Die Doppelstock-Intercitys, die ab Ende 2017 auf der Gäubahn von Stuttgart Richtung Schweiz verkehren sollen, erhalten von den Eidgenossen wegen fehlender Technik zunächst keine Zulassung. Reisende von und nach Zürich müssen deshalb in Singen umsteigen. Foto: Wagner

Ausbau der Strecke liegt auf Eis. Neue Waggons dürfen nur bis Singen fahren.

Horb - Die Gäubahn als schnelle Zugverbindung zwischen Stuttgart, Zürich und Mailand bleibt wohl ein Traum, ebenso ein gut ausgebauter Nahverkehr. Der Einbau des fehlenden zweiten Gleises ist Zukunftsmusik.

Es vergeht kaum ein Tag auf der Gäubahn, an dem bei den roten Nahverkehrszügen der Deutschen Bahn nicht etwas schiefläuft. Entweder sind die Anschlusszüge wegen Verspätungen in Horb oder Rottweil schon abgefahren oder Züge fallen wegen technischer Defekte oder fehlenden Personals ganz aus oder sind mit zu wenig Waggons unterwegs.

Vor Kurzem startete ein Regionalexpress (RE) im Abendverkehr von Stuttgart in Richtung Rottweil mit nur drei Doppelstockwagen (Dosto); in der Regel sind es fünf. Davon war einer noch abgeschlossen. Bei den zwei zugänglichen Wagen schränkte ein Erste-Klasse-Abteil das normale Platzangebot auf eineinhalb Waggons ein. Die Klimaanlage funktionierte zudem bei Hochsommertemperaturen nur im Erste-Klasse-Abteil. In Stuttgart mussten einige Hundert Fahrgäste zurückbleiben, da es im Zug keinen Platz mehr gab. Einen Schaffner gab es nicht, der die Reisenden eventuell in die Erste Klasse gelassen hätte. Schweißgebadet kamen die Fahrgäste mit rund 15 Minuten Verspätung an ihrem Ziel an. Anschlusszüge waren natürlich weg.

Dies ist nur ein Beispiel von vielen. Gerade Pendler verzweifeln bei den täglichen Verspätungen, wenn in Horb oder Rottweil die Anschlusszüge schon abgefahren sind. Berufsschüler aus Oberndorf, die nach Villingen-Schwenningen zum Unterricht müssen, organisieren sich mittlerweile in Fahrgemeinschaften mit dem Auto. Der seit Dezember gültige Interimsfahrplan der Gäubahn führte in Rottweil in beiden Richtungen ferner dazu, dass es nur noch alle zwei Stunden – statt zuvor stündlich – einen Anschluss zum Beispiel nach Villingen-Schwenningen, Donaueschingen oder umgekehrt nach Stuttgart gibt. Viele Pendler stiegen wieder aufs Auto um.

Schweizer habenArbeiten bis zur Grenze pünktlich erledigt

Bahnfachleute munkeln, dass dahinter System steckt: Die Gäubahn solle ausgeblutet werden. Im Bundesverkehrswegeplan steht sie nicht in vorderer Priorität, obwohl die Schweiz in der Verbindung Stuttgart – Zürich eine wichtige Magistrale im Zulauf zum Gotthardbasistunnel sieht. Dies wurde vor einigen Wochen Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in Basel erläutert. Das Land versucht, beim Bund die Weichen noch in diesem Jahr zur oberen Priorität zu stellen.

Im Staatsvertrag von Lugano verpflichteten sich Deutschland und die Schweiz, die Gäubahn bis 2014 auszubauen, damit die Fahrzeit zwischen Zürich und Stuttgart um eine auf etwas mehr als zwei Stunden verkürzt wird. Die Eidgenossen haben bis zur Grenze die Arbeiten pünktlich erledigt. Auf deutscher Seite wurde noch nicht einmal begonnen. Das geplante zweite Gleis zwischen Horb und Neckarhausen (fünf Kilometer) lässt weiter auf sich warten. Im Jahr 2012 sollte es fertig sein. Vorfinanziert wurde die Planung von den Anliegerregionen. Diese erwarten ihr Geld wieder zurück – ob mit oder ohne Ausbau.

Die Deutsche Bahn will keinen Neige-ICE mehr auf der Gäubahn einsetzen, wurde in Basel erklärt. Bahnchef Rüdiger Grube hatte dies vor Jahren einmal zugesagt. Für das Land wäre es aber die preisgünstigere Lösung zur Beschleunigung als ein Ausbau. Die DB setzt auf die Billigvariante der neuen IC-Doppelstockzüge des Fernverkehrs, die ab Ende 2017 auf der Gäubahn stündlich fahren sollen. Zwischen Stuttgart und Singen würde darauf der Nahverkehrstarif gültig sein; bei Fahrrädern zählt aber der Fernverkehrstarif. Diese IC-Dosto-Züge werden nur zwischen Stuttgart und Singen fahren können, da die DB beim Hersteller Bombardier nicht den Einbau des für die Schweiz notwendigen modernen Sicherheitssystem ETCS bestellt hat. Somit gibt es keine Schweiz-Zulassung der IC-Dostos. Umsteigen ist für den, der nach Zürich will, unterm Hohentwiel angesagt.

Doppelstockzüge werden durch noch ältere "Silberlinge" ersetzt

Den IC-Dostozug will die DB mindestens bis 2026 auf der Gäubahn einsetzen. Mit dem Interimsvertrag trat das Land seine Nahverkehrsrechte an DB-Fernverkehr ab. Somit wird eine Beschleunigung der Züge auf der Strecke noch lange auf sich warten lassen. Der Vorsitzende des Interessenverbandes Gäubahn, Guido Wolf (CDU), kämpft schon viele Jahre vergeblich für Ausbau und Beschleunigung.

Modernes Wagenmaterial wird die Gäubahn auch nicht sehen. Im Oktober werden die nicht geraden frischen roten Doppelstockzüge von der DB abgezogen und durch noch ältere Flachwagen – "Silberlinge" – ersetzt. Den Reisenden werde dann Frieren im Winter und Schwitzen im Sommer geboten.