Ein Rotmilan kreist in den Lüften. In Deutschland brüten rund 60 Prozent des weltweiten Bestandes. Foto: Willnow

NABU-Urtsgruppe stellt neues Gutachten zu Windkraft im "Großen Hau" vor. "Tötungsrisiko steigt signifikant".

Horb - Mitglieder der NABU Ortsgruppe Horb und der Bürgerinitiative "Waldjuwel-Horb" aus Rexingen, stellten am Freitagabend die Stellungnahme der Ökotop GbR zum Windparkprojekt der Verwaltungsgemeinschaft Horb im Waldgebiet "Großer Hau" vor.

Sie hatten den Auftrag nach der Gemeinderatsitzung vom 19. März, als einige Gemeinderäte den Wunsch nach einer weiteren, unabhängigen Expertise äußerten, in Auftrag gegeben. In diesem nun vorliegenden Papier überprüften und bewerteten die beiden Biologen Kerstin und Ubbo Mammen aus Halle/Saale, die unter anderem einige Expertisen für das Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt geschrieben haben, die Gutachten der Stadt Horb und des NABU und kamen im Kern zu folgendem Ergebnis: "Der Bau von Windkraftanlagen im Waldgebiet ›Großer Hau‹ ist mit den gesetzlich verankerten Zielen des Natur- und Artenschutzes nicht vereinbar. Das Waldgebiet liegt in einem Rotmilan-Dichtezentrum in Baden-Württemberg und es brüten mehrere Paare in weniger als einem Kilometer zum geplanten Windpark. Insbesondere für den Rotmilan würde sich nach Errichtung der Windkraftanlagen (WKA) das Tötungsrisiko signifikant erhöhen."

Sie erklärten weiter, dass auch das von der Stadt Horb vorgelegte Gutachten die Unbedenklichkeit des Vorhabens nicht belegen würde. Auf Basis dieser Stellungnahme, die im Original zehn Din-A4-Seiten umfasst, kommt auch der IDUR-Anwalt (Informationsdienst Umweltrecht) Patrick Habor, den der NABU um seine Meinung zu der Rechtmäßigkeit des Teilflächennutzungsplanes bat, zu der klaren Aussage, dass der Plangeber eine Fläche ausweist, von der er weiß, dass man dort keine WKA errichtet werden könne und dürfe. Weiter schreibt der Jurist: "Da eine Befreiung von den artenschutzrechtlichen Verboten nicht in Frage kommt, die Verwirklichung des Planes also an naturschutzrechtlichen Hindernissen scheitern würde, ist der vorliegende Teilflächennutzungsplan rechtswidrig, also nicht genehmigungsfähig."

Trotz dieser, für die Gegner der WKA im Waldgebiet "Großer Hau" recht erfreulichen Aussagen der Biologen und des Rechtsanwaltes nahm Lambert Straub, der die Stellungnahme moderierte und vorstellte, die gesamte Angelegenheit recht pragmatisch und ohne große Emotionen in Angriff.

Er wies darauf hin, dass nach neuesten Erkenntnissen der bisher angenommene 1000 Meter Abstand von den Horsten zu den Windrädern zu gering sei. Bei 1500 Metern würde das Tötungsrisiko für die Greifvögel auf 30 Prozent gesenkt. "Und damit könnte man leben", so der Naturschützer. Den einen Kilometer Abstand sieht er jedoch als absolute Tabuzone an, deren Erhalt er auch nachdrücklich fordert.

Nach aktuellem Planungsstand würden jedoch vier der fünf gedachten WindräderStandorte im Brutraum der Rotmilane liegen – zwei sogar in einem Abstand kleiner als 500 Meter. Derzeit gäbe es auf einer Fläche von fünf mal sieben Kilometern (35 Quadratkilometer) im "Großen Hau" zwölf bis 13 Milanpaare und im nächsten Jahr rechnet man mit zwei weiteren Paaren. Momentan fliegen laut Bürgerinitiative und NABU über 30 Rotmilane über dem "Großen Hau", auch Wespenbussarde sind im Waldgebiet und der Wald liegt genau im Flugkorridor der Kranichzüge.

"Wir haben also in diesem kleinen Waldstück die höchste Milan-Dichte – ob wir wollen oder nicht", stellte Volkmar Rieber fest. "Auch geht man über ein fantastisches Waldbild hinweg, als hätte es keinen Wert", ereiferte sich Rieber, der betonte, dass es selten einen vergleichbar artenreicheren Wald gibt, wie gerade den "Großen Hau".

Volkmar Rieber hat in den Nächten vom 11. bis 13. November 2012 beobachtet, wie weit mehr als 300 Kraniche übers Neckartal gezogen sind. "Es ist also absoluter Unsinn zu behaupten, dass der Wald nicht überflogen wird", fasste Rieber Tatsachen aufgrund des ornithologischen Ist-Zustandes zusammen. Deshalb verstehen weder Bürgerinitiative noch NABU das "auffallend unübliche" Vorgehen des von der Stadt beauftragten Gutachterbüros BFL nicht, die in keiner Phase ihrer Untersuchungen die örtlichen Naturschutzverbände, das Forstamt oder die Jagdpächter mit ins Boot genommen hätten. Daher hat der NABU die Befürchtung, dass dem Artenschutz nicht die notwendige Sorgfalt beigemessen wird, wie Lambert Straub ergänzend anfügte.

Für Lambert Straub liegt die Lösung bei dieser Angelegenheit im Umdenken. Man sei keineswegs gegen alternative Energiegewinnung, erklärte er völlig unaufgeregt. Seiner Einschätzung nach sollte man jedoch bei der Windkraftgewinnung überregional denken und agieren. "Man kann sich mit Sulz zusammentun, die Korridore entlang der A81 nutzen oder in einer Genossenschaft Windräder auf die Albhochfläche stellen", lauteten seine Ideen-Ansätze.

Die Petition gegen die geplanten WKA im "Großen Hau" haben die Gegner vorsorglich bereits am 30. April beim Regierungspräsidium eingereicht. Nun müssen das RP und die Stadt ihre Stellungen dazu abgeben und ein Petitionsführer bestimmen, bevor der Landtag das letzte Wort hat. Einen Bürgerentscheid herbeizuführen halten weder die Rexinger noch die NABU-Leute für sinnvoll. Sie setzten dagegen auf die neuen Erkenntnisse und falls diese doch nicht den gewünschten Erfolg bringen, auf eine drittes Gutachten als Hilfsantrag. Zu allererst glaubt man jedoch an die ökologische Vernunft. Man lädt deshalb die Bevölkerung zu einem "Waldfest" am 2. Juni nach Rexingen ein (siehe Bericht unten).