Menschen aus der Region diskutieren kontrovers über den Grünen-Vorstoß zum Veggie-Tag in Kantinen

Von Sabine Schorpp und Benjamin Breitmaier Horb. Die Grünen fordern einen Veggie-Tag in Kantinen, während bei der bloßen Erwähnung von vegetarischem Essen am Horber Bahnhof direkt die "Fleisch ist mein Gemüse"-Rufe laut werden. Vegetarisch im Schwabenland, kann das zusammen passen?

Auch in Horb und Umgebung wird der Vorschlag der Grünen kontrovers diskutiert. Der Schwarzwälder Bote hat Stimmen zum Thema eingefangen, die sich, was den Vorstoß der Grünen angeht, so rein gar nicht einig sind:

Kristina Sauter (Grüne)

Der ehemaligen Gemeinderätin Kristina Sauter geht der Vorschlag der Bundespartei sogar nicht weit genug. Sie selbst isst mit ihrer Familie nur einmal in der Woche Fleisch, das sie von einem Bio-Bauernhof aus Pfalzgrafenweiler bezieht. In Kantinen vermisst sie nicht nur eine Abkehr von übermäßigem Fleischkonsum, sondern stellt Großküchen ein verheerendes Zeugnis aus: "In Krankenhäusern, Altenpflegeheimen und Kantinen ist die Qualität des Essens zum Teil katastrophal." Nach Sauter sollte nicht nur ein Veggie-Tag eingeführt werden, sondern auch grundsätzlich ein Umdenken in deutschen Großküchen stattfinden. Zum Vorwurf des angeblichen Verbotswahns der Grünen meint die ehemalige Gemeinderätin: "Das Thema steht schon seit langem in unserem Parteiprogramm. Es ist allerdings als eine sinnvolle Empfehlung zu verstehen." In den Medien würde das fälschlicherweise als Vorschrift ausgelegt.

Axel Odermatt (Metzger)

Einer, der mit der Idee eines Veggie-Tages in Kantinen absolut gar nichts anfangen kann, ist der Eutinger Fleischereichef Axel Odermatt: "Absoluter Schwachsinn", poltert er. Für ihn gehört jeden Tag ein gutes Stück Fleisch auf den Teller. Den Veggie-Tag hält er für sinnlos, da im katholisch geprägten Raum bereits viele freitags zu Gemüse oder Fisch umschwenken. Den angeblichen Trend zum fleischlosen Genuss bekommt auch er zu spüren. Grundschüler verschmähen das Rädle Lyoner mit der Begründung, Wurst sei ungesund und bei Partycaterings wird immer öfter eine vegetarische Alternative gefordert.

Sven Bach (Ernährungsexperte)

Dem widerspricht wiederum der Ernährungsexperte Sven Bach: "Die Deutschen essen zu viel Fleisch", so der aus Rexingen stammende Ernährungsberater. In Zahlen heißt das: Konsum von 250 Gramm Fleisch pro Kopf am Tag. Doch auch er sieht in einem Veggie-Tag nicht die Lösung des Problems: "Kein Fleisch zu essen, heißt nicht gleich, gesünder zu essen. Aus ernährungsphysiologischen Gründen ist gegen einen bewussten Konsum von hochwertigem Fleisch absolut nichts einzuwenden. Nur weil man einen Veggie-Tag in der Kantine einführt, heißt das noch lange nicht, dass das Essen besser wird. Weil man bei vegetarischem Essen oft auf den Geschmacksträger Fett zurückgreift, haben viele vegetarische Gerichte zum Teil sogar mehr Kalorien als Fleisch-Mahlzeiten. So würde ein Veggie-Tag am Ziel vorbeischießen." Er betont allerdings auch, dass die ethische Diskussion beim Thema Fleischkonsum eine ganz andere ist.

Auch gegen eine gesunde vegetarische Lebensweise hat der Ernährungsberater absolut nichts einzuwenden: "Bei den Ovo-Lacto-Vegetariern (Anm. d. Red: Begriff für Vegetarier, die auch tierische Produkte wie Eier oder Milch konsumieren) gibt es aus ernährungstechnischer Hinsicht absolut nichts dagegen zu sagen. Schwierig wird es zum Beispiel bei den Pubertätsvegetariern, die sich dann mit 13 nur von Obst und Schokolade ernähren. Hier kann es sehr schnell zu einem Eisenmangel kommen."

Dagmar Siegloch (Inhaberin Biopunkt)

Als Inhaberin eines Naturkostgeschäfts, das auf biologische und vegetarische Produkte setzt, sieht Dagmar Siegloch einen Trend zur bewussten Ernährung. Besonders der Anteil jüngerer Kunden habe in letzter Zeit zugenommen. Fleischliebhabern vegetarische Ernährung aufzuzwingen, ist für sie jedoch nicht die Lösung. Eine Wahlmöglichkeit zwischen fleischhaltigen- und fleischlosen Gerichten findet die Vegetarierin aber wichtig. Vegetarisches Essen ist für sie mehr als nur das Steak wegzulassen. Sie bemängelt, dass sich viele Köche nicht ernsthaft mit fleischloser Kost auseinandersetzen und das Angebot in Restaurants dementsprechend mager und eintönig ausfällt. Wenn Dagmar Siegloch für ihre Familie Fleisch in die Pfanne wirft, dann selbstverständlich nur aus biologischer Haltung.

Von Benjamin Breitmaier und Sabine Schorpp Horb. Vier Stunden Arbeit hinter sich, morgens musste es schnell gehen und pünktlich zur Mittagspause fängt der Magen wütend an zu knurren. Eigentlich kein Problem. Horb hat eine belebte Gastronomie in der Innenstadt. Aber was tun, wenn man Nahrung bevorzugt, die nicht vorher umgebracht werden musste?

Die Nachfrage nach vegetarischem Essen in Horb ist überschaubar, darin sind sich die Gastronomen einig. Das Angebot jedoch auch.

Verhungern muss der Vegetarier nicht, auf fast jeder Speisekarte finden sich ein, zwei fleischlose Gerichte. Vielfältige Auswahl sieht jedoch anders aus.

In den Pizzerien finden sich standardgemäß Pizza Magherita und Funghi im Angebot, mit etwas Glück entdeckt man auch ausgefallenere Varianten mit ordentlich Gemüse oder Mozzarella. Sonderwünsche sollten zumindest beim Pizzabäcker jedoch kein Problem sein.

Beim Tagesessen oder der saisonalen Angebotskarte fündig zu werden, gestaltet sich da schon etwas schwieriger. Das Gleis Süd geht mit gutem Beispiel voran und bietet an zwei Tagen in der Woche ein vegetarisches Mittagsmenü. Um den richtigen Tag zu erwischen, bedarf es dabei jedoch guter Planung oder einer Portion Glück. Auch der Goldene Adler hat vegetarische Kost auf der Saisonkarte.

Ansonsten gestaltet sich die vegatarische Einkehr oft eintönig. Während der gemeine Fleischesser zwischen unzähligen Gerichten auswählen kann, wird die Auswahl des Vegetariers von vornherein auf maximal drei Gerichte begrenzt.

Der Renner scheinen Kässpätzle zu sein, die in fast jedem Horber Restaurant angeboten werden. Laut Ernährungsexperte Sven Bach sind aber gerade die beliebten Kässpätzle problematisch, weil sie beispielsweise bei einer erwachsenen Frau 60 Prozent des Tagesbedarfs abdecken. Also, liebe Damen und Herren, aufgepasst!

Die restlichen Gerichte bestehen meist "nur" aus Beilagen, eine wirkliche Alternative zum Steak oder Braten wird nicht geboten. Eine der wenigen Ausnahmen: Haags Bistro hat neben asiatischen Nudeln "ohne Fleisch" auch Reis und Teigwaren "mit Tofu" zu bieten. Vegi-Geheimtipp scheint die Kulturgaststätte Kloster zu sein: Fast die Hälfte der Karte besteht aus fleischlosen Speisen, darunter auch exotische Gerichte wie der Falafel-Wrap.

Während man sich als Vegetarier in Horb noch einigermaßen durchschlagen kann, sieht es für einen Veganer schon etwas düsterer aus. Stefan Müller ist in Horb aufgewachsen. Er hat sich bewusst dafür entschieden, keine tierischen Produkte zu konsumieren. Gar nicht so einfach, wenn der schnelle Hunger kommt: "In Horb ist das total schwer. In den Imbissbuden ist es denen meistens völlig unbekannt, was überhaupt vegan ist. Man wird dann auch oft mit Vegetariern verwechselt. In den Restaurants hatte man manchmal auch mehr Glück und bekam dann Nudeln mit Tomatensoße, großartig auf Wünsche wurde nicht eingegangen. Die Selbstversorgung ging aber besser. Vor allem auch wegen der Reformhäuser und einiger anderer Läden, die eine vegane Auswahl haben. Größere Einkaufscenter haben auch ihr Angebot aufgestockt."

Sollte der Trend zur fleischfreien Ernährung anhalten, müssen sich Horbs Gastronomen definitiv etwas einfallen lassen.

Helene Stäb aus Horb steht inmitten von prächtig gedeihendem Gemüse und saftigen Beerensträuchern. Mit ihrem eigenen kleinen Garten hat sie sich ein Stück Unabhängigkeit geschaffen. Bei dieser Auswahl an eigenem Gemüse fällt es ihr nicht schwer, den eigenen Fleischkonsum zu reduzieren. Darüber freuen sich auch die zahlreichen Vegetarier, die sich mittlerweile in ihrer Familie tummeln.