Viva con Agua geht beim Mini-Rock auf Becherjagd

Von Diana Brändle

u Mini-Rock-Festival 2013 in Horb. Beim Schlendern über das Gelände sticht so manches Skurile ins Auge. Fragwürdige Outfits, schrille Frisuren und gewagte Zeltkonstruktionen. Fast schon eine Erholung fürs geplagte Auge ist da der Stand von Viva con Agua.Abseits vom dichten Gedränge vor der Bühne, zwischen den beiden Campingplätzen hat eine Abordnung von Viva con Agua ihre Zelte aufgeschlagen. Ein Banner und einige bunt bemalte Mülltonnen sind die einzigen Eyecatcher der Organisation. "Spende dein Pfand" oder "Pfand für Wasser" steht auf Plakaten, Während den Konzerten werden lange Fahnen mit dem Logo geschwungen. Möglichst viel Trinken und somit Gutes tun? Das klingt machbar.

Die brütende Hitze sorgt in diesen Tagen für beste Voraussetzungen. Bier und Wasser fließen beim Mini-Rock in Strömen. Ausgeschenkt wird in Plastikbechern, ein Euro Pfand ist absolut human. Der geübte Festival-Gänger weiß, im Eifer des Gefechts lässt man seinen Becher gerne mal links liegen, verzichtet auf den Euro.

Genau da setzt Viva con Agua an. Der gemeinnützige Verein ist Partner der Welthungerhilfe. Mit Pfandsammelaktionen, wie hier beim Mini-Rock, verbreitet sich ihre Botschaft wie ein Lauffeuer. Ziel der Organisation ist es, die Versorgung mit sauberem Trinkwasser und sanitären Anlagen in Entwicklungsländern nachhaltig zu verbessern.

"Mit der Becherpfand-Spende von einem Euro kann man für einen Menschen die Versorgung mit Sanitär- und Trinkwasser nachhaltig sichern", bringt es Flo aus Stuttgart auf den Punkt. Zusammen mit Moni aus Heidelberg sitzt er am Info-Stand. Anders als man es von vielen Hilfsorganisationen kennt, steht das Team von Viva con Agua nicht an vorderster Front, geht selten offensiv auf Besucher zu. "Wir wollen uns nicht aufdrängen. Die Leute sollen aus Eigeninitiative zu uns kommen und somit ganz bewusst spenden. So bleibt unsere Philosophie fest im Bewusstsein verankert", spricht die 23-Jährige Studentin für den gesamten Verein.

Seinen Ursprung hat das Projekt auf St. Pauli. Vor etwa acht Jahren  rief der damalige FC-St.-Pauli-Spieler Benjamin Adrion gemeinsam mit der Welthungerhilfe die Initiative ins Leben, nachdem er im Wintertrainingslager auf Kuba die problematische Trinkwasserversorgung vor Ort erlebt hatte. Das erste Projekt von Viva con Agua begann daher in Havanna, wo in 153 Kindergärten und vier Sportinternaten Wasserspender zur Versorgung mit sauberem Trinkwasser aufgestellt wurden. Inzwischen engagiert sich die Initiative in 15 Projektländern, vor allem in Ostafrika.

Aber auch die hiesigen Gebiete liegen den Mitgliedern am Herzen. "Wir bieten zum Beispiel Hygieneschulungen in Kindergärten und Unternehmen an und zeigen, wie man richtig die Hände wäscht. Mit Bildungsworkshops tingeln wir zu Schulen und wollen so die breite Masse auf die schlechte Wasserversorgung in Entwicklungsländern aufmerksam machen", fasst Flo zusammen.

Die Pfandsammel-Aktionen zeigen Erfolge. Im vergangenen Jahr kamen 90 151 Becher, sprich 90 151 Euro zusammen. Im Aktuellen Festivalsommer sind die Teams deutschlandweit unterwegs, beim Southside- und Hurricane-Festival kamen 25 000 Euro in die Spendenkasse. "Allein beim Bon Jovi-Open Air in Bad Cannstatt wurden 2500 Euro gespendet. Das ist der Hammer", freut sich Flo.

In Horb landeten am Freitag stolze 850 Becher in den Tonnen. Viva con Agua war mit 16 Personen im Einsatz, Eintritt frei und Festival-Atmosphäre inklusive sorgen für Spaß und bieten Vielen einen Anreiz, Viva con Agua beizutreten. Monica studiert in Heidelberg und steht voll hinter ihrem Ehrenamt: "Wir haben Spaß, sind mit netten Leuten unterwegs und können mit Kleinigkeiten so Großes bewirken."

Mittlerweile gibt es den Verein deutschlandweit in 33 Städten. Auch 300 junge Leute in Stuttgart und ein erst vor Kurzem zusammengeschlossener Trupp aus Tübingen sind mit im Boot. Neben den Pfandsammelaktionen auf sämtlichen Festivals organisieren die Gruppen regelmäßige Aktionen wie Spendenläufe und Konzertreihen.

Am werbewirksamsten ist die Unterstützung von Stars. Die Band "Irie Revoltes" – Headliner beim Mini Rock am Freitag – widmete der Organisation mit "Viva con Agua – Für ein Leben mit Wasser" sogar einen eignen Song. Sänger Materia und Maeckes von den Orsons waren mit einem TV-Team zwei Wochen lang in Uganda unterwegs, um ein Brunnenbauprojekt in der Region Lira im Norden des Landes zu unterstützen. Daraus ist die zweiteilige Dokumentation "BLUganda" entstanden, die im Juli im ZDF ausgestrahlt wurde. Und wenn Materia auf der Bühne der gröhlenden Masse zujubelt "Gebt mir eure Becher", dann schmettern diese promt schonmal locker 1500 Plastik-Wurfgeschosse Richtung Bühne. "Spenden kann also doch auch mal weh tun", grinst Moni.