Berthold Auerbach als Repräsentant deutsch-jüdischer Literatur. Archivbild: Hopp Foto: Schwarzwälder-Bote

Hans Otto Horch referiert über Nordstetter Schriftsteller Berthold Auerbach

Von Marion Tischbein

Horb-Nordstetten. Zum Abschluss des Veranstaltungsjahrs 2014 referierte Hans Otto Horch zum Thema "Berthold Auerbach als deutsch-jüdischer Schriftsteller".

Die Vorsitzende des Berthold-Auerbach-Literaturkreises, Irene Vogel, konnte im voll besetzten Berthold-Auerbach-Museum mit dem Germanisten Hans Otto Horch einen ausgewiesenen Auerbach-Kenner begrüßen, der im Nordstetter Schloss anlässlich des Jubiläumsjahrs 2012 schon einmal zu Gast war und sich in Auerbachs Geburtsort nach eigener Aussage schon ganz "heimelig" fühlt.

Dass die Welt voller Zufälle ist, zeigte sich schon an dem Umstand, dass der ehemalige Inhaber der Ludwig-Strauß-Professur für deutsch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte an der Universität Aachen in jungen Jahren dasselbe Stuttgarter Gymnasium besuchte, in dem schon Berthold Auerbach die Schulbank gedrückt hatte. Und die Veranstaltung im Berthold-Auerbach-Museum geriet für den Referenten sogar zu einem kleinen Klassentreffen, da sich zum Vortrag drei ehemalige Schulkameraden eingefunden hatten.

Zu Beginn seines Referats befasste sich Horch mit der Frage: Was ist ein jüdischer Autor? Horch konnte im Zusammenhang mit dem Bindestrich-Begriff "deutsch-jüdisch" angesichts der Vielzahl von Selbst- und Fremddefinitionen keine eindeutige Antwort darauf geben. Die Abstammung von einer jüdischen Mutter, wie es im religiösen Judentum üblich ist, kann laut Horch kaum als einziges Diskriminierungsmerkmal gelten.

Dasselbe gilt für die gleichfalls religiös abgeleitete biologisch-rassistische Variante der nationalsozialistischen Definition, nach der nur derjenige als arisch galt, der zwei bereits getaufte Großelternpaare aufweisen konnte.

Im Zuge der fortschreitenden Säkularisation hat sich nach dem Zeitalter der Aufklärung sowohl im Juden- wie auch im Christentum eine Vielschichtigkeit entwickelt, die nach Jahrzehnten der Borniertheit einen nationenübergreifenden europäischen, weltliterarischen Kulturbegriff selbstverständlich werden ließ.

So ist es nicht verwunderlich, dass sich der Begriff "jüdische Literatur" keineswegs auf die Herkunft der Autoren bezieht. Jüdische Identität wird auch in den Werken nichtjüdischer Autoren fassbar, wie an Thomas Manns Joseph-Tetralogie, in der versucht wird, in einem jüdischen Stoff ein universales Thema menschlicher Zivilisierung darzustellen. Unter diesen Umständen verwundert es nicht, dass es auf die Frage nach einer Besonderheit der deutsch-jüdische Literatur vielfältige Positionen gibt.

Nach Horch kann Auerbach allerdings für die Entwicklung des deutsch-jüdischen Verhältnisses wie auch für die Bedeutung deutsch-jüdischer Literatur eine Repräsentativität beanspruchen wie wohl kein zweiter deutschsprachiger Autor bis zum letzten Drittel des 19. Jahrhunderts.

Allein schon die Lebensdaten des Nordstetter Schriftstellers umfassen den Aufstieg und den Niedergang deutsch-jüdischer Integration. Auerbach hatte die deutsch-jüdische Symbiose herbeigesehnt und zeitweise realisiert gewähnt. Damit ist er für seine Zeit ein wirklicher Repräsentant jener idealistischen Vorstellung von deutsch-jüdischer Gemeinschaft, die sich im Verlauf der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als schreckliche Illusion erweisen sollte. Um Auerbach noch gerechter zu werden, kündigte Horch für Ende November die Neuedition von Berthold Auerbachs Briefen an seinen Freund Jakob Auerbach an, über die er im Frühjahr im Nordstetter Museum berichten will.