In den Augen der Nachtwächter ist der Platzcharakter des oberen Markts verloren gegangen / Parkende Autos auf den Touristenfotos

Horb. Die Horber Nachtwächter hatten am Freitagabend auf den zur Zeit ob seiner Gestaltung laut eigener Einschätzung "heftig umstrittenen Marktplatz" geladen.

Zu ihrem vorletzten Umgang im Jahr 2014 fanden sich wieder einmal weit mehr als 100 Personen ein, die von Obernachtwächter Joachim Lipp mit dem achten Glockenschlag der Stiftskirche zum nächtlichen Umgang durch die Oberstadt willkommen geheißen wurden.

Nachdem die Nachtwächter den angedachten Wasserspielen auf dem Horber Marktplatz eine Abfuhr erteilt haben, zeigen sie sich auch von der neuen Marktplatzgestaltung nicht sonderlich begeistert, zumal der obere Markt jetzt durch die von "hübsch hässlichen Verkehrsbaken umrahmten Bänke und Blumenkübel" seinen Platzcharakter verloren habe.

Zwischen diese künstlichen Hindernisse quetschten sich die zahlreichen Umgangsteilnehmer, als Heinrich Raible, Bruno Springmann und Joachim Lipp vor dem Rat- und Wachthaus aufmarschierten. Für die Nachtwächter ist auch nicht ganz einsichtig, dass sich die verbliebenen Stellplätze für Blechkarossen nun ausgerechnet auf der Schokoladenseite des Marktes befinden, die von der Stiftskirche überragt wird. "Jedes Touristenfoto wird so gleichzeitig zur Werbebroschüre für Automarken", so die Nachtwächter. "Diese Parkplätze sind sicherlich auf der gegenüberliegenden Seite des Marktes besser aufgehoben, wo als letzte Vertreter der gewerblichen Zünfte, die einmal den Marktplatz beherrscht haben, noch ein Bäcker- und ein Schreinermeister ihre wohlfeilen Produkte anbieten."

Nachdem die Umgangsteilnehmer mitten auf dem Marktplatz aus dem "Labyrinth von Bänken und Blumenkübeln" herausgefunden hatten, folgten sie den Nachtwächtern zum Geßlerschen Amtshaus, wo sich Stefan Reichel wieder einmal in Gestalt der Weißen Frau mit einem gefüllten Bottschamber am Fenster blicken ließ. Ein weiteres Mal leerte der Vereinskassier als verschlafener Bürger seinen Bottschamber über der Marktsteige aus. Der Marktbrunnen blieb allerdings an diesem Abend verwaist, da die Horber Waschweiber krankheits- und urlaubsbedingt nicht in voller Stärke anrücken konnten. Diese Gelegenheit nutzten Doris Ladenburger und Desiree Schneider, um erstmals eine Nachtwächterführung in voller Länge selbst miterleben zu können. Dabei kümmerten sich die beiden rührend um das Wohlbefinden ihrer schwarz gekleideten Kollegen. Sie hielten in einem hölzernen Bierträger, in den das Wort "Nachtwächter" geschnitzt ist, das nötige Schmiermittel für deren Kehlen bereit.

Vom Marktplatz ging es vorbei am Sebastian-Lotzer-Denkmal hinauf zum Buß, wo die Nachtwächter das Horber Lied zum Besten gaben. So inbrünstig und lautstark wie am Freitagabend ist es von den Umgangsteilnehmern noch bei keiner Nachtwächterführung gesungen worden. Vielleicht lag es daran, dass die wenigsten Umgangsteilnehmer aus der Kernstadt selbst stammten.

Den größten Lacherfolg erzielten die Horber Nachtwächter immer dann, wenn sie eine Breitseite gegen die viel geliebten Freudenstädter abfeuerten. So wünschte sich einer der Nachtwächter lieber eine Ratte im Küchenbüfett als einen Freudenstädter im Hausgang. Laut Aussage der Horber Nachtwächter brannte der römische Kaiser Nero Rom nur deshalb nieder, weil es Freudenstadt damals noch gar nicht gegeben hat. Das Schönste an der sogenannten Perle des Nordschwarzwalds wird für das Trio stets der Omnibus nach Horb bleiben. Immer wieder war in den dunklen Gassen der Horber Oberstadt schallendes Gelächter und stehender Applaus zu hören.

Zum letzten Nachtwächterumgang im Jahr 2014 laden die drei Herren vom Kultur- und Museumsverein am 29. November und sind dann gespannt, ob die Organisatoren des Horber Advents von dieser besonderen Führung durch die weihnachtlich beleuchtete Horber Altstadt überhaupt noch einmal Notiz nehmen. Die weihnachtliche Führung durch die Oberstadt sei nämlich seit dem gleichfalls umstrittenen Ortswechsel des Weihnachtsmarkts vom Stadtmarketing immer totgeschwiegen worden, so die Nachtwächter. obgleich solch ein Umgang wohl weit und breit einzigartig ist.