"Ich versuche, für meine Werte und Ideale zu stehen. Auch wenn es dafür keine Mehrheit gibt": Timm Kern Foto: Lück Foto: Schwarzwälder-Bote

Oppositions-Politiker, dessen Stimme gehört wird: Kern bekommt derzeit nicht nur aus Horb Einladungen

Von Jürgen Lück

Stuttgart/Horb. Man merkt ihm an, dass er sich im Landtag etabliert hat. Kräftiger Händedruck, bescheidenes Auftreten, aber feste, klare Stimme. In der zweiten Hälfte seiner ersten Legislaturperiode will der Horber Timm Kern (FDP) mit Wirtschaftsthemen punkten.

Kern – er ist im ganzen Land bekannt als Kritiker der grün-roten Schulpolitik. Ab Sommer will er noch einen Schwerpunkt setzen. Kern: "Nach den Kommunalwahlen werde ich eine Initiative starten für den Personenkreis, um den die Politik bisher einen großen Bogen macht: Selbstständige und Freiberufler wie beispielsweise Handwerker. Mein Ziel ist, dass die Praxis und Realität dieser Unternehmer in die Politik eingeht."

Von Beruf Lehrer, hat Kern seine Paraderolle darin gefunden, als fundierter Kritiker die grün-roten Schulpolitik zu gelten. Er erzählt, dass er Einladungen von Mannheim bis Kehlheim bekommt: "Die Betroffenen vor Ort wollen wissen, wie sie sich vor dem radikalen Umbau schützen können."

Gerade hat er eine Rede im Landtag gehalten über die umstrittenen Lehrplan-Änderungen zur Homosexualität (wir berichteten). Kern: "Wenn sogar der Organisator des Christopher Street Day sagt, dass ihm diese Festschreibung dem Anliegen der Homosexuellen schadet, dann ist das genau das, was ich an Grün-Rot kritisiere: Der ideologisch wirkende missionarische Eifer wirkt auf die, die vielleicht gar keine Vorbehalte an sich gegen Homosexuelle oder Teile der Schulreform haben, abschreckend und führt zu Abwehrreaktionen."

Bei der Bildungspolitik – seinem bisherigen Leib- und Magenthema – bringt der grün-rote Druck für die Durchsetzung der Gemeinschaftsschule die Gefahr, dass das Ländle "ausblutet". Kern: "Ich bin kein fundamentalistischer Gegner. Aber so, wie es geplant ist, geht die Landesregierung zu schnell, zu radikal und zu ideologisch vor."

Kern weiter: "Mir konnte noch kein SPDler oder Grüner erklären, warum gut funktionierende Realschulen zugunsten der Gemeinschaftsschule dicht gemacht werden sollen." Er befürchtet, dass durch das Schrumpfen der Realschulen auch die Berufsschulen und die duale Ausbildung "langfristig ausgetrocknet" werden sollen.

Hat er als Mahner schon Erfolg bei der Landesregierung? Kern: "Die Kultusministerin war nach einem Jahr weg. Und deren Staatssekretär Mentrup wurde lieber Bürgermeister. Rot-Grün steht auf den Trümmern seiner Bildungspolitik. Ich habe auf die Fehlentwicklungen hingewiesen und Recht behalten." Er verstehe sich privat sehr gut mit dem neuen Kultusminister Andreas Stoch (SPD): "Inhaltlich wird aber nicht umgesteuert. Ich befürchte, dass bald wieder Köpfe rollen werden."

Und die Einrichtung der Gemeinsschaftsschule in Horb? Kern: "Da spricht nichts dagegen. Hier ist sie eine Ergänzung des Schulangebots und muss erst noch zeigen, ob sich die grün-roten Verheißungen auch erfüllen."

Doch was tut Kern für seine Wähler? Versteht er seine Rolle auch so wie Hans-Joachim Fuchtel, den CDU-"Hans-Dampf in allen Gassen", der auch für seine Heimat konkret was bewegt? Kern: "Fuchtel ist in der Regierung. Als Oppositionspolitiker hat man nicht diesen Einfluss. Ich versuche eher, den Bürgern konkret zu helfen. Verwaltungen sollten Ermöglicher für die Bürger sein. Es ärgert mich, wenn Bürger bei berechtigten Anliegen weniger erreichen können, als wenn ich anrufe." Auch das Halteverbot am Bahnhof Eyach ärgert ihn: "Das ärgert mich, dass die Landkreise Tübingen und Freudenstadt es nicht schaffen, gemeinsam hier Druck aufzubauen, um für eine gute Lösung zu sorgen. Die Demokratie ist in der Lage, schnelle Lösungen zu bringen. Wenn sie das nicht schafft, wenden sich noch mehr von ihr ab."

Und auch sein soziales Herz will Kern in den nächsten Jahren weiter behalten: "Als studierter Theologe und Liberaler ist es mir wichtig, dass den Armen mangels Masse ein Freiheitsdefizit haben." Und er hilft auch gerne konkret. Beispielsweise bei der Vesperkirche. Er lädt dazu auch die Presse ein, sagt aber: "Ob ich da in der Zeitung erscheine, ich mir egal. Ich mache das mit meinem Team aus Überzeugung. Denn Politik muss mehr als Verpackung sein. Ich versuche, für meine Werte und Ideale zu stehen. Auch wenn es dafür keine Mehrheit gibt."

Und was ist das größte Problem des Landtagsabgeordneten? Kern: "Das wir als kleinste Fraktion unsere wissenschaftlichen Mitarbeiter nicht bei uns im Haus der Abgeordneten haben." Für ihn als Parlamentarischen Geschäftsführer ist es sehr nervig, dass man "nicht einfach mit der Tasse Kaffee in der Hand" mal schnell ins Büro nebenan gehen kann, wenn es um schnelle Infos, Hintergründe oder Ideen geht.