Was soll ich nehmen, um gegen meinen Heuschnupfen anzukämpfen (oben)? Tabletten oder Vitamine? Foto: Gorath

Wenn das Immunsystem zum Feind wird: Horber Experten geben Auskunft und Hilfestellung.

Horb - Wenn die Nase läuft und die Augen tränen, ist im Frühjahr und Sommer häufig der Heuschnupfen schuld. Da bleibt nur der Griff zu Tabletten, Tropfen, Nasenspray. Es gibt aber manches mehr, was man tun kann, verraten Horber Spezialisten. Und einiges, was eher gar nichts bringt.

Millionen Menschen kennen ihn. Verfluchen ihn. Und leiden unter ihm: dem Pollenflug. Seit etlichen Jahren bin ich einer dieser geplagten Allergiker. Die Medikamente sind griffbereit, die Taschentücher auch. Also schlucken, schniefen, Augen zu und warten, bis es nachlässt, oder?

Auf Recherche-Tour in Horb unterwegs

Nicht in diesem Jahr. Ich will mehr wissen, damit ich mir besser selbst helfen kann. Neben einer erschöpfenden Internet-Suche – die seltsam scheinende Tipps zutage bringt – bin ich wild entschlossen, mehr über echte Hilfe und dubiose Ratschläge herauszufinden. Und deshalb auf Recherche-Tour in Horb unterwegs.

In der Schiller Apotheke begrüßt mich Apothekerin Claudia Apperger. Opfer des Pollenfluges sieht sie oft zu dieser Jahreszeit. Die meisten plagen momentan Gräser- und Roggenpollen. Doch was rät sie den Allergikern, die nach zusätzlicher Unterstützung zu Medikamenten fragen? "Vielen hilft die Nasendusche", erzählt Apperger. Bei dieser Therapie zieht der Patient Kochsalzlösung durch die Nase, um die Pollen auszuspülen.

Ein nützlicher Tipp - aber sicher nicht jedermanns Sache. Was sie mir noch empfehlen kann? "Pollen meiden, wenn es geht", sagt Apperger bestimmt. Nützlich sei es dabei beispielsweise, die Kleidung die man am Tag getragen hat, über Nacht nicht im Schlafzimmer aufzubewahren. Oder die Haare zu waschen, bevor man ins Bett geht. Denn sowohl Haare als auch Kleidung können als wahre Pollenfänger betrachtet werden. Auch zur richtigen Zeit zu lüften sei wichtig. Nämlich dann, wenn die Pollen am wenigsten stark fliegen. In ländlichen Gegenden sei das gegen 19 oder 20 Uhr.

So weit, so gut. Diese Ratschläge sind mir auch im Internet neben einigen anderen, weniger einleuchtenden begegnet. Zum Beispiel, dass das richtige Essen mit viel Vitamin C und eine Kräftigung des Immunsystems – beispielsweise durch kalte Duschen – helfen könne. Ist da ebenfalls etwas dran?

Humbug, Halbwissen oder Mythos?

"Bei Säuglingen kann Ernährung präventiv wirken", sagt die Apothekerin. Vor allem, wenn beide Elternteile betroffen seien, könne damit eventuell verhindert werden, dass auch das Kind zum Allergiker werde. Doch im Erwachsenenalter? Apperger zuckt die Schultern. Ein definitiver Effekt ist ihr unbekannt. "Aber ausschließen kann ich es nicht", so die Apothekerin.

Und was ist mit dem Immunsystem? Für mich klingt es widersprüchlich, das stärkere Abwehrkräfte helfen sollen. Schließlich ist das Immunsystem letztlich die Ursache des Heuschnupfens.

Schnupfen und tränende Augen sind nur eine Verteidigungsreaktion des Körpers. Die bei Heuschnupfen – anders als im Falle von Viren oder Bakterien – für den Körper völlig harmlose und ungefährliche Pollen bekämpfen. Obwohl es aus gesundheitlichen Gründen eigentlich unnötig wäre.

Kann es dann von Vorteil sein, wenn diese Abwehrkräfte auch noch stärker werden? Die Apothekerin ist skeptisch. "Ich bezweifle es zumindest", sagt sie.

Doch was ist nun mit Vitamin C, kalter Dusch und Sauna, denen im Internet Unterstützung bei der Bekämpfung der Allergie-Symptome zugeschrieben werden? Alles Humbug, Halbwissen oder Mythos?

Rat weiß der Horber Hals-Nasen-Ohren-Arzt Thilo Schöller. Er behandelt seit mehr als 20 Jahren unter anderem Patienten mit Heuschnupfen. Gerade zu dieser Zeit um Pfingsten herum, wenn die Gräserpollen fliegen, hat er besonders viel zu tun. Als ich ihn nach den Internet-Tipps frage, kann ich sein metaphorisches Kopfschütteln beinahe durchs Telefon hören.

Spielt die Ernährung nun eine Rolle? Hierbei will auch der Arzt sich nicht zu 100 Prozent festlegen. "Das ist ein schwieriges Thema", sagt Schöller, "aber gesicherte Studien gibt es auf jeden Fall keine."

"Nicht den harten Mann spielen"

Und die kalte Dusche oder die heiße Sauna, die das Immunsystem in Schwung bringen sollen? Hilft dieser Trick wenigstens? "Nein, was soll das bringen?", antwortet Schöller sachlich. "Es kann nichts schaden, weil man dann weniger Infektanfällig ist", erklärt der Fachmann. Besonders schlimm sei es für Betroffene schließlich, wenn Allergie und beispielsweise grippaler Infekt zusammentreffen. Doch ein direkter Effekt? Fehlanzeige.

Stattdessen empfiehlt der Experte ebenso wie Apothekerin Apperger eine Nasenspülung. Und natürlich die altbewährten Mittel wie Augentropfen und Tabletten. "Medizinischer Standard sind verschreibungspflichtige Nasensprays mit Cortison", erklärt Schöller, "die sind extrem verträglich, zum Teil sogar für Kinder ab sechs Jahren."

Besonders wichtig sei es dabei, diese Arzneien kontinuierlich anzuwenden, da die Wirkung sich mit der Zeit aufbaue. "Man soll also nicht den harten Mann spielen und die Medikamente nur bei Bedarf nehmen", warnt der Mediziner.

Als einzige, nachweislich wirksame Bekämpfung der Ursache von Heuschnupfen nennt Schöller übrigens eine Therapie, die Hyposensibilisierung heißt. Dabei werden dem Körper in einer stetig steigenden Dosis über einen gewissen Zeitraum hinweg immer mehr Allergene – also gewissermaßen "Pollen" – zugeführt. Dadurch soll das Immunsystem sich an die Allergene gewöhnen, einen "Umlernprozess" durchlaufen und auf diese Allergene somit nicht mehr mit einer unnötigen Überreaktion antworten.

Abschließend muss ich also feststellen: Wundermittel oder überraschende Hilfe gegen Heuschnupfen gibt es offenbar keine – wie ich es bereits befürchtet hatte. Schade eigentlich. Letzten Endes bleibt mir wohl wirklich nichts Anderes übrig als schlucken, schniefen, Augen zu und warten. Obwohl, Pollen vermeiden ist natürlich immer ein guter Rat. Das hat übrigens auch Leser Alex U. auf unserer Facebook-Seite vorgeschlagen. Sein Tipp: "Abduschen, abduschen, abduschen..."