Sibylle Biermann-Rau stellte die Widerstandskämpferin Elisabeth Schmitz vor. Foto: Lück Foto: Schwarzwälder-Bote

Geschichte: Vortrag in der jüdische Synagoge / Autorin stellt unbekannte Widerstandskämpferin vor

Woran glaube ich? Diese wichtige Frage stand am 75. Jahrestag der Reichspogromnacht in der ehemaligen jüdischen Synagoge in Rexingen im Mittelpunkt.

Horb-Rexingen. Heinz Högerle vom Förderverein hatte Sibylle Biermann-Rau eingeladen. Die nächste Veranstaltung, die sich zum 500. Jubiläum der Reformation mit der Judenfeindlichkeit von Martin Luther und der protestantische Kirche auseinandersetzt. Und das Buch von Biermann-Rau zeigt, dass sich auch die bekennende Kirche im Dritten Reich nicht klar gegen die Judenverfolgung gestellt hat.

Die Autorin hat ihr neues Buch über Elisabeth Schmitz geschrieben. Eine bisher wenig bekannte Protestantin und Widerstandskämpferin aus der bekennenden Kirche. Der Titel des Buchs sagt (fast schon) alles: "Wie sich die Protestantin für Juden einsetzte, als ihre Kirche schwieg."

Schmitz verfasste im Jahr 1935 eine Denkschrift mit dem Titel "Zur Lage der deutschen Nichtarier". Sie vervielfältigte das Papier 200 Mal auf einer Matrize und verteilte es an Mitglieder der bekennenden Kirche wie Karl Barth, Dietrich Bonhoeffer oder Helmut Gollwitzer. Ihren Namen schrieb die mutige Frau nicht unter die Denkschrift.

Schmitz versuchte auch, ihre Gedanken auf der Dritten Bekenntnissynode im selben Jahr vorzulegen. Dort wurde sie nicht besprochen. Ein Jahr später setzte sie einen Nachtrag auf. Autorin Biermann-Rau: "Die Theologen Barth und Bonhoeffer bestätigten zwar, dass sie die Denkschrift erhalten haben. Aber auch auf der 36er-Synode spielte sie keine Rolle."

Denn Schmitz, die als Studentin der Theologie und Geschichte laut der Buchautorin bei den damaligen Elite-Professoren in Berlin war, setzte sich dafür ein, dass sich die bekennende Kirche klar gegen die Verfolgung aller Juden durch die Nazis distanziere.

Die Buchautorin: "Die bekennende Kirche fuhr damals die Linie, dass man nur den Schutz, der zum christlichen Glauben übergetretenen Juden verlangt. Schmitz schrieb damals: ›Warum lässt die Kirche das namenlose Unrecht geschehen? Warum schützt sie nicht wenigstens die Kinder?‹"

Doch ihre Gedanken – sie fanden keinen Widerhall bei einem Großteil der bekennenden Kirche. Die Autorin: "Ein Großteil berief sich auf die zwei Reiche-Lehre von Martin Luther. Der thüringische Landesbischof begrüßte beispielsweise 1938 die Reichspogromnacht. Auch auf der Barmer Synode 1934 wurde auf eine Ablehnung der ›Irrlehre des Antisemitismus‹ verzichtet."

Schmitz selbst, die als Frau damals nicht ordiniert werden konnte und deshalb als Lehrerin arbeitete, stellt im Dezember 1938 einen Antrag auf Frühpensionierung. Neben gesundheitlichen Gründen schrieb sie in den Antrag: "Es ist mir in steigendem Maße zweifelhaft geworden, ob ich den Unterricht bei meinen rein weltanschaulichen Fächern – Religion, Geschichte, Deutsch – so geben kann, wie ihn der nationalsozialistische Staat von mir erwartet und fordert." Biermann-Rau: "Schmitz hatte das Glück, dass zwei Mitarbeiter des Schulverwaltungsamts hinter ihr standen und diese politische Begründung nicht an den Staat oder die Nazis meldeten."

Schmitz bekommt sogar eine Pension und gibt beispielsweise Taufunterricht für Juden. Gefährlich, so Biermann-Rau, weil sie dafür in die jüdischen Häuser gehen muss. Dazu kaufte sie sich ein Haus, in dem sie verfolgten Juden oder Halbjuden Unterschlupf gewährte. Darunter auch Dietgard Meyer, eine ihrer Schülerinnen, die eine jüdischen Vater hatte.

Biermann-Rau hatte Meyer jetzt als letzte lebende Zeitzeugin von Elisabeth Schmitz getroffen. "Sie ist inzwischen 95 Jahre alt und schildert die Lehrerin Schmitz wie folgt: ›Ihre lautlose Autorität machte uns sprachlos.‹"

Nach dem Krieg stieg die Widerstandkämpferin wieder in den Schuldienst ein. Biermann-Rau: "Sie legte damals die Denkschrift dem Kultusministerium vor und gab damit ihre Autorenschaft zu." Allerdings: Jahrelang blieb das geheim. Ihre Denkschrift wurde jahrzehntelang Marga Meusel zugeschrieben.

Erst 1999 gab es den ersten Forscher, der das Papier Schmitz zuschrieb. Im Jahr 2004 wurde im Keller ihrer Kirche in Hanau dann eine Aktentasche mit ihrem Vermächtnis gefunden. Darin auch die handschriftliche Urfassung der Denkschrift.

Jede Menge Fakten für die Zuhörer in der jüdischen Synagoge. Und in der Diskussion mit Biermann-Rau war die Hauptfrage: Warum hat sich die bekennende Kirche so verhalten? "Man muss sich die einzelnen Jahre anschauen. Im Jahr 1935 hat sich Niemoeller mit klaren Worten gegen die Judenverfolgung ausgesprochen. Er ist jedoch später unterlegen gegen konservative Kreise. Auch Karl Barth war der bekennenden Kirche zum Schluss zu radikal. Im Jahr 1938 war sie lahmgelegt. Und vom Staat in verschiedene Flügel zerschlagen. Die bekennende Kirche war keine Widerstandsbewegung gegen das Unrechtssystem. Das Obrigkeitsdenken hing da in vielen Köpfen drin. Dietrich Bonhoeffer war da ein klarer Außenseiter."

Kristina Sauter wollte wissen, ob die mutige Elisabeth Schmitz manchmal Angst gehabt habe. Biermann-Rau: "Das weiß man bisher nicht. Die Briefe von Schmitz sind gefunden, aber noch nicht ausgewertet."

Zwei Stunden lang faszinierende Fakten, Geschichten und viel zum Nachdenken. Und trotzdem war Heinz Högerle unglücklich. Högerle: "Durch ein Missgeschick der Stadtverwaltung wurde die Verleihung der Staufer-Medaille an Peter Zimmermann parallel zu unserer Veranstaltung gelegt. Normalerweise müssten Barbara und ich auch in Bildechingen sein. Denn wir haben Zimmermann sehr viel zu verdanken. Wir sind ihm zu großem Dank verpflichtet, weil er immer mit angepackt hat. Beispielsweise als es darum ging, die Wände des jüdischen Betsaals zu verputzen. Da hat er klaglos mit angepackt."