Trotz frostiger Temperaturen kamen doch viele Besucher zur Eröffnung des Art-Parks Horb. Fotos: Morlok Foto: Schwarzwälder-Bote

Kultur: Art-Park Horb ist eröffnet / Flüchtling hat Werk mit Schuhen in einem Baum geschaffen

Wenn jemand alte Schuhe in einen Baum hängt, dann ist das Kunst. Basta! Den Beweis lieferte die Eröffnung des Art-Parks Horb, mit dem der Initiator, Michael Widmann, dem ehemaligen Horber Friedhof, der etwas versteckt hinter der Gutermann-Schule liegt, neues Leben einhauchen möchte.

Horb. Kunst kommt nicht allein von Können, sondern auch von Courage. Es muss ein Idee her, eine Vision. Dann braucht’s im Falle der Installation "Wegbegleiter" jede Menge ausgetretene Schuhe, Bändel in den richtigen Farben zum Aufhängen der Treter und eine Stadt, in der man so ein Kunstwerk nicht als groben Unsinn wertet, sondern als das, was es sein soll: Als eine Art Mahnmal, eine Friedensbotschaft.

Es kommt halt immer auf die Betrachtungsweise an. Wenn man früher etwas auf einen Baum geschmissen hat und wurde vom Stadtgärtner erwischt, dann gab’s meist einen Satz heiße Ohren. In Horb hingegen kommt der Bürgermeister und lobt die Aktion mit wohlgesetzten Worten.

Dass man sich über Kunst trefflich streiten kann, das ist allerspätestens seit der Entfernung von Joseph Beuys’ "Fettecke" durch den Hausmeister der Kunstakademie Düsseldorf im Jahr 1986 hinlänglich bekannt. "Ist das Kunst oder kann das weg?" wurde zum geflügelten Wort, doch eine allgemeingültige Regel, was nun Kunst ist und was nicht, die gibt es Gott sei Dank nicht und wird es hoffentlich auch nie geben. Vorsichtshalber haben die Verantwortlichen des Projekts Art-Park Horb, darunter die Stadt Horb, die Katholische Erwachsenenbildung (KEB) Freudenstadt, die Tuchweberey Widmann und die Aktion "500 Land-Initiativen", die sich die Integration auf dem Land auf die Fahnen geschrieben hat, trotzdem gleich am Einstieg zum Parkgelände eine Tafel angebracht, auf der sinngemäß zu lesen ist, dass sie Toleranz gegenüber den ausgestellten Arbeiten ganz gut fänden.

Bürgermeister Ralph Zimmermann bezeichnete Horb als charmanten Ort mit vielen Facetten. Ein weiterer Baustein in dieser Vielfalt komme nun durch den Art-Park Horb neu dazu. Zimmermann erinnerte sich daran, wie Michael Widmann plötzlich, mitten in einem Besprechungstermin, in sein Büro platzte und ganz enthusiastisch von diesem Projekt schwärmte, bei dem Flüchtlinge und hiesige Künstler gemeinsam Neues schaffen. "Und plötzlich wurde aus Berührungsangst Begeisterung, denn die Kunst findet auch ohne Worte ihre eigene Sprache", so der Bürgermeister. Er freut sich, dass der als Stadtpark mehr oder weniger bekannte einstige Friedhof wieder zu dem wird, was er einmal war. Ein Ort der Andacht. Nun nicht mehr an den Gräbern der Verstorbenen, sondern als Ort, an dem man über die Botschaft der Kunst nachdenken könne und dabei viele Freiheiten habe.

Freiheit war auch das Stichwort für Matthias Rose, Diakon und Sozialarbeiter aus Sulz, dessen beruflicher Themenschwerpunkt in der Flüchtlingsarbeit liegt. Für ihn sei das Kunstwerk "Wegbegleiter" des Nigerianers Jamiu Olokodana die philosophischste Art, wie man Flucht beschreiben könne. Diakon Rose war vor wenigen Tagen in Berlin, als dort die "Aleppo-Busse" vor dem Brandenburger Tor aufgestellt wurden. "Der Weg durch das Tor ist nun nicht mehr so einfach möglich – die Freiheit ist beschränkt – man muss für seine Freiheit viel tun", interpretierte er diese bekannte Kunstaktion. Er wünscht dem Horber Projekt viel Interaktion und freut sich über den Mut, der seiner Ansicht nach dazugehört, einen Park in Kooperation zwischen Flüchtlingen und Einwohnern gestalten zu wollen. Er nannte es für sich: "Unterwegssein durch Gestalten und eine Unterbrechung im Alltag."

Mit feurigen Trommel-Rhythmen aus Gambia sorgten drei Flüchtlinge, die nun in Freudenstadt wohnen, für etwas imaginäre Hitze nach den Redebeiträgen, und zum Ende der Parkeröffnung hatte Mittelalter-Fan Widmann noch die Feuershow der "Gruppe Anno 1482" aus Stutensee organisiert.

Insgesamt also ein hochlöbliches Projekt, das auch etwa 60 Interessierte an den Ort des Geschehens lockte. Doch warum man die Veranstaltung an einem Novemberabend machen musste, das blieb bei aller Toleranz doch für den einen oder anderen Besucher völlig im Dunkeln. Es war kalt, feucht und stockdunkel. Eine Dame stellte dazu passend fest: "In Horb brauchst du um diese Zeit einen Pelzmantel."

Nur einige wenige Lampen und Fackeln sorgten für eine gewisse Illumination, und von den Kunstwerken selbst sah man kaum etwas. Vielleicht gehörte dieses Nachtspektakel aber auch zum großen Sammelbegriff "Kunst", und der gut gemeinte Rat vom "gedanklichen Stolpern", den Matthias Rose ins Spiel brachte, wenn man sich durch die Freilichtausstellung bewegt, gehörte beim nächtlichen Gang von Projekt zu Projekt in der Realität mit dazu. Als echter Künstler entpuppte sich übrigens auch Georg Djuga, von der "Weinflaschnerei". Er schaffte es, trotz der sehr bescheidenen Sichtverhältnisse, seine edlen Tropfen ohne nennenswerte Verluste in die bereitgestellten Behältnisse zu bugsieren und dafür auch noch den richtigen Obolus zu kassieren.

Horb hat seit Donnerstagabend einen Ort der interaktiven Kunst, der Begegnung und der Kultur. Ob die Bürger dieses Projekt annehmen oder kopfschüttelnd vorbeilaufen und sich ihren Teil denken, das wird die Zukunft zeigen. Wenn man sich jedoch die Liste der derzeit aktiven Park-Künstler anschaut, dann ist aus der reichen Horber Kunstszene niemand zu finden. Ist das ein Omen für die Zukunft? "Schau mer mal – oder laufet schnell drah vorbei" könnte einem in Anlehnung an einen weiteren, bekannten Spruch hierbei schon in den Kopf kommen. Am Donnerstagabend zeigten sich viele Horber jedoch schon mal zumindest interessiert.