"Osmanen Germania" steht auf einem T-Shirt. Foto: Zinken

Osmanen Germania Nagold erklären, warum sie nach der tödlichen Messerstecherei zum Real gekommen sind.

Horb/Nagold - Der Schwarzwälder Bote hat das "Chapter Nagold" der geheimnisvollen, "rockerähnlichen Gemeinschaft" getroffen.

Nagold am Abend. Wir treffen uns in einem Eiscafé. Vier Männer. Drei stellen sich als Vorstände des "Chapter Nagold" des Osmania Germania Box-Clubs vor. Die Osmanen Germania hatten Ende Juni durch eine Razzia auch im Landkreis Calw für Schlagzeilen gesorgt. Und jüngst auch damit, dass zwei Vorstandsmitglieder von ihnen nach der Messerstecherei, bei dem ein 33-jähriger Mann getötet wurde, am Real in Horb auftauchten. Was war da los?

Ein Vorstand erzählt: "Der Getötete war unser Freund. Wir trauern um ihn und um das, was dort passiert ist. Er war ein guter Mann, hat hart für seine Familie mit drei Kindern gearbeitet. Wir unterstützen seine Familie so gut es geht. Wir waren vor Ort und haben uns die Situation von außerhalb angeschaut. Mit den Tumulten unten hatten wir nichts zu tun. Die Lage unten – bei denen beispielsweise einer einen Hubschrauber gefordert hatte, erklären wir so: Es war unklar, ob das Opfer noch lebt oder nicht. Die Verwandten der Familie des Opfers waren verzweifelt und konnten sich nicht erklären, warum nicht versucht wird, das Opfer zu behandeln. Das muss man menschlich sehen – die waren einfach verzweifelt!"

Das Opfer. Noch einmal stellt der Vorstand der Osmanen Germania Nagold klar: "Er hatte keinen Bezug zu den Osmanen." Und was hat es mit den Beschimpfungen auf sich? Ein Mann hatte knapp drei Stunden nach der Tat oben auf dem Fußweg zum Norma hin in einer Gruppe geschrien: "Ihr Schweine. Ihr werdet uns kennenlernen. Ihr werdet hier nicht mehr sicher sein." Ein Mann mit Pferdeschwanz sagt zu den Polizisten: "Bleibt unten, ich regele das." Die Vorstände der Osmanen: "Das hat überhaupt nichts mit uns zu tun. Da waren wir gar nicht mehr vor Ort. Wir tun das, was Freunden zusteht. Wir kümmern uns um die Familien der Hinterbliebenen." 

Müssen die Horber jetzt Angst vor den Osmanen Germania aus Nagold haben? Ein Vorstand: "Wir waren im Real und hatten Gespräche. Es hatte die Angst gegeben, dass es einen Racheakt geben könnte, weil der türkische Besitzer des Döner-Imbiss den offenbar psychisch gestörten Täter wieder eingestellt hatte. Wir haben erklärt, dass wir so etwas nicht machen. Wir vertrauen darauf, dass die Polizei und die Justiz ihre Arbeit machen. Anhand des Überwachungsvideos wird sich der Tathergang klären lassen. Wir gehören einfach nur zur trauernden Gemeinde. Es war ein Scheiß-Tag, wie das gelaufen ist."

Osmanen Germania, Chapter Nagold. Ende Juni hatte es eine bundesweite Razzia gegeben. Auch im Landkreis Nagold. Damals hieß es in der Pressemitteilung: "Bereits seit Ende 2016 wird gegen Mitglieder rockerähnlicher Gruppierungen ermittelt. Hintergrund sind die anhaltenden, meist auch gewalttätigen, Auseinandersetzungen in diesem Milieu. In den Fokus der Ermittlungen gerieten dabei auch führende Mitglieder der nationaltürkisch geprägten Gruppierung Osmanen Germania BC. Im Zuge der Ermittlungen wurden schwere Straftaten wie ein versuchter Mord, räuberische Erpressungen und zahlreiche Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz bekannt."

Dazu hat der Schwarzwälder Bote natürlich Fragen. Was ist mit den Razzien? Was ist mit Drogen? Der Vorstand der Osmanen: "Wir haben uns im Januar gegründet. Es gibt Osmanen-Mitglieder, die zwar im Landkreis Calw wohnen, aber nichts mit unserem Chapter zu tun haben. Das sieht man auch daran, dass drei Objekte durchsucht wurden: eines in Nagold, eines in Mötzingen und eines in Jettingen. Der Osmane aus Jettingen gehört zu uns. Bei ihm wurden weder Waffen noch Drogen noch überhaupt etwas gefunden."

Der Vorstand: Wir laufen den sauberen Weg. Wir haben mit linken Geschäften nichts zu tun

Doch was ist mit den Osmanen los? Laut Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) kommt es seit April 2016 zwischen den Osmanen Germania und der "hauptsächlich aus kurdisch stämmigen Personen bestehenden Gruppierung ›Bahoz‹ vorwiegend im Raum Stuttgart und Ludwigsburg immer wieder zu Auseinandersetzungen".

Der Vorstand der Osmanen Nagold: "Die sind aus der Red Legion hervorgegangen und haben sich nur umbenannt. Die Bahoz  unterstützen die PKK. Da hat sich durch Konfrontationen in Stuttgart bei Demos auch viel aufgebaut."

Ein anderer Vorstand sagt: "Ich bin selbst Kurde. Aber so etwas kann ich nicht unterstützen." Sein Kollege gegenüber sagt: "Wir sind total Multi-Kulti. 30 Prozent unserer Mitglieder sind Kurden, 40 Prozent Türken. Auch Deutsche, Russen oder Italiener sind hier in Nagold dabei." Das sei auch der Grund, warum auf der Facebook-Seite der Osmanen Germania Nagold den "christlichen Brüdern frohe Ostern" gewünscht wurde. Ein Vorstand: "Klar. Denn unsere Mitglieder haben verschiedene Religionen. Auch politisch gibt es verschiedene Meinungen bei uns."

Box-Club. Rockerähnliche Vereinigung. Wie ist das Chapter Nagold drauf? Ein Vorstand: "Wir treffen uns im Fitnessstudio und haben ein öffentlich zugängliches Gym, wo wir boxen. Wir sind alle sportlich tätig, um den Frust abzulassen. Alle von uns sind berufstätig."

Rocker treten ja gerne als Ordnungsmacht auf. Auch die Osmanen? Ein Vorstand: "Nagold ist ein Dorf. Wir haben weder Machtansprüche, noch werden wir öffentlich Präsenz zeigen. Das gibt es nur bei Gruppierungen, die beispielsweise mit Drogen oder Prostitution zu tun haben. Wer das bei uns im Chapter Nagold macht, ist fehl am Platz. Der kann nicht unser Bruder sein."

Bei den Razzien zuletzt ging es um den Verdacht, dass Aussteiger der Osmanen bedroht worden sein sollen. Der Vorstand des Chapter Nagold: "Weil es bei uns keine illegalen Geschäfte gibt, ist es auch kein Problem, wenn jemand wieder den BC Osmanen Germania in Nagold verlassen will."

Was auffällt: Alle drei Gesprächspartner von den Osmanen sprechen lupenreines Hochdeutsch. Können sich sehr differenziert ausdrücken. Alle drei sind in Deutschland aufgewachsen, sind hier zur Schule gegangen. Einige haben sogar einen Hochschulabschluss, wie einer der Vorstände erzählt.

Wie integriert fühlen sie sich in Deutschland? Ein Vorstand drückt es so aus: "In politischen Diskussion fällt oft der Spruch: Ja, geh doch in die Türkei. Ich bin hier aber verwurzelt in Deutschland und habe mir hier meine Existenz aufgebaut. Das einfach zu kappen, ist unmöglich!"