Der 34-Jährige, der Anwohner in Nordstetten seit Monaten in Atem hält, ist schon wieder aus der psychiatrischen Unterbringung entlassen. Foto: Carstensen

Anwohner geschockt: 34-Jähriger nach gut drei Wochen Unterbringung wieder daheim.

Horb-Nordstetten - Es war ruhig in den letzten Wochen in Nordstetten. Der 34-Jährige, der für zahlreiche Autobeschädigungen und Körperverletzungen verantwortlich sein soll, war in einer psychiatrischen Unterbringung. War! Denn nun ist er schneller wieder da als von den Anwohnern erwartet.

Die Nachbarn trauten ihren Augen kaum. Der "Schrecken von Nordstetten" ist seit gut einer Woche wieder zurück im Ort. Was die Anwohner besonders ärgert: Sie wurden von keiner Stelle informiert. "Man hätte uns ja zumindest mal vorbereiten können", sagt ein Nachbar. Oberbürgermeister Peter Rosenberger, der sich zuvor massiv dafür eingesetzt hatte, dass der 34-Jährige vorläufig untergebracht wurde – die Stadt hatte beim Amtsgericht zweimal einen Antrag gestellt – war ebenfalls nicht informiert worden.

Für den OB ist aber die Rückkehr des Mannes, der sein Umfeld seit Monaten tyrannisiert, nach gut drei Wochen keine Überraschung: "Es war klar, dass es keine längerfristige Lösung sein wird." Die Reaktion der Anwohner kann Rosenberger allerdings nachvollziehen: "Es ist natürlich verständlich, dass jetzt die Angst wieder wächst." Deshalb werde man ein Auge darauf haben, wie die Situation vor Ort sein wird: "Sobald wieder etwas vorfällt, werden wir erneut einen Antrag beim Amtsgericht stellen." Das Stadtoberhaupt hofft, dass es eine positive Entwicklung beim 34-Jährigen gegeben hat und er sich nun ruhig verhält. Vorfälle hat es laut dem Polizeirevier in Horb zwar nicht gegeben, auf Facebook legte der "Schrecken von Nordstetten" wieder los. Allerdings nur noch auf italienisch. Vielleicht weil er sich dadurch im verborgenen Bereich wähnt?

Facebook bietet aber eine Übersetzung an – und die offenbart, dass sich die Gedankenwelt des 34-Jährigen nicht gerade zum Guten gewendet zu haben scheint. Wieder schimpft er auf die Staatsgewalt, spricht von seinem "Lieblingsthema" Kinderprostitution. Seine Nachbarschaft, die Polizei und die Stadt hat er schon früher bezichtigt, sich in diesem Milieu zu bewegen. Tickt die Zeitbombe also wieder in Nordstetten? Muss sich der Ort wieder auf neue Gewaltakte und Zerstörungen gefasst machen?

Zumindest von Gerichtsseite scheint es Bewegung zu geben. Zwar wurde die Berufungsverhandlung (wegen einer Körperverletzung war der 34-Jährige zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, er hatte Berufung eingelegt) vorm Landgericht, die Anfang März angesetzt wurde, wieder abgesetzt. Doch das scheint eigentlich eine gute Nachricht für die Betroffenen zu sein.

Forensisch-psychiatrisches Gutachten in Auftrag gebeben

Aufgrund der neuen Vorfälle (Autokratzer und weitere Körperverletzungs-Delikte) habe sich eine neue Situation ergeben, die auch den Berufungsfall überschatte, so der Vorsitzende Richter am Landgericht, Wolfgang Heuer, der selbst den Berufungsfall betreut. "Ich habe ein forensisch-psychiatrisches Gutachten in Auftrag gebeben. Der bisherige Termin konnte deshalb nicht eingehalten werden."

Auch Richter Frank Grundke, der die aktuellen Fälle Autokratzer und neue Körperverletzungen betreut, hat diesen Gutachter beauftragt. So könnte schließlich der Berufungsfall und die neuen Fälle in einer Gerichtsverhandlung zusammengefasst werden. Dann soll auch der Gutachter gehört werden.

Dieser könnte möglicherweise eine Schuldunfähigkeit des 34-Jährigen attestieren – einhergehend mit einer Gefahr für die Öffentlichkeit. Die Voraussetzungen des Paragraph 63 des Strafgesetzbuchs (Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus) müssten erfüllt sein.

Einen ähnlichen Fall hat es kürzlich in Horb gegeben. Der "Kaufland-Messerstecher" wurde aufgrund dieses Paragrafen in eine geschlossene Einrichtung eingewiesen. Doch bis es zur Verhandlung kommt, müssen die betroffenen Anwohner noch jede Menge Geduld aufbringen. Mehrere Monate werde es wohl dauern, bis das Gutachten vorliegt und es zur Gerichtsverhandlung kommen könne. Ob die Nordstetter in dieser Zeit von weiteren Vorfällen verschont bleiben? Daran glauben die wenigsten vor Ort.

Info: Die Gesetzeslage

Der 34-Jährige aus Nordstetten war in den vergangenen Wochen auf der Grundlage des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes (PsychKHG) in einer Unterbringung. Den Amtsgerichten sind hier enge Grenzen gesetzt. "Das ist auch richtig so, denn die Freiheit des Menschen ist ein hohes Gut", sagt ein Richter im Gespräch mit unserer Zeitung. Das erklärt vielleicht auch, warum der "Schrecken von Nordstetten" so schnell wieder entlassen wurde und er sich in der Zeit der Unterbringung auch frei bewegen konnte.

Einschneidender ist dagegen der Paragraf 63 des Strafgesetzbuchs. Hier heißt es: "Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist."

Ein Gutachter hat diese Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit festzustellen. Allerdings ist ein Betroffener nicht verpflichtet, sich begutachten zu lassen. Im Fall des 34-Jährigen könnte er sich auch bereit erklären, die Patientengespräche seiner vorläufigen Unterbringung freizugeben. Tut er das nicht und verweigert er sich auch einer Begutachtung, so müsste der Gutachter sozusagen "von außen" den 34-Jährigen begutachten: seine Taten, seine Äußerungen auf Facebook und seine erste psychiatrische Unterbringung.