von Hand spüle. Reine Gewohnheit. Und dann noch eins: Ich werde immer gefragt: ›Na wie war’s in Peru‹ und dann wollen die Leute hören ›gut‹ oder ›schlecht‹. Aber die Frage kann ich gar nicht in einem Satz beantworten, und viele Leute würde es auch gar nicht interessieren.

Hat der Aufenthalt in Peru ihr Leben beeinflusst?

Ja. Ich wollte Gymnasiallehrerin für Spanisch und Englisch werden, jetzt werde ich Sonderpädagogik in Ludwigsburg studieren. Und da kann ich gut ein Auslandssemester machen, um andere Menschen und Kulturen kennenzulernen. Natürlich hoffe ich, in naher Zukunft wieder einmal nach Peru reisen zu können.