Die Bürgerinitiative gegen den Fluglärm Haiterbach will jetzt versuchen, einen Bürgerentscheid über den geplanten Militärübungsplatz herbeizuführen. Foto: Hopp

Ärger um KSK-Übungsgelände. Hermann Walz aus Talheim will Bürgerentscheid durchsetzen.

Horb-Talheim/Haiterbach - Sind die Bürger, die sich gegen das militärische Übungsgelände auf dem Flugplatz Haiterbach wehren, von vorne herein machtlos?

Die Bürgerinitiative (BI) "Gegen den Fluglärm in Haiterbach" will auf jeden Fall einen Bürgerentscheid durchsetzen. Doch ob der kommen wird oder ob schon hinter den Kulissen alles klargemacht wurde – das steht in den Sternen.

Hermann Walz aus Talheim ist Mitglied der Bürgerinitiative in Haiterbach. Er sagt: "Wir werden alles juristisch Mögliche tun, um einen Bürgerentscheid durchzusetzen. Es kann nicht sein, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann in seiner Regierungserklärung mehr Bürgerengagement fordert und hier der Bürgerwille mit Füßen getreten wird."

Die Bürgerinitiative gegen den Fluglärm Haiterbach will jetzt versuchen, einen Bürgerentscheid über den geplanten Militärübungsplatz herbeizuführen. Dazu hat sie einen Termin mit Gisela Erler, der Staatsrätin des Landes für Bürgerbeteiligung. Auch der Talheimer Walz ist mit dabei. Doch macht das Ganze überhaupt Sinn?

Auf dem Beteiligungsportal der Landesregierung zum Flugplatz Haiterbach schreibt genau das Staatsministerium von Gisela Erler: "Es ist deshalb eine frühe und informelle Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen. Die Genehmigungsentscheidung trifft am Ende eine Bundesbehörde. Bürgerinnen und Bürger können nicht per Bürgerentscheid abstimmen. Es ist zwischen landesrechtlich geregelter direkter Demokratie (›Abstimmung‹) und der hier möglichen Bürgerbeteiligung (also der informellen Öffentlichkeitsbeteiligung) zu unterscheiden."

Aha. Der Bürger kann offenbar nicht entscheiden. Das stellt auch das Beteiligungsportal fest: "Erfahrungsgemäß sind die Handlungsspielräume bei der Planung militärischer Einrichtungen sehr begrenzt. Die Landesregierung bemüht sich aber, innerhalb der engen rechtlichen Grenzen Optionen zu identifizieren."

Kein Wunder, dass sich die Stadt und der Landkreis winden, was den von der Bürgerinitiative gegen den Militärübungsplatz Haiterbach angestrebten Bürgerentscheid angeht. Die BI hatte erreicht, dass sie im Mitteilungsblatt von Haiterbach berichten durften. Zitat: "Bürgermeister, Gemeinderat, betroffene Bauern und die Bürgerinitiative haben sich darauf verständigt, dass es eine Abstimmung über den KSK-Übungsplatz geben wird.

Die bürokratischen Modalitäten nach Paragraf 21 Bürgerentscheid, Bürgerbegehren, nach der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GemO), wurden bei einer Sitzung im Rathaus am Montagabend, 29. Mai, formal geklärt." Darunter gleich eine Richtigstellung des Rathauses: "Es ist nicht richtig, dass sich die Anwesenden darauf verständigt haben, dass es eine Abstimmung über den KSK-Übungsplatz geben wird."

Das Nagolder Rathaus hat auch den Landkreis eingeschaltet, der den Bürgerentscheid prüfen soll. Doch der Landkreis verweist in einer Mail wieder an das Rathaus. Inhalt: "Es erscheint uns auch sinnvoll zu sein, gegenüber der Bürgerinitiative im Vorfeld eine Stellungnahme abzugeben, damit nicht Unterschriften gesammelt werden und man anschließend die Unzulässigkeit der Fragestellung feststeht."

Das heißt: Das "Bürgerbegehren-Verbot" auf dem Beteiligungsportal wird hier vom zuständigen Landkreis-Mitarbeiter in der Kommunalaufsicht gar nicht behandelt. Und genau das wurmt Hermann Walz. Der Talheimer ist auch Ortschaftsrat und Fraktionschef der ULH-Fraktion im Horber Gemeinderat.

Er sagt: "Wir hoffen, dass die Landesregierung ihr Versprechen für mehr Bürgerbeteiligung wirklich ernst nimmt. Es kann nicht sein, dass die Politik immer mehr auf Bürgerbeteiligung setzt und uns als Bürger die Möglichkeiten von vornherein genommen werden sollen, uns mit einem Bürgerentscheid zu wehren. Das wäre für mich ein Demokratie-Verständnis, welches ich nicht nachvollziehen kann."

Was hat es mit dem Bürgerbeteiligungsverbot wirklich auf sich? Constanze Hornikel, Sprecherin des Staatsministeriums: "Bürgerentscheide sind grundsätzlich zulässig für Angelegenheiten im Wirkungskreis einer Kommune. Ein kommunaler Bürgerentscheid über das luftverkehrsrechtliche Verfahren nach Bundesrecht ist daher nicht zulässig. Denkbar ist aber ein Bürgerentscheid zu der Frage, wie sich die Gemeinde politisch positionieren soll. Die Position der Kommune wird im Verfahren aufgeführt, aber sie wäre nicht ausschlaggebend für den Ausgang eines Genehmigungsverfahrens, soweit nicht rechtlich erhebliche Aspekte aufgeführt würden, die bislang unberücksichtigt worden wären."

Aha. Geht also doch noch w as. Doch welchen Einfluss kann ein Bürgerentscheid haben? Kann er den Militärübungsplatz Haiterbach verhindern?

Hornikel: "Am Ende entscheidet der Bund, ob seinerseits ein Genehmigungsverfahren eingeleitet wird. Inwieweit sich hierbei kommunale Beschlüsse auswirken, kann von der Landesregierung nicht bewertet werden."

Da hilft wohl nur noch der Rechtsanwalt. Hornikel: "Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens werden die Betroffenen angehört. Wird eine Genehmigung ausgesprochen, kann gegen diese Entscheidung gerichtlich vorgegangen werden."

Klar ist: Mit Hermann Walz ist auch ein Talheimer beim Kampf um den Militärübungsplatz dabei. Mit Recht. Horbs Oberbürgermeister Peter Rosenberger selbst sagte am Mittwochabend in Talheim, dass sowohl die Horber Ortsteile Altheim und Talheim von einem Militärflugplatz in Haiterbach betroffen sind. Rosenberger: "Das spräche eigentlich dafür, einen Bürgerentscheid auch interkommunal zu machen."

Walz selbst sagt: "Wir hier in Talheim haben selbst jahrzehntelang unter dem Lärm des Steinbruchs mitten im Ort gelitten. Wir sind deshalb sehr sensibel, was Lärm anbelangt." Deshalb hat sich die Talheimer Bürgerinitiative "Gegen Talheim 21" auch gegen die Wiederverfüllung des 2003 geschlossenen Steinbruchs vor Ort gewehrt. Walz: "Beim ersten militärischen Übungsflug auf dem Flugplatz ist die Transall auch über Talheim geflogen. Wenn Westwind wie meistens herrscht, werden die Fallschirmspringer schon vor Haiterbach Richtung Talheim abgelassen. Das könnte bedeuten, dass die Transall-Maschinen die Tiefflugphase schon direkt über Talheim starten."

Die Zeichen mehren sich, dass hinter den Kulissen der Militärflugplatz Haiterbach schon beschlossene Sache ist. Rosenberger sagte in Talheim auch: "Heute morgen habe ich einen Anruf von der Bima (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben) bekommen. Die haben mir gesagt, dass wir nicht weiter mit Investoren für das Gelände in Talheim verhandeln sollen. Es ist als landwirtschaftliche Ausgleichsfläche für den Flugplatz Haiterbach vorgesehen." Macht der Bund schon alles klar, damit die KSK und die US-Army in Haiterbach demnächst Absprungübungen machen können?

Hintergrund: Mit der Eröffnung des neuen Bosch-Entwicklungszentrums in Renningen sicherte sich der Konzern die Möglichkeit zur Erweiterung. Davon betroffen: Der Flugplatz Malmsheim, wo KSK und die US-Army bisher geübt haben. Das Land verpflichtete sich gegenüber Bosch, bis zum Jahr 2029 ein Ersatzgelände zu finden. Das soll, so wurde Anfang März bekannt, in Haiterbach sein. Dazu müsste der vorhandene Flugplatz allerdings erweitert werden. Davon sind auch Landwirte betroffen. Jetzt ist klar: Die sollen dann neue Flächen in Talheim bekommen. Walz: "Es darf nicht sein, dass aufgrund von Konzerninteressen die Rechte der Bürger in der ganzen Raumschaft ausgehebelt werden."

Können sich die Bürger überhaupt noch gegen den Militärflugplatz in Haiterbach wehren? Horbs OB Rosenberger sagte jedenfalls zu dem Bima-Anruf: "Das spricht wohl eher dafür, dass das Absprunggelände in Haiterbach kommen wird."