Obwohl ihr Beruf kaum als Idylle bezeichnet werden kann, übt sie ihn mit großer Leidenschaft aus: Pfarrerin Susanne Veith Foto: Morlok Foto: Schwarzwälder-Bote

Pfarrerin Susanne Veith spricht über Burnout im Pfarrberuf – und die vielfältigen Anforderungen ihrer Profession

Von Peter Morlok

Horb. Es war eine kurze Meldung, die dieser Tage im Radio oder im Fernsehen lief und sich mit dem sich verbreitenden Burnout-Syndrom in seelsorgerischen Berufen befasste. Eine Meldung, die aufhorchen ließ und neugierig auf die Hintergründe machte.

Ein Pfarrer und ausgebrannt! Ja um Gottes Willen, wovon denn? Die landläufige Vorstellung des Berufsbildes Pfarrer sieht doch in etwa so aus: Sonntagsvormittags eine Predigt halten, die man am Samstagabend bei einem guten Gläschen Rotwein schrieb; ab und zu mal eine Beerdigung und wenn’s hoch kommt einmal im Vierteljahr die Teilnahme an einer Kirchengemeinderatssitzung. Und das reicht zum "Burn out"? Fast nicht vorstellbar!

Doch wenn man mit einem echten Pfarrer, in diesem Fall mit Susanne Veith, evangelische Pfarrerin in Horb, spricht, dann stellt man schnell fest, dass hier ein völlig falscher Eindruck vorherrscht.

Sie gibt einen ersten Einblick in ihren Alltag, als sie erzählt, froh zu sein, in diesem Jahr nach den Sommerferien der "Alltagswalze" einigermaßen gut standgehalten zu haben. Sie verweist auf das "Anti-Burnout-Buch für Pfarrerinnen und Pfarrer" von Andreas von Heyl, das sie vor einigen Jahren geschenkt bekam – von einer guten Freundin mit entsprechendem Einblick in den Pfarrberuf.

Heyl beschreibt, dass neben den allgemeinen Stressfaktoren oft die hohen eigenen Ansprüche des "Ganz-für-den-Anderen-da-Seins" sowie ein weit verbreitetes Einzelkämpfertum zum Burnout in geistlichen Berufen führen können. Susanne Veith räumt zu letzterem Punkt ein, wie wichtig ein gutes Miteinander in der Kollegenschaft, im Team vor Ort oder im Nahbereich ist. "Der kollegiale Austausch ist etwas ganz Entscheidendes", sagt sie dazu.

Greift man sich einen x-beliebigen Arbeitstag von Pfarrerin Veith heraus, dann sieht man schnell, was mit der "Alltagswalze" gemeint ist:

"Da koche ich in Ruhe, schalte ab und den Anrufbeantworter ein"

Arbeitsbeginn 8 Uhr. Bis 9.30 Uhr Büroarbeiten, Telefonate. 9.30 bis 12 Uhr Geburtstags- oder Krankenbesuche bei den Gemeindemitgliedern. Susanne Veith betreut den Pfarrbezirk zwei – Nordstetten, Altheim, Grünmettstetten, Bildechingen und Eutingen – und ist daher an manchem Vormittag mehr kreuz und quer im Horber Stadtgebiet unterwegs als ein Paketbote. Nach den Besuchen schaut sie oft noch schnell im Pfarramt vorbei und von 12.30 Uhr bis 14 Uhr ist Mittagspause. "Da koche ich in Ruhe, schalte ab und den Anrufbeantworter ein", erklärt sie. "Diese Pause ist für mich eine wichtige Zäsur am Tag." Von 14 Uhr bis 16 Uhr stehen dann Gespräche, vom Tauf- bis zum Trauergespräch im Terminkalender. Die Zeit von 16 Uhr bis 17.30 Uhr ist für diverse zeitnahe Vorbereitungen reserviert und ab 18 Uhr bis 19.30 Uhr trifft sich irgendeine Gruppe, oder es ist Zeit zur Probe des Musikteams. Ab 19.30 Uhr tagen der Kirchengemeinderat oder ein anderes internes Gremium und wenn sie dann gegen 22.30 Uhr müde vom Tag nach Hause kommt, wartet oft noch irgendeine liegen gebliebene Arbeit auf sie.

Zum "normalen" Arbeitsalltag mit seinen mannigfaltigen Aufgabenfeldern gehört auch die Residenz- und Präsenzpflicht. Anders formuliert heißt das, der Pfarrer ist immer greifbar. Sätze wie "Ich weiß zwar, dass Sie Urlaub haben, aber ich hab Ihr Auto vor der Tür gesehen" sind keine Seltenheit. Im Pfarrhaus brennt halt immer Licht. "Da wird es dann manchmal schwierig", sagt die Pfarrerin, "aber das kommt zum Glück nicht oft vor."

Der Begriff "Burn out" hat für die Theologin aber auch eine ganz andere Dimension. "Wer ausbrennt, wessen Flamme erlischt, der muss vorher gebrannt haben – da gab es einmal ein Feuer." Und gerade das Brennen, die Freude am Beruf, der Feuereifer – um in der Bildebene zu bleiben – für das pastorale Amt, für die Verkündigung, die Seelsorge und den Unterricht – die sogenannten Kernkompetenzen des Pfarrberufes – ist das, was die Flamme mit dem notwendigen Sauerstoff, der beruflichen Erfüllung versorgt. Für Susanne Veith ist es keine Frage, dass sie ihren Beruf, der für sie Berufung ist, trotz all dem Mehraufwand, der ständig auf sie und ihre Kollegen zukommt, liebt.

Lächelnd erinnert sie sich an die Aussage eines Theologen, der Pfarrer einmal als "Universaldilettanten" bezeichnete, und pflichtet dem ein Stück weit bei. "Zu allem soll man seine Meinung sagen, und dies fundiert und sachkundig – ob zum Rücktritt von Margot Käßmann oder zum Volksentscheid in Irland. Wir Pfarrer sind zudem manchmal Hausmeister und Bauleiter, Hauswirtschafterin und Entertainer in einer Person." So amüsant das auch klingen mag, in Wirklichkeit ist es eine ständige Gratwanderung.

Ebenso wie der innere Balanceakt der seelsorglichen Begleitung von Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen. "Menschen in ihrer Not begleiten, ohne selbst darin aufzugehen, das ist manchmal ein großer Kraftakt. Denn es ist wichtig, Gegenüber zu bleiben, um Hoffnung, Trost und Zuversicht spenden zu können", so die eigene Erfahrung.

Alles in allem sieht sie das Phänomen Burnout grundsätzlich nicht negativ, etwa als Zeichen von Schwäche und mangelnder Belastbarkeit, sondern vielmehr als gesunde Reaktion auf eine ungesunde Situation. Burnout sozusagen als Notbremse von Körper, Geist und Seele.

Was aus einer beiläufigen Meldung werden kann: Ein völlig neues Bild des Pfarrerberufes. Weg ist er, der wichtige Mann, der am Stammtisch seine Meinung vertritt und sonntags seine Schäfchen von der Kanzel herunter auf den richtigen Weg bringt. Und weg ist auch eine Idylle wie die des Dichterpfarrers Mörike. Was übrig bleibt, ist ein Top-Manager im Auftrag der Kirche.