Fotos: Hopp Foto: Schwarzwälder-Bote

Am 1. September ziehen Flüchtlinge in Sattelacker Hof ein / Gerichtsentscheidung bereits vor einigen Wochen gefällt / Auch Bürgermeisterin Grassi ist von Belegung überrascht

Hat das Landratsamt auf die günstigste Gelegenheit gewartet, Nägel mit Köpfen zu machen? Im ehemaligen Hotel Sattelacker Hof in Lützenhardt ziehen ab dem 1. September die Flüchtlinge ein. Die Information kam erst in dieser Woche, obwohl das Gerichtsurteil schon länger vorlag.

Waldachtal-Lützenhardt. 38 Flüchtlinge aus Horb-Talheim werden in genau einer Woche in den Sattelacker Hof ziehen, der für viel Wirbel gesorgt hatte. Die Talheimer Unterkunft könne nach Angaben des Landratsamts wegen einer defekten Heizungsanlage nicht mehr genutzt werden. Nach fast zwei Jahren wird damit die Asylunterkunft in der alten Schule in Talheim bald aufgelöst.

Außerdem sei geplant, die in Waldachtal angemieteten Unterkünfte sukzessive aufzugeben und sie der Gemeinde für die Anschlussunterbringung von anerkannten Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen. Die in den Wohnungen bislang in der vorläufigen Unterbringung befindlichen Flüchtlinge würden dann nach und nach in den Sattelackerhof umziehen. Dabei soll es sich um 36 Personen handeln. Das Landratsamt werde außer einer Wohnung in Salzstetten alle Wohnungen in Waldachtal zum 30. November kündigen.

Defekte Heizung in Talheim als Grund für den Umzug

Auch ohne defekte Heizung wäre die Notunterkunft in Talheim allerdings wohl bald aufgelöst worden. Das sei sowieso geplant gewesen, da es sich damals um eine schnelle Lösung gehandelt habe, so Sabine Eisele, Sprecherin des Landratsamts Freudenstadt. Stadtsprecher Christian Volk bestätigt, dass es sich um Mietverträge mit kurzen Laufzeiten gehandelt habe. Bei den Menschen, die nun umziehen, handelt es sich immer noch um Flüchtlinge der "ersten Generation" – also um diejenigen, die Ende Oktober 2014 vom Balkan nach Talheim kamen. Einen Asylantrag hätten diese Flüchtlinge erst vor zirka zwei Monaten gestellt, so Eisele zum bereits fast zweijährigen Aufenthalt der Menschen, denen von Anfang an wenig Chancen auf Asyl gegeben wurden.

Nun also der Sattelacker Hof. In Lützenhardt gab es viel Unmut, als der Landkreis das ehemalige Hotel anmietete, um dort Flüchtlinge unterzubringen. Unter anderem waren die Mitarbeiter der in direkter Nachbarschaft gelegnen "Klinik am Zauberwald", einer Mutter-Kind-Klinik, in Sorge um ihre Patientinnen. Nicht weil man ausländerfeindlich sei, so die Klinik-Leitung damals, sondern weil die Patientinnen oftmals Gewalterfahrungen mit Männern gemacht hätten und männliche Asylbewerber vor Ort deshalb "Angstauslöser" sein könnten.

Wachdienst soll für Sicherheit sorgen

Das Landratsamt informiert, bis auf Weiteres werde ein Wachdienst rund um die Uhr für die Sicherheit sorgen. Auch Personal des Landkreises werde für die Verwaltung und soziale Betreuung zu den üblichen Bürozeiten vor Ort sein.

Die ursprünglich geplante Erstbelegung im Februar war vom Verwaltungsgericht Karlsruhe wegen eines Widerspruchs gegen die baurechtliche Genehmigung untersagt worden. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg habe zwischenzeitlich diese Entscheidung aufgehoben und damit den Weg für die Nutzung zur Unterbringung von Flüchtlingen frei gemacht, so das Landratsamt. In seiner Entscheidung habe der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass die Belegung des Sattelacker Hofs mit Flüchtlingen durch den Landkreis rechtmäßig ist.

Landratsamt wehrt sich gegen Vorwürfe

Dass diese Entscheidung schon seit einigen Wochen vorliegt, aber öffentlich bisher so nicht kommuniziert wurde, verägert Menschen in der Gemeinde. "Bürgernähe sieht anders aus. So etwas muss doch von Bürgermeisterin Grassi und vom Landratsamt kommuniziert werden", sagt ein Anrufer unserer Zeitung. Eine Anruferin wirft vor: "Da wurde doch abgewartet, bis Ferien sind und so wenig wie möglich protestieren können. Still und heimlich wurde der Plan umgesetzt." Sabine Eisele, Pressesprecherin des Landtatsamt, widerspricht dem. "Wir haben nichts heimlich geplant." Bei diesem Urteil des Oberverwaltungsgerichts sei der Landkreis nicht verfahrensbeteiligt gewesen. "Hier handelte es sich um eine Klage von Frau Schraml-Dussle." Petra Schraml-Dussle ist Inhaberin der benachbarten Klinik am Zauberwald.

Dennoch: Im Landratsamt war man natürlich über die Aufhebung des Widerspruchs informiert. Wurde jetzt absichtlich die Ferienzeit abgewartet? "Ganz klar: Nein. Wir haben in den vergangenen Wochen intensiv überlegt, wie wir weiter vorgehen. Der Druck war nicht groß, da es derzeit keinen Flüchtlingszustrom gibt. Aber durch die Situation in Talheim mit der kaputten Heizung mussten wir nun handeln." Man wolle den Sattelacker Hof nutzen, auch wenn der Druck insgesamt nicht mehr so groß sei. "Wir zahlen ja schließlich schon seit einigen Monaten Miete", so Eisele. Man komme den Bürgern entgegen, da es sich bei den Flüchtlingen nicht nur um Männer, sondern um Familien handle und Flüchtlinge, die sowieso bereits in der Gemeinde leben.

Auch Einspruch der Gemeinde abgewiesen

Auch Bürgemeisterin Annick Grassi weist den Vorwurf von sich, die Bürger nicht frühzeitig informiert zu haben. "In dieses Verfahren (gemeint ist das Verfahren von Schraml-Dussle, Anm. d. Red.) war die Gemeinde als solche nicht eingebunden. Das Verfahren der Gemeinde lief zu diesem Zeitpunkt noch, weshalb für uns das letzte Wort noch nicht gesprochen war." Denn die Gemeinde hatte selbst ein Verfahren angestrebt, da sie die eigene Planungshoheit verletzt gesehen hatte. Auch wenn die erste Entscheidung des Gerichts nicht öffentlich kommuniziert worden sei, sei sie dennoch kein Geheimnis, so Grassi: "In der Gemeinde und auch in der Ortschaft Lützenhardt war der Ausgang des privaten Gerichtsverfahrens meiner Ansicht nach außerdem durchaus bekannt."

Grassi scheint selbst überrascht, dass der Sattelacker Hof nun plötzlich belegt wird: "Aufgrund dieses noch laufenden Verfahrens und der weiter anhaltenden Situation, dass keine neuen Flüchtlinge kommen, gingen wir auch davon aus, dass sich vorerst nichts an der bestehenden Situation ändert." Der Gerichtsentscheid hierzu sei erst gestern eingetroffen. "Auch dieser wurde nun abgelehnt", so Grassi. Deswegen werde in einer Gemeinderatssitzung am 6. September ab 19 Uhr das weitere Vorgehen der Gemeinde besprochen.