Keine Geschichten zu erzählen: Niteen Gupte Foto: Lück Foto: Schwarzwälder-Bote

Kultur: Niteen Gupte wechselte nach seiner Ankunft in Europa das Metier / Heute wird seine Ausstellung eröffnet

Dieser Künstler ist das genaue Gegenteil eines Reporters: Er will keine Geschichte erzählen. Er will bewusst keine Bildsprache einsetzen. Treff mit Niteen Gupte.

H orb. Das Forum im Horber Kloster: Der schlanke Mann mit den langen Haaren gestikuliert. Immer wieder fallen seine Hände auf den Tisch und treffen mein Eintracht-Braunschweig-Schlüsselband. Die Schlüssel klappern. An der Wand hängen seine Bilder. Alle heißen "Flächengedichte". Ergänzt mit dem Ort, wo sie entstanden sind. Doch so richtig ist nichts auf den Bildern zu erkennen. Weder große Farbflächen, aus denen die Fantasie wie bei Wolkenbildern seine eigenen Bedeutungen einhaucht, noch irgendwelche Anhäufungen von Linien, die klare Formen vorgeben. Alles verschwimmt.

Und genau das ist das, was Niteen Gupte zeigen will. Der geborene Inder: "Ich male nichts Figürliches. Dann müsste man anfangen, eine Geschichte zu erzählen. Aber ich habe keine Geschichte."

Warum? Jeder will doch etwas sagen. Doch was der Künstler dann erzählt, würden Therapeuten sicherlich irgendwo in eine traumatische Ecke reinstecken. Doch seine Augen lächeln, während er spricht. 

Gupte war eigentlich Schriftsteller, schrieb Geschichten per Hand in seiner Muttersprache. Doch dann kam er nach Deutschland. Gupte: "Das war eine Katastrophe mit der Sprache. Ich habe alles gemischt. Deutsch, Englisch, meine Muttersprache." Dann ging er nach Wien. Gupte: "Hier hatte ich nicht nur keine Sprache, sondern auch kein Publikum." So habe er quasi seine Sprache verloren, erzählt der Künstler. 

Ohne Sprache keine Geschichte. Also ging er in die Malerei – mit seinem Schriftsteller-Werkzeug, der Feder. Mit den Farben der Schriftstellerei: schwarz und weiß. Und sein Thema war auch klar: Eben gerade nichts Konkretes, keine Geschichten, keine Assoziationen bewusst hervorrufen. Gupte: "Mir geht es um den Ausdruck. Eine Semantik, die keine Referenz mehr hat."

Für mich als Reporter wäre das der Horror. Doch für Gupte ist genau das seine Kunst. Ich frage ihn, wie es ihn geht, keine Geschichte zu erzählen? Der Künstler: "Mir geht es sehr gut damit." Muriel Shah, Kuratorin der Ausstellungen im Kloster-Forum, sagt: "Mir geht es als Künstlerin genau anders: Ich erzähle gerne Geschichten. Bei Niteen ist das ganz anders. Er versinkt in seine Linien. Das ist für ihn wie Om."

Sie kennt den Künstler seit vier Jahren von der Kunstmesse Art Pul in Köln-Pulheim. Shah: "Vor einem halben Jahr hat er mich angerufen, ob ich Lust habe, mit ihm bei der Indien-Woche in der Kunsthalle Lindenthal mit auszustellen. Da waren wir drei Inder und haben unsere Werke gezeigt. Er fragt mich dann, ob er auch nach Horb kommen kann."

Und jetzt hängen die "Flächengedichte" von Gupte im Horber Kloster-Forum. Doch das Rätsel um die Kunst kann auch Muriel Shah nicht richtig lösen: "Niteen bleibt der Schweigsame."

Weitere Informationen: Die Ausstellung "Flächengedichte" von Niteen Gupte wird heute um 19 Uhr im Horber Kloster-Forum eröffnet; Öffnungszeiten: dienstags bis samstags ab 18 Uhr, bis zum 29. Oktober.