Ein Streit unter erwachsenen Geschwistern war Thema vor dem Horber Amtsgericht. Foto: Hopp

52-Jähriger zeigt sich vor Gericht patzig und uneinsichtig. Geschwisterstreit mit Urteil nicht vom Tisch.

Horb - "Sie sind uneinsichtig und weit davon entfernt, den Streit sachlich zu beenden", attestierte Amtsgerichtsdirektor Albrecht Trick am Dienstagvormittag einem 52-jährigen Monteur, der im Streit seiner Schwester eine leicht angetaute Kohlroulade auf den Kopf geschlagen hat.

In der Anklageschrift, die von Oberamtsanwalt Karl Jauch vorgetragen wurde, war ursprünglich auch noch von einem fliegenden Krautwickel die Rede, den der Beschuldigte seiner Schwester an den Kopf geschmissen hätte. Dies stellte sich später jedoch als nicht richtig heraus.

Im Wesentlichen ging es darum, dass die Geschwister schon seit längerem zerstritten sind, sich jedoch hie und da begegnen müssen, da sie das Haus, in dem der Vater seinen traditionellen Horber Handwerksbetrieb hatte, gemeinsam vom Vater geschenkt bekamen. Die drei Jahre ältere Schwester bekam zwei Drittel, der Bruder ein Drittel des Hauses vom ebenfalls noch im Hause lebenden 95 Jahre alten Vater per Schenkung zugesprochen. Die Frau selbst wohnt nicht mehr im Haus in der Kernstadt, dafür aber ihr Sohn.

Auslöser für den handfesten Streit am 4. Januar diesen Jahres waren die unterschiedlichen Ansichten über die Aufteilung der Nebenkosten. Die Frau berichtete im Zeugenstand, ihr Bruder hätte von ihr gefordert, dass sie sämtliche Nebenkosten für die unteren zwei Stockwerke übernehmen müsse; der Beschuldigte sagte, dass er lediglich die Zustimmung für separate Wasserzähler wollte. Dies hätte ihm die Schwester mit der Begründung verweigert, dass er immer noch die Waschmaschine vom Vater nutzt und deshalb keine eigene Abrechnung bräuchte. "Die guckt auf jeden Cent", ereiferte sich der Mann, der eigentlich nur vor Gericht stand, weil er gegen einen Strafbefehl in Höhe von insgesamt 750 Euro (15 Tagessätze zu je 50 Euro) Einspruch eingelegt hatte. In einer Absprache zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft wurde dem Mann sogar die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage in Höhe von 500 Euro angeboten, was der Beschuldigte jedoch ablehnte.

Trotzdem wunderte er sich, dass er nun wegen eines Streits unter Geschwistern vor Gericht stand. "Das ist doch keine Sache für den Staatsanwalt", so der Mann auf der Anklagebank, der sich immer mehr in Rage redete. Der Streit, der in der Küche der väterlichen Wohnung angefangen hatte, wurde verbal auf weitere Räume ausgeweitet. Die Schwester ließ den Bruder am Tattag in der Küche stehen und ging ins Arbeitszimmer des Vaters um dessen Medizin herzurichten, so deren weitere Schilderung. Ihr Bruder hat dann aus der Küche gerufen, dass er in der kommenden Woche Nachtschicht habe und die Schwester sich dann um das Essen des Vaters kümmern müsse. "Wer beim Bapah am Tisch sitzt und mitisst, der kah au für dah Bapah kochen", so die Antwort der Schwester. Eine Entgegnung, die den Beschuldigten so wütend werden ließ, dass er die Krautwickel, die er gerade in der Mikrowelle auftaute, aus dem Gerät nahm und sie nebenan auf den väterlichen Schreibtisch kippte. "Ja spinnst du? Die Sauerei putzt du aber sofort weg", schrie die Schwester und ihr Bruder nahm daraufhin einen Krautwickel und zermatschte ihn auf ihrem Kopf. "Aua, aua", hätte sie vor Schreck und Schmerz geschrien, denn für sie fühlte sich der Schlag mit der angetauten Kohlroulade wie ein Schlag mit einem Stein an, erzählte sie dem Gericht unter Tränen. Durch die Schmerzensschreie seiner Mutter alarmiert griff dann auch der Sohn der Frau in das Geschehen ein, so ein weiteres Detail aus diesem familiären Streit. "Der Emil (Name geändert) hat meinen Buben am Hals gepackt und ihn angeschrien, dass er verschwinden soll, da er sich ja auch sonst nicht um den Opa kümmert", erzählte die Zeugin. Ein Umstand, den der Beschuldigte auch unumwunden zugab.

Da die Frau nicht nur durch den Schlag auf den Kopf ein Blutgerinnsel im Mund erlitt, sondern nachweislich auch unterhalb des Kinns ein Hämatom hatte, versuchten nun alle Prozessbeteiligten herauszubekommen, ob dies eventuell eine Folge dieser Rangelei war, zumal die Frau ihrem Sohn zu Hilfe eilte und auf die würgende Hand ihres Bruders einschlug. Geklärt werden konnte das nicht, doch sah der Verteidiger des Beschuldigten hier die Chance, zumindest einen Teil des Tatvorwurfes vom Tisch zu bringen. Auch wertete er die Tatsache, dass sein Mandant den Krautwickel auf dem Kopf seiner Schwester zerdrückt und zerrieben hat, als strafmildernd, da es sich so doch augenscheinlich um einen weichen Gegenstand handelte, der nicht wirklich zu einer vorsätzlichen Körperverletzung taugt.

Am Ende der Beweisaufnahme und nach Rücksprache mit seinem Mandanten bot er dem Gericht die Zahlung einer Geldbuße von 250 Euro an. Sowohl Gericht als auch die Staatsanwaltschaft lehnten diesen Vorschlag ab. Dies sicher auch vor dem Hintergrund, dass der Beschuldigte sich während der gesamten Verhandlung patzig, uneinsichtig und oft fast schon unverschämt verhielt. Er fläzte sich auf der Anklagebank herum, signalisierte körpersprachlich "ihr könnt mich mal" und fiel dem Vorsitzenden ständig ins Wort. "Wenn ich dran bin halten Sie den Schnabel", wies ihn Richter Trick nach mehrmaliger Ermahnung deshalb auch recht barsch zurecht. "Wir sind hier vor Gericht und nicht bei Ihnen in der Wohnung."

Die Tatsache, dass die Schwester ihren Bruder anzeigte, sah das Gericht dagegen als richtig an. "Ich lass’ mich nicht schlagen, auch nicht von meinem Bruder", hatte die Geschädigte während ihrer Aussage hervorgehoben. "Richtig, so etwas muss vor Gericht", betonte Amtsgerichtsdirektor Trick.

Bevor er die beiden Seiten dann um ihre Plädoyers bat, machte er noch darauf aufmerksam, dass im Falle eines Einspruches auf einen Strafbefehl kein Verschlechterungsverbot gilt. Und diese Möglichkeiten nutzten die Juristen auch aus. Der Staatsanwalt forderte eine Strafzumessung von 15 Tagessätzen zu je 80 Euro und der Verteidiger Freispruch. Richter Trick folgte den Forderungen des Staatsanwaltes, gab aber zu bedenken, dass er aufgrund des uneinsichtigen Verhaltens des Angeklagten kurz davor war, das Strafmaß drastisch zu erhöhen. "Für heute habe ich den Ball nochmals flach gehalten." Aus ursprünglich 750 Euro wurde ein Angebot von 500 Euro und zum Schluss eine Strafe in Höhe von 1200 Euro, zu der auch noch die Gerichtskosten kommen. Und der Streit in der alteingesessenen Horber Familie ist immer noch nicht vom Tisch. Da schmecken in nächster Zeit wahrscheinlich auch keine Krautwickel mehr.