71-jähriger wegen Insolvenzverschleppung vor Gericht / Angeklagter: "Ich bin Bauingenieur und kein Kaufmann"

Von Alfred Binder

Horb. Insolvenzverschleppung und Betrug in drei Fällen lautete der Vorwurf bei einem Gerichtsverfahren gegen einen 71-jährigen Bauingenieur.

Amtsrichter Achim Ruetz erwartet zwar einen Schuldspruch wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und Betrug in drei Fällen, möchte aber vorher noch die Steuerberaterin des Massivhaus-Unternehmers aus einer Landkreisgemeinde hören, und das soll dann – nach fünfstündiger Beweisaufnahme am Dienstagnachmittag – am Donnerstag, 18. September, um 10.30 Uhr geschehen.

Bei dem neuen, öffentlichen Termin, ebenfalls im Horber Amtsgericht, ist dann auch mit einem Urteil zu rechnen. Der 71-jährige Bau-Ingenieur hatte sich im Jahr 1982 mit einem Massivhaus-Bauunternehmen selbstständig gemacht und nach eigenen Angaben in den guten Jahren bis zur Jahrtausendwende mit über 20 Mitarbeitern bis zu 75 Häuser im Jahr verkauft. Die Gewinne hätte er immer im Unternehmen belassen, und die Firma sei sein Leben gewesen, bis ihm seine Berater für das Jahr 2003 eine erste "Katastrophenbilanz" vorgelegt hätten.

Die Bilanzergebnisse wurden in den Folgejahren nicht besser, eher noch schlechter. So betrug der Fehlbetrag in den Jahren 2005 bis 2008 insgesamt über drei Millionen Euro. Spätestens da hätte der Firmenchef erkennen müssen, dass einiges schief läuft und als Geschäftsführer der Bau-GmbH einen Insolvenzantrag stellen müssen, stellten der Staatsanwalt in seiner Anklageschrift und der Richter in seiner Einschätzung fest. Der Antrag wurde allerdings erst im März 2012 beim zuständigen Amtsgericht in Rottweil gestellt, obwohl die Firma längst zahlungsunfähig und völlig überschuldet war, so der Staatsanwalt.

"Ja, das will ich, ich bin unschuldig"

Zudem hatte der Bau-Ingenieur Zahlungen von Bauherren nicht an Handwerker weitergeleitet, sondern für die Bestreitung seines Lebensunterhaltes verwendet, wie ihm der Vertreter der Staatsanwaltschaft vorhielt. Dies stellte den Straftatbestand des bewussten Betruges dar, wie es hieß. Der Angeklagte hätte in dieser Zeit Aufträge unter Vorspiegelung falscher Tatsachen vergeben, mit dem Ziel, an dringend notwendiges Geld zu kommen.

Auf die Frage des Richters, ob er sich zu den Vorwürfen äußern wolle, antwortete der Angeklagte: "Ja, das will ich, ich bin unschuldig."

Daraufhin schilderte er sehr eingehend und prägnant seinen und den Werdegang seiner Firma. Nach zehn Jahren der Selbstständigkeit gründete er zusätzlich noch einen Zweigbetrieb in Sachsen, allerdings sei er dort vom Pech verfolgt gewesen. Im Jahre 2004 seien seine zwei Kinder in die Firma eingetreten, hätten diese aber im Jahre 2006 wieder verlassen. Als bekannt wurde, dass er eventuell aufhören wolle, ging es mit den Aufträgen rasant abwärts. Bauherren und Handwerker hätten sich abgewendet und sein juristischer Berater, auf den er immer vertraut habe, hätte ihn dennoch bestärkt weiterzumachen, was sich im Nachhinein als kapitaler Fehler herausgestellt hatte. Der Anwalt beschaffte der Firma Kredite von einer Bank in Bernhausen in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro, und so konnten immer wieder die größten Löcher gestopft werden. Der Angeklagte: "Ich bin Bau-Ingenieur und kein Kaufmann, ich wollte immer nur das beste für meine Mitarbeiter und die Firma."

Mitte 2007 musste er aber dann doch die ersten Mitarbeiter entlassen, weil er deren Löhne nicht mehr aufbringen konnte. Außerdem verkaufte er seine Immobilien und zahlte sogar seine Lebensversicherungen auf die Firmenkonten ein.

Die Verteidigerin dazu: "Der Angeklagte hat alles verloren, sein Vermögen und seine Familie, nur seine Ehre ist ihm noch geblieben."

Das Gericht hatte zum Termin acht Zeugen geladen, die allesamt verhört wurden und einiges Licht ins Dunkel gebracht haben. Fernsehreif war dabei der Auftritt des früheren Rechtsberaters der Firma, ein Rechtsanwalt aus Weilheim/Teck, der gestenreich von Starrsinn und Realitätsverlust beim Angeklagten, seinem früheren Mandanten, sprach.

Aufschlussreich hatte ein Oberndorfer Insolvenzverwalter die Situation der Bau-GmbH und deren Geschäftsführer geschildert. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass der Insolvenzantrag bereits im Jahre 2003 hätte gestellt werden müssen und nicht erst fast zehn Jahre später. Insoweit attestierte der Fachanwalt dem Angeklagten eine "Wahrnehmungsverweigerung". Man wird sehen, wie es am kommenden Donnerstag weitergeht.