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Kreis Tübingen verzeichnet das größte Tourismus-Wachstum in Baden-Württemberg

Tourismus-Boom im Kreis Tübingen: Mit einem Plus von zehn Prozent bei den Übernachtungen ist das Wachstum so groß wie sonst nirgendwo in Baden-Württemberg. Jetzt will der Landkreis nachlegen – auch in Rottenburg und Starzach.

Rottenburg/Starzach. Mountainbiken im Naturpark Schönbuch, an der Wurmlinger Kapelle (Foto oben) die herrliche Aussicht genießen oder einfach nur ein Gläschen Wein am Neckarufer trinken – immer mehr Menschen entdecken den Kreis Tübingen für sich. 412 776 Übernachtungen und 208 879 Gästeankünfte registrierte das Landratsamt 2016 – ein sattes Plus von 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mit diesem Wachstum ist der Kreis Tübingen laut Statistischem Landesamt sogar zum Spitzenreiter in Baden-Württemberg aufgestiegen. Dahinter folgen mit großem Abstand der Alb-Donau-Kreis (7,2 Prozent), der Kreis Konstanz (7 Prozent) und der Ostalbkreis (7 Prozent). Der Landkreis Freudenstadt hat um 4 Prozent zugelegt. Schlusslicht ist der Rhein-Neckar-Kreis mit einem Minus von 4,2 Prozent.

Das eigentliche Pfund des Kreises Tübingen ist in der Statistik allerdings gar nicht erfasst: die Tagestouristen. Sie spielen eine gewichtige Rolle, denn laut einer Studie des wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr (DWIF) liegt der touristische Bruttoumsatz im Landkreis bei 283,6 Millionen Euro. Außen vor bleiben in der Statistik auch Ferienwohnungen, Pensionen und Hotels mit weniger als zehn Betten.

Für den Kreis Tübingen ist klar: Das Ende der Fahnenstange soll beim Tourismus noch nicht erreicht sein. Am heutigen Mittwoch berät der Kreistag über verschiedene Maßnahmen, die den Tourismus im Landkreis stärken sollen. Neben Themenradtouren, einer "All inclusive"-Gästekarte, zusätzlichen Premiumwanderwegen, barrierefreien Spazierwegen, besseren Möglichkeiten, Übernachtungen online zu buchen, und einer gezielteren Vermarktung mit dem Siegel des Unesco-Weltkulturerbes, zu dem nun auch die Eiszeithöhlen auf der Schwäbischen Alb gehören, rücken auch Projekte in Rottenburg und Starzach in den Fokus.

Vor allem beim Weintourismus soll Rottenburg eine tragende Rolle spielen, zählt doch das dortige Hotel Martinshof – zusammen mit dem Hotel Lamm in Unterjesingen – zu einem der beiden offiziellen Weinhotels im Kreis Tübingen. Vergeben wurde diese Auszeichnung von der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg. Dafür müssen sich die Hotels dazu verpflichten, Weine aus der direkten Umgebung auf der Karte zu haben und entweder selbst Führungen im Weinberg anbieten oder die Gäste zu solchen Events zu vermitteln.

"Da wir eine gute Zusammenarbeit mit dem Gasthaus Stanis pflegen und dort nur eigener Rottenburger Wein ausgeschenkt wird, ist dies schon ein kleiner Stein im ganzen Puzzle", erklärt Isolde Becht vom Hotel Martinshof und ergänzt: "Wir bieten auch an, dass Gäste Führungen in der Unterjesinger Weinkelter oder eine Schnapsverkostung im Gasthaus Lamm in Unterjesingen machen können."

Die Ansprüche der Gäste seien gestiegen, das Hotel reagiert damit auf den sich ändernden Markt. "Ich denke, dass Gäste eben diese Besonderheiten erwarten", sagt Becht, die darauf setzt, das bald auch an den eigenen Zahlen ablesen zu können: "Natürlich rechnen wir mit mehr Buchungen zu diesem Thema, dies ist aber noch ein bisschen zäh. Meiner Meinung nach spielt der Weintourismus in Rottenburg momentan noch keine große Rolle. Allerdings soll ja der Weinradweg massiv in der nächsten Zeit beworben werden, und da erhoffen wir uns dann doch noch ein paar Besucher mehr. Da ja der Württemberger Weinradweg hier in Rottenburg startet, war dies für uns ein guter Aufhänger, uns für die Auszeichnung als Weinhotel zu bewerben."

Ein anderer Radweg steht bei der Gemeinde Starzach im Fokus, um ein Stück vom großen Kuchen der Tagestouristen abzubekommen: der Neckartal-Radweg. Seit 2013 wird er professionell vermarktet, in diesem Jahr zeigte er bei der Stuttgarter Tourismus-Messe CMT mit einer neuen Übersichtskarte Präsenz. Das Problem: Die Streckenführung weist bislang noch vereinzelt Mängel auf – unter anderem in Starzach. Laut Landratsamt sollen Lücken wie zwischen Börstingen und Sulzau "in den kommenden Jahren behoben werden".

Entscheidenden Anteil am Tourismus im Kreis Tübingen hat auch der Naturpark Schönbuch, an dem ebenfalls die Landkreise Böblingen, Reutlingen und Esslingen Anteil haben. Auch er soll auf Vordermann gebracht werden – mit einem neuen Besucherleitsystem. Entwickelt wurde es von der Hochschule Rottenburg (HFR). Knackpunkt: "Die Zahl der Gäste im Naturpark Schönbuch nimmt zu. Und das, was sie dort tun, wird immer vielfältiger. Das führt zu Nutzungskonflikten", sagt Monika Bachinger, Professorin für Tourismus an der HFR, im Gespräch mit unserer Zeitung. Vor allem Mountainbiker und Wanderer würden sich immer häufiger in die Quere kommen. Eineinhalb Jahre lang hat sich die HFR daher mit dem bestehenden, rund 750 Kilometer langen Wegenetz intensiv beschäftigt und jeden Meter analysiert. Ergebnis: 60 Prozent der Wege werden laut Bachinger von mindestens zwei verschiedenen Nutzergruppen frequentiert. Ihr Vorschlag für das neue Besucherleitsystem: das bislang ausgewiesene Wegenetz halbieren und im Wesentlichen auf das bestehende Netz des Schwäbische-Alb-Vereins zurückführen. Das soll künftig besser mit den Wegesystemen der 19 Kommunen im Schönbuch vernetzt werden, die dann mit ihren Wegen an das Naturpark-System andocken. Außerdem soll eine neue Mountainbike-Strecke entstehen. Bachinger: "Wir dünnen das Netz aus, aber wir erhöhen die Qualität."