Einen Livestream wird es bei der Kandidatenvorstellung in Horb nicht geben. (Symbolfoto) Foto: Daxenbichler/fotolia.com

Begründung: Bürger und Kandidaten sollen unbefangen auftreten können. Befürworter wittern Skandal.

Horb - Wer den Kandidaten-Gipfel zur OB-Wahl mitverfolgen möchte, muss heute Abend in die Hohenberghalle kommen – denn ein Livestream wurde untersagt.

Während des Landesmusikfestivals lobte Oberbürgermeister Peter Rosenberger Horb noch als "Bundeshauptstadt der Amateurmusik". Einen Tag später ist die Große Kreisstadt wieder tiefste Provinz: Beim Kandidaten-Gipfel am heutigen Dienstag in der Hohenberghalle herrscht Livestream-Verbot!

Wer eine Frage an die Kandidaten stellen möchte, muss vor Ort sein

Um 20 Uhr treffen hier Amtsinhaber Peter Rosenberger und seine beiden Gegenkandidaten Thomas Bauer und Hermann Walz aufeinander. Jeweils 20 Minuten Rede, dann Fragen aus dem Publikum.

Doch wer das erleben will, wird vom Rathaus gezwungen, in die Hohenberghalle zu gehen. Denn: Es herrscht ein absolutes Aufnahmeverbot!

Stadtsprecher Christian Volk: "Verfahrensfragen der Bewerbervorstellung obliegen grundsätzlich dem Gemeinderat beziehungsweise dem Vorsitzenden des Gemeindewahlausschusses. Wie auch in anderen Städten durchaus üblich (zum Beispiel Bruchsal), wurde auch in Horb a. N.ckar bewusst auf Ton- oder Videoaufzeichnungen im Rahmen der öffentlichen Kandidatenvorstellung verzichtet."

Die Stadt Horb orientiere sich hierbei an "Handlungsempfehlungen des Städtetags Baden-Württemberg zum Thema Live-Übertragungen im Internet". Bei einer Live-Übertragung stünden vor allem datenschutzrechtliche Punkte im Vordergrund. Insbesondere gehe es um die Einwilligung zu Aufnahmen und die Verwendungs- beziehungsweise Verbreitungsmöglichkeiten der Aufzeichnungen.

Der Stadtsprecher weiter: "Zudem sollen Besucher der Kandidatenvorstellung durch mögliche Ton- und Videoaufnahmen bei ihrer Möglichkeit, Fragen an die Bewerber zu stellen, nicht eingeschränkt beziehungsweise gehemmt werden. Gerade Fragesteller sollten nicht in Sorge sein müssen, dass entsprechende Videoaufzeichnungen anschließend ungewollt in den Sozialen Medien zu finden sind. Ein weiterer wichtiger Grund war hierbei, dass sowohl die Kandidaten selber als auch Bürgerinnen und Bürger bei der Versammlung unbefangen auftreten können." 

Für Thomas Bauer und Hermann Walz, Gegenkandidaten zu Amtsinhaber Rosenberger, ist das ein "Skandal". Bauer: "Ich habe nichts zu verbergen. Es gibt Menschen, die zu diesem Termin keine Zeit haben oder gerade dann woanders lokal angebunden sind. Wozu brauchen wir Glasfaser, wenn es nicht einmal erlaubt ist, interessierte Bürger informieren zu dürfen, was die drei OB-Kandidaten wirklich wollen!"

Hermann Walz: "Das ist für mich ein Schwachsinn und unterstreicht meine Forderung nach mehr Transparenz. Ich sehe darin überhaupt keinen Sinn und keinen Interessenskonflikt! Es geht weder um einen geschlossenen Kreis oder eine Diskussion vor geladenen Gästen. Durch das Verbot nimmt die Stadt vielen Interessierten, die nicht in die Hohenberghalle kommen können oder wollen, die Möglichkeit, die Kandidaten im Vergleich live zu erleben! Das hat mit Transparenz nichts zu tun!"

Noch verwunderlicher: In Überlingen gibt es die Horber Rathaus-Bedenken offenbar nicht. Als sich Jan Zeitler, der ehemalige Bürgermeister von Horb, in Überlingen im November gegen die Amtsinhaberin Sabine Becker und Klaus Kirchmann dem Kandidaten-Gipfel im Kursaal stellen musste, lieferte die örtliche Zeitung nicht nur einen Liveticker, sondern auch einen Livestream. Der weiteste Zuschauer, so Moderator Stefan Hilser damals, hat sich wohl aus London eingeloggt. Das Format: Ähnlich wie in Horb. Auch im voll besetzten Kursaal durften die Zuschauer Fragen stellen. Und hatten aufgrund der Livestream-Aufzeichnung auch den Vorteil, sich das ganze hinterher noch einmal in Ruhe zu Gemüte zu führen. In Horb ist das alles verboten. Schon in der Presseeinladung des Rathauses zum Kandidaten-Gipfel heißt es: "Film- und Tonaufnahmen sind während der Kandidatenvorstellung nicht gestattet." Ein absoluter Verstoß gegen übliche journalistische Regelungen. Nicht nur Livestreams sind verboten: Auch, die Kandidaten während ihrer Reden, die sie ja als Privatpersonen halten, zu filmen.

Filmaufnahmen sind selbst in manchen Landtagen überhaupt kein Problem

So ist es im Landtag von Hannover beispielsweise seit Jahrzehnten üblich, dass Agenturjournalisten die Wortbeiträge der Abgeordneten und Minister nicht nur mitschreiben, sondern auch auf Band aufnehmen. Um im Zweifelsfall den Original-Ton eines nicht ganz eindeutigen Zitats nachhören zu können. Auch diese Kontrollmöglichkeit wird den Journalisten heute durch das Tonaufnahmeverbot genommen.

Stefanie Kübler, Leiterin der Online-Redaktion des Schwarzwälder Boten: "Das überrascht mich. Eigentlich hatte ich Horb für eine fortschrittliche Stadt gehalten. Inzwischen ist es gängige Praxis, bei kommunalpolitisch bedeutenden Entscheidungen oder Veranstaltungen live zu streamen oder Videoaufnahmen zu machen, falls das technisch möglich ist."