Von einem auf zwei Gleise, wie es beim Bahnhof Neckarhausen schon Realität ist (Foto), soll die gesamte Gäubahn erweitert werden. Der zweigleisige Ausbau Horb-Neckarhausen ist derzeit so weit, dass das Planfeststellungsverfahren Mitte des Jahres abgeschlossen werden kann. Foto: Hopp

Baden-Württembergs Bahn-Bevollmächtigter Hantel nimmt Stellung zu Ausbau und Anschlüssen.

Horb - Die Gäubahn. Pendlerfrust, Hoffnung für Bahnfahrer und verbesserungswürdig. In einer hochkarätigen Runde in der AWO auf Einladung der SPD-Kreistagsfraktion wurde Tacheles geredet.

Konfliktstoff gibt es genut. Denn: Mit der Aufnahme des Gäubahn-Ausbaus in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans sind die Probleme nicht gelöst.

 Problem 1

Die bessere Verbindung zwischen Stuttgart und Zürich. Zwar hat der 500 Millionen Euro teure Ausbau die wichtige Hürde genommen. Das Landesverkehrsministerium hat die sogenannte Neigetechnik empfohlen, um die Fahrzeit um 20 Minuten zu verkürzen. Sven Hantel, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn im Ländle, machte aber klar: "Wir als Bahn werden die Strecke für die Neigetechnik ausrüsten, wenn der Bund das wünscht. Aber: Wir als Deutsche Bahn AG werden keine Neigetechnik-Züge auf dieser Strecke einsetzen. Sie ist teuer, auch die Industrie setzt nicht auf die Weiterentwicklung dieser Technik." Hantel, der allen Horbern als der Mann bekannt sein dürfte, der die Erneuerung des Bahnübergangs Talheim bekannt gegeben hatte, erwähnte noch, dass der Vertrag der Bahn für den Fernverkehr zwischen Stuttgart und Zürich im Jahr 2026 ausläuft.

Hantel: "Das heißt nicht, dass ein anderer Anbieter nicht auf Neigetechnik setzt. Doch so weit wir es von den Schweizer Kollegen der SBB hören, setzen die auch nicht zwingend auf Neigetechnik."

Rainer Kaufmann, Geschäftsführer des Interessensverbandes Gäu-Neckar-Bodenseebahn hatte dagegen eine Fahrzeit von zwei Stunden und 38 Minuten eingefordert: "Das wäre die ideale Fahrzeit, um alle Anschlüsse sowohl in Stuttgart als auch in Zürich zu erreichen." Und diese Fahrzeit – so der derzeitige Stand – sei nur mit Neigetechnik zu erreichen.

Konzernbevollmächtigter Hantel: "Mit dem neuen Interimskonzept haben wir die Zeiten so gedreht, dass die Anschlüsse von Stuttgart und Zürich besser erreicht werden können."

Gibt es außer der Neigetechnik andere Entwicklungen der Bahnindustrie, die die Fahrzeit zwischen Stuttgart und Zürich verkürzen können? Hantel: "Nein. Da sehe ich nur die Bewirtschaftung." Auf deutsch: Man streicht einfach Halte. Denn: Gerade das Abbremsen eines Zuges, der Halt und das wieder Beschleunigen kostet richtig Fahrzeit. Der Intercity mit einer Fahrzeit von 2.56 Stunden zwischen Stuttgart und Zürich stoppt beispielsweise in Böblingen, Horb, Rottweil, Tuttlingen und Singen.  

Problem 2

Wann startet der dringend notwendige Ausbau der Gäubahn? Hantel: "Entscheidend ist die sogenannte Fulda-Konferenz Ende März. Dort wird gemeinsam mit dem Bundesverkehrsministerium festgelegt, wann wir welchen Planungsauftrag erhalten. Erst dann können wir die Planung mit sogenannten Meilensteinen aufstellen." Fakt ist, so Hantel: Lediglich der zweigleisige Ausbau Horb-Neckarhausen ist derzeit so weit, dass das Planfeststellungsverfahren Mitte des Jahres abgeschlossen werden kann. Hantel: "Wenn wir in Fulda eine Finanzierungsvereinbarung für den Abschnitt Horb-Neckarhausen verpassen, passiert ein Jahr lang gar nichts."

Annette Sawade, die für die SPD im Bundesverkehrsausschuss sitzt, der die Finanzen für Straßen und Schienenbau wesentlich mitbestimmt: "Saskia Esken und ich werden da noch mal beim Regierungspräsidium nachfassen, damit die Planfeststellung so schnell wie möglich abgeschlossen wird." Saskia Esken, Bundestagsabgeordnete auch für den Landkreis Freudenstadt: "Das ist der Haken am Bundesverkehrswegeplan – die Planungskapazitäten müssen auch dafür da sein, dass die Projekte dann gebaut werden können." Hantel: "Wir als Deutsche Bahn sind so aufgestellt, dass wir bei einer Finanzierungsvereinbarung mit dem Bund sofort mit der Planung loslegen könnten." Er betonte noch einmal, dass die Deutsche Bahn eindeutig hinter dem zweigleisigen Ausbau Horb-Neckarhausen stehe: "Das ist per se eine Qualitätsverbesserung.""

Eine Beschleunigung würde dieser Ausbau allerdings nicht bringen.  

Problem 3

Die Verbesserung der Anschlüsse auf der Strecke. Während Hantel das Interimskonzept lobt und betont, dass die Bahn viel Geld für die neuen Doppelstock-IC-Wagen investiert, kritisieren beispielsweise Kaufmann von der IG Gäubahn als auch Bahnpendler Dieter Rominger-Seyrich (SPD), dass durch das Interims-Konzept ab dem Fahrplanwechsel im Dezember 2017 insbesondere die Anschlüsse im Süden von Horb schlechter werden.

Das betreffe die Anschlüsse an andere Öffi-Verbindungen beispielsweise in Oberndorf, Rottweil oder Villingen-Schwenningen: "Ich finde es sehr ernüchternd, was mit dem Interiumskonzept auf die Bahnkunden in den nächsten Jahren zukommt. Damit ruft die Gäubahn ihr Potenzial nicht ab."

Kaufmann: "Wir bestehen darauf, dass das Interimskonzept wirklich ein Interimskonzept bleibt. Was das Konzept im Oberzentrum Villingen-Schwenningen und Rottweil mit den Bahnkunden macht, dass kann nicht wahr sein." Hantel hält dagegen: "Die Gäubahn hat eine wichtige Verbindungsfunktion der Orte zwischen Stuttgart und Zürich. Natürlich kann man an den Anschlussverbindungen etwas weiterentwickeln."

Das forderten auch die SPD-Bundestagsabgeordenten Anette Sawade und Saskia Esken ein: "Das ist eine wichtige Erkenntnis, die wir mitnehmen. Wir werden genau beobachten in der Phase des Interimskonzepts, ob der Nahverkehr vor Ort sich auf die neuen Takte auf der Gäubahn einstellen kann."

Problem 4

Die drohenden Vollsperrungen der Gäubahn zwischen Böblingen und Gärtringen. Der Schwarzwälder Bote hatte über den Pendlerfrust berichtet. Durch den Schienenersatzverkehr drohen Fahrzeiten von knapp 90 Minuten – 30 Minuten länger als bisher.

Hantel dazu: "Wir als Bahn haben bei solchen Maßnahmen immer die Möglichkeit zu entscheiden: Machen wir Vollsperrungen und sind schneller fertig? Oder sanieren wir unter laufendem Betrieb und sind langsamer? Wir haben uns für die schnellere Variante entscheiden. Dazu sind die Vollsperrungen nur in den Ferien. Das wird auch auf Autobahnen so gemacht."

SPD-Kreisschef Gerhard Gaiser beendete die hochkarätige Runde mit den Worten: "Es kam alles auf den Tisch, wir haben über alle Probleme gesprochen und sind bereit, sie zu lösen. Ich denke, damit sind die Weichen für die Gäubahn – auch aus Sicht unseres Landkreises – richtig gestellt."

Ab dem Fahrplanwechsel im Dezember 2017 wird auf der Gäubahn das sogenannte "Interimskonzept" gefahren. Die wichtigsten Punkte:

IC-Doppelstockzüge

Die Bahn setzt dann auf der Strecke 17 IC-Doppelstockzüge der neuesten Generation ein. Investition: 280 Millionen Euro. Konzernbevollmächtigter Sven Hantel: "Die Industrie wird die Züge auch pünktlich liefern."

Diese Züge fahren stündlich. Eine Stunde in einer schnellen Verbindung, die nächste Stunde werden alle Halte des Regionalexpress angefahren.

Zuschlag fällt weg

Zwischen Stuttgart und Singen muss kein IC-Aufschlag mehr bezahlt werden – das heißt: mehr Bahnkomfort für weniger Geld als bisher. Die Bahn verspricht: Beinfreiheit wie im ICE. Das Land zahlt dafür Nahverkehrsmitten an die Bahn. Laut der SPD-Bundestagsabgeordneten Anette Sawade eine "absolute Ausnahme. Das Land zeigt sonst kein Interesse, mit den Regionalisierungsmitteln den Fernverkehr zu stützten. Das Land hat derzeit nur den Knotenpunkt Stuttgart im Sinn."

Mit der Kombination aus modernsten Zügen zum günstigen Preis wollen Land und die Bahn mehr Fahrgäste auf die Gäubahn locken. Rainer Kaufmann vom Interessensverband Gäu-, Neckar-Bodenseebahn: "Wir erinnern uns noch daran, dass die Bahn 1999 den Antrag gestellt hatte, den Fernverkehr auf der Gäubahn einzustellen. Das konnten wir damals verhindern."