Knapp ein Jahr nach der Koma-Schläger-Attacke gegen Gerhard G. in Sue's Salatschüssel ist Sue Graf immer noch hochgradig traumatisiert. Foto: Hopp

Besitzerin von Sue's Salatschüssel steht vor Scherbenhaufen. Kommt Koma-Schläger ohne Strafe und Schadensersatz davon?

Horb - "Ein Jahr später merkst Du erst, vor was einem Scherbenhaufen Du stehst!" Bittere Worte von Sue Graf. Knapp ein Jahr nach der Koma-Schläger-Attacke gegen Gerhard G. in Sue's Salatschüssel ist sie ganz unten.

Die Mutter von drei Kindern, die fast 18 Jahre lang den Truck-Stop "Sue's Salatschüssel" im Industriegebiet geführt hat, sagt: "Ich habe keine Power mehr. Die Psychologin sagt, ich bin hochgradig traumatisiert. Jetzt sieht es auch noch so aus, als ob der Täter nicht mal belangt werden kann!"

Rückblick. Am Donnerstag, 23. Juni 2016, setzt sich der Nordstetter Manfred K. (Name geändert) gegen Abend in Sue’s Salatschüssel. Trinkt anderthalb Bier, isst eine Currywurst. Plötzlich drängt er Salatschüssel-Mitarbeiter Gerhard H. nach hinten. Graf: "Er prügelte ihn acht Meter durch den Raum. Schlug seinen Kopf immer wieder gegen den Heizpilz. Er schrie: Ich schlage Deinen Schädel zu Brei!" Die Diagnose im Krankenhaus für das Opfer: "Die Knochen zwischen Nase und Ohren waren völlig pulverisiert." Gerhard H. musste ins Koma versetzt werden. Inzwischen sei er in einer Klinik und wird danach in ein Pflegeheim kommen.

Gerhard H. (67) – bis zum brutalen Überfall arbeitete er in Sue’s Salatschüssel, kümmerte sich auch um ihre Kinder. Beide haben zusammen ein Haus gekauft, in dem sie wohnen.

Im Mai gibt Sue Graf dann auf. Sie sagt heute: "Ich musste mich um Gerhard kümmern, um die Kinder und auch noch um das Geschäft. Ich stand in der Salatschüssel und habe eine Panik-Attacke bekommen. Ich habe keine Luft mehr bekommen – ich schaffe das nicht mehr alleine!" Dann schloss sie die Türe der Salatschüssel ab.

Jetzt sitzt sie in ihrem Haus. Die einst so agile Frau – nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie zeigt den Bescheid vom Job-Center: "Ich kriege von denen 242 Euro zum Leben ausbezahlt! Das heißt: Ich kann für meine Kinder weder Karate noch Klavierunterricht bezahlen." Der Grund für die geringe Zahlung von Hartz IV, so Graf: "Die sagen, ich kann von Gerhard 410 Euro Miete verlangen! Und rechnen das als Einnahme an. Das ist doch wohl ein Witz – Gerhard hat mir damals 90 000 Euro gegeben, damit ich das Haus kaufen kann. Dafür hat er lebenslanges Wohnrecht. Er bekommt zwar eine Rente von 1200 Euro, aber er musste allein für den Zahnarzt 15 000 Euro bezahlen. 2000 Euro für eine neue Brille. Und 2500 Euro Selbstbehalte für die Krankenhaus-Aufenthalte!"

Und diesen Schaden – den wird der Täter wahrscheinlich nie begleichen müssen. Graf: "Die Staatsanwaltschaft hat mir jetzt geschrieben, dass inzwischen das Gutachten zur Schuldunfähigkeit da ist. Die warten doch nur darauf, dass sie nach dem Gutachten die Akte in die Ecke werfen können!" Ihre Rechtsanwältin schreibt: "Ist er schuldunfähig, hat Gerhard keinen Anspruch!"  Auch krass, so erzählt die ehemalige Gastronomin: "Auch der weiße Ring lehnt es ab, Gerhard als Opfer zu unterstützen. Die Begründung dafür: Er bekommt ja 1200 Euro Rente."

Sie ist sauer auf das ganze System ist. Graf: "Ich fasse es nicht. Der Typ baut ein Haus, geht arbeiten – und muss uns nicht einmal Schadenersatz leisten." Die Haftpflichtversicherung schreibt dazu: "Eine Deckung wäre dann ausgeschlossen, wenn der Schädiger die Körperverletzung vorsätzlich begangen hat. Sollte der Schädiger zudem schuldunfähig sein, ist auch keine Haftung gegeben."

Der Täter-Anwalt hatte dazu im Januar diesen Jahres geschrieben: "Unser Mandant bedauert zutiefst, dass Gerhard H. durch ihn verletzt wurde und ihm sowie seiner Bevollmächtigten Frau Graf erheblicher finanzieller Schaden entstand. Im Einzelnen kann sich unser Mandant (…) das ihm vorgeworfene Verhalten selbst nicht erklären. Bis heute hat er leider keine konkrete Erinneung an das Geschehen."

Es sei zu berücksichtigen, so der Anwalt, dass sich der Täter zumindest in einem Zustand "erheblich verminderter Schuldfähigkeit, wenn nicht sogar im Zustand der Schuldunfähigkeit befand. Darüber hinaus erlauben wir uns, vorsorglich anzumerken, dass unser Mandant als Alleinverdiener mit seinem Einkommen den Lebensunterhalt für sich, seine Ehefrau und die beiden gemeinsamen Kleinkinder bestreitet sowie außerdem hohen Kreditverbindlichkeiten zu bedienen hat."

Schuldunfähig? Sue Graf hat eine ganz andere Erklärung, warum der Täter plötzlich in der Salatschüssel aufgetaucht ist. "Er hat das bewusst geplant. Laut den Ermittlungen der Kripo hatte er bei der Tat keinen Führerschein. Die Frage ist: Wie kam er dann von Nordstetten ins Industriegebiet? Entweder mit dem Taxi oder dem Bus. Dabei muss er umsteigen – auch das kostet Planung. Aus sicherer Quelle ist mir bekannt, dass die Frau des Täters bis einige Wochen vor der Tat bei Pex im Industriegebiet gearbeitet hat. Dort soll sie eine Affäre gehabt haben. Deshalb soll es zwischen dem Täter und seiner Frau zu einer Trennung gekommen sein. So könnte sich ganz leicht erklären, warum der Täter ausgerechnet in der Salatschüssel aufgetaucht ist. Und dass dahinter ein Plan gestanden hat."

Fakt ist jedenfalls, so der Sprecher der ermittelnden Staatsanwaltschaft Rottweil: "Das Sachverständigengutachten ist inzwischen bei uns angekommen. Wenn nichts dazwischen kommt, soll noch diese Woche entschieden werden, wie es weitergeht." Also, ob Anklage erhoben wird oder nicht.