Prozess: 64-Jähriger klaut mehrfach Schnaps und Schokolade in Märkten / Strafe: Sieben Wochen Haft auf Bewährung

Horb. Es ist ein armer Mann, der da am Montag Nachmittag vor den Schranken des Horber Amtsgerichts stand. Arm, weil er mit 110 Euro Taschengeld im Monat auskommen muss, die ihm das Landratsamt von seiner Rente, die nicht ganz 800 Euro beträgt, lässt. Der Rest wird für die Unterbringung und Betreuung durch die Erlacher Höhe verwendet. Arm ist er aber vor allem deshalb, weil er sich nicht mehr an die wichtigsten Stationen seines Lebens erinnern kann.

Als Amtsgerichtsdirektor Albrecht Trick ihn beispielsweise fragte, was er denn gearbeitet habe, als er 1994 nach Deutschland kam, konnte sich der 64-Jährige nur noch bruchstückhaft daran erinnern. Irgendwas mit Federnherstellung für PKW-Sitze und Beton wegfahren fiel ihm noch ein, den Rest hatte er schlichtweg vergessen.

Vergessen hatte er vielleicht auch, dass er bei einem Horber Discounter am 24. Februar in noch nicht einmal einer Stunde bei zwei Diebestouren jeweils zwei Flaschen Fusel zum Stückpreis von 5,79 Euro geklaut und noch jeweils eine Tafel Schokolade eingesteckt hatte.

Der Detektiv, der den Laden an diesem Tag überwachen sollte, sah den Angeklagten bei Schichtbeginn mit dessen Trinkkumpanen vor dem Laden sitzen und sich den geklauten Schnaps einverleiben. Deshalb schaute er sich aufgrund seiner langjährigen Erfahrung die Videoaufnahmen des Vormittags an und stellte fest, dass sich der gehbehinderte Angeklagte tatsächlich zweimal an der Kasse vorbeigemogelt hat, ohne die eingesteckten Waren zu bezahlen.

Am 25. Januar wurde der Angeklagte erwischt, wie er im Kaufland eine Flasche Schnaps und ein Bier mitnahm, und am 28. Februar, als er eine Uhr im Wert von 9,99 Euro klaute. Im Horber Kaufland war der Beschuldigte bereits kein Unbekannter mehr, und der Kaufhausdetektiv wurde gezielt auf ihn angesetzt, wie dieser dem Gericht erklärte.

Im März ging dann im Real ein weiterer Diebstahl auf das Konto des Rentners. Zwei Flaschen Wodka und zwei Tafeln Schokolade ließ er mitgehen und verursachte hier einen Gesamtschaden in Höhe von noch nicht einmal 30 Euro. Ob’s tatsächlich so war? Das könnte sein, er habe keine Ahnung, ließ er über seine Dolmetscherin ausrichten. Seit seine Frau vor zwei Jahren gestorben sei, greife er immer wieder mal zur Flasche, gab er zu.

Doch seit März, seit er in der Sozialbetreuung durch die Erlacher Höhe lebt, sei es besser geworden. Dies bestätigte auch sein Sozialbetreuer, der mit im Gerichtssaal saß und immer wieder aushalf, wenn der Informationsfluss vom Angeklagten in Richtung Richter aufgrund der erheblichen Gedächtnislücken stockte.

Wie soll man nun einen Mann, der kein Geld hat und obendrein mit erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen zu kämpfen hat, dafür eine ordentliche Latte an einschlägigen Vorstrafen mit sich herumschleppt, für diese Diebstähle bestrafen?

Der Staatsanwalt forderte dreieinhalb Monate Haft, die zur Bewährung ausgesetzt werden können. Die Bewährungsfrist soll drei Jahre betragen, der Verurteilte soll sich einer Suchtberatung stellen und die Kosten dieses Verfahrens tragen.

Richter Trick machte sich seine Urteilsfindung nicht leicht, legt man die relative lange Zeit, die er für seine Urteilsfindung brauchte, als Maßstab zugrunde. Letztendlich verurteilte er den Mann zu einem Monat und drei Wochen Haft, die auf zwei Jahre Bewährung ausgesetzt wurden.

Von weiteren Auflagen sah der Richter ab, da er durch die Betreuung der Erlacher Höhe und dem Verzicht auf Alkohol bei dem Rentner seit fast einem Vierteljahr gute Ansätze auf ein straffreies Leben sieht.

"Wenn Sie jedoch noch einmal Schnaps, Schokolade oder etwas anderes stehlen, dann müssen sie die Strafe absitzen", redete Trick dem Mann, der schulterzuckend und scheinbar völlig ahnungslos auf seinem Stuhl saß, ins Gewissen.