Wie könnte die Zukunft des ehemaligen Kasernengeländes aussehen? Das fragen sich auch die Grünen. Foto: Müssigmann

Offene Grüne Liste diskutiert mit Bauexperte aus Bundestag. Lösungen für brach liegendes Areal gefragt.

Horb - Der Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik im Bundestag, Chris Kühn aus Tübingen, hat sich am Donnerstag das Kasernengelände in Horb angeschaut. Er sieht die Stadt in der Pflicht, dort auch sozialen Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Noch ist viel Platz im Kasernengelände. Auf dem riesigen Exerzierplatz parken Autos. Auf der Tartanbahn des alten Sportplatzes steht die Hitze, das Fußballfeld ist ein Meer aus weißen Blumen. Freiraum, der zu füllen ist. Ideen gibt es schon viele, Bürger haben sie mitentwickelt. Ein modernes Quartier soll entstehen, wo alle Gesellschaftsschichten ihren Platz finden.

Letzteres ist den Mitgliedern der Offenen Grünen Liste (OGL) im Horber Gemeinderat besonders wichtig, die für Donnerstag zu einem Ortstermin eingeladen haben. Mit dabei ist auch der Wahlkreiskandidat der Grünen, Andreas Kubesch. Vom bau- und wohungspolitischen Sprecher der Grünen im Bundestag, Chris Kühn, erhoffen sie sich Tipps dafür, welche Förderung es für sozialen Wohnungsbau gibt und welche Finanzierungskonzepte möglich wären. Zur Förderung spricht der Bundestagsabgeordnete kaum, aber über mögliche Bauträger für sozialen Wohnungsbau berichtet er euphorisch.

Keine mietpreisgebundenen Sozialwohnungen

In Horb gibt es nach Angaben der Stadtverwaltung keinerlei mietpreisgebundene Sozialwohnungen. "Gerade deshalb ist es eigentlich keine Frage, dass man für so ein Gebiet sozialen Wohnungsbau vorschreiben muss", sagte OGL-Gemeinderätin Elisabeth Schneiderhahn. Im Gemeinderat habe sie schon oft das Totschlagargument gehört, man finde aber keine Investoren, die sozialen Wohnungsbau betreiben, weil sich das nicht lohne.

Wohnbauexperte Kühn bestätigte diese Problematik. Der Bauträger bekomme dafür zwar einen steuerlichen Vorteil – doch offenbar reicht der nicht aus, um Investoren zu locken. Gerade deshalb sieht er die Kommune in der Pflicht. "Die Kommune kann entscheiden, was hier gebaut wird", sagte er beim Vor-Ort-Termin am Donnerstag. "Wer eine sozial durchmischte Stadt will, muss sie selber planen und bauen." Und seinen grünen Parteikollegen stärkte er den Rücken: "Sozialer Wohnungsbau muss politisch vor Ort erkämpft werden."

Kühn sieht mehrere Wege zur Entstehung neuer Sozialwohnungen. Zum Einen könne die Stadt sozialen Wohnungsbau durch einen städtebaulichen Vertrag für das Kasernengelände vorschreiben. Zum anderen könnte sie mit ihrer Wohnbaugesellschaft selber als Bauherr auftreten.

Doch das ist in Horb problematisch. Die Stadt hält gut 40 Prozent an der örtlichen Wohnbaugesellschaft und ist damit nur Minderheiteneigentümer. Ein Zustand, den Kühn kritisiert. "Es wäre halt besser, wenn man Herr im eigenen Haus ist." Er berichtet von Beispielen, wo Städte sogar eigene Wohnbaugesellschaften gegründet haben, wenn die Bebauung einer vergleichbaren Fläche bevor stand, weil somit gleich eine gewisse Baumasse für die neu gegründete Gesellschaft zu erledigen sei. Stadtplaner Peter Klein runzelt beim Vor-Ort-Termin dazu die Stirn. Grundsätzlich sollte die Stadt seiner Auffassung nach keine Aufgaben übernehmen, die private Anbieter leisten könnten. Es sei nicht primäre Aufgabe der Stadtverwaltung, Wohnraum zu bauen und zu vermieten.

Zur Bauträgereigenschaft der Stadt gibt es für Kühn aber auch Alternativen: Zum Beispiel könnten gesellschaftliche Gruppen aus der Stadt als Investoren geworben werden. Bürger-Genossenschaften oder Kirchen könnten als Bauträger auftreten. Durch Verankerung der Bauprojekte in der Gesellschaft sei eine besonders nachhaltige Stadtentwicklung zu erwarten.

Sind Stiftungen die Lösung?

Kühn hat eine ganze Reihe an Beispielen und Möglichkeiten dabei, wie sozialer Wohnraum geschaffen werden kann. Aus seinem Heimatort Tübingen kennt er Stiftungen, die besondere Wohnprojekte realisieren – in Tübingen zum Beispiel das Beginenhaus, in dem ältere Frauen zusammen leben. Über das Mietshäusersyndikat, das Wohnraum dem freien Wohnungsmarkt und seiner Preisbildung entziehen will, seien ebenfalls alternative Bauprojekte umzusetzen. Aber immer brauche es Menschen, die eine solche Idee verfolgen, sich dafür einsetzen und durchhalten, bis das Haus steht.

Es gebe aber auch Firmen, die tragfähige Konzepte für sozialen Wohnungsbau entwickelt haben – als Beispiele nennt er die Tübinger Nestbau AG, eine sogenannte Bürger-Aktiengesellschaft, die nach eigenen Angaben Wohnungen baut, saniert und nach sozialen Kriterien vermietet. Ein weiteres Beispiel, das Kühn nennt: In Villingen-Schwenningen hat die Baugenossenschaft Familienheim das Konzept sogenannter Mikro-Lofts entwickelt, mit dem sie offenbar in der Lage sind, günstigen Wohnraum zu schaffen.

Quersubventionierung sei auch eine Möglichkeit. Ein Bauträger könnte nach Kühns Idee auch innerhalb des Quartiers den Bau von Sozialwohnung durch den Bau von hochpreisigen Wohnungen, die ebenfalls auf dem Kasernengelände geplant sind, finanzieren.

In zwei bis drei Jahren will er wiederkommen und sehen, was an Stelle des Asphaltplatzes und der Blumenwiese entstanden ist.

Wohnungen Auf dem ehemaligen Kasernengelände werden mehrere bestehende Gebäude bereits für Gewerbe und die Duale Hochschule genutzt. Auf dem noch ungenutzten Raum sollen Wohnungen für bis zu 450 Menschen entstehen.   Bürgerbeteiligung In einer dreistufigen Bürgerbeteiligung sind Ideen für die Freiflächen entwickelt worden (siehe Plan links).

Zeitplan Die Stadtverwaltung will nach Angaben von Stadtplaner Peter Klein dem Gemeinderat im Herbst vorschlagen, einen Bebauungsplan für das Gebiet aufzustellen. Der Bau erster Gebäude könnte laut Klein schon Mitte 2018 möglich sein.