Die Pilgergruppe der evangelischen Kirchengemeinde Horb machte unter anderem in Schwäbisch Hall und in Rothenburg Station. Ziel bleibt Wittenberg. Foto: Kirchengemeinde Foto: Schwarzwälder-Bote

Religion: Zwischen Brenz und Riemenschneider: Pilgeretappe führt Horber Gruppe in markante Sakralbauten

Horb. Luther in Wittenberg bleibt das Ziel einer Pilgergruppe der evangelischen Kirchengemeinde Horb. Jahr für Jahr gehen sie eine Etappe. Dieses Jahr haben sie bei Luthers "Mann für Süddeutschland", Johannes Brenz, Station gemacht.

Zum dritten Mal machten sich Gemeindemitglieder mit Pfarrer Michael Keller auf den Weg, der sie am ersten Tag vom Ziel der letztjährigen Etappe, Rieden, in das acht Kilometer entfernte Schwäbisch Hall führte.

Allein die markante Freitreppe ist ein Besuch wert, besonders, wenn die berühmten Schauspiele dort stattfinden, für die der neue Intendant Christian Doll mit seiner Truppe gerade eine Probe abhielt. Doch die Pilger zog es in die prächtige Michaelskirche. Max-Peter Rümelin als Vertreter des Projekts "Gastgeber Kirche" erschloss mit seinem unerschöpflichen Wissen den überreichen Figurenschmuck der Altäre.

Protestantische Kirchen stellt man sich nüchtern und schmucklos vor, doch sowohl Rieden wie auch Schwäbisch Hall quellen geradezu von der Pracht ihrer farbigen Schnitzereien über. Das führte nun geradewegs zu dem schwäbischen Reformator Johannes Brenz, der weitaus gemäßigter agierte als der zuweilen lutherzornige Thesenanschlager aus Wittenberg. Er distanzierte sich von Gewalt gegen Personen und Sachen, so blieben die Altäre vor den Bilderstürmern verschont.

Auf dem Jakobseweg in die andere Richtung

Die Eigentümlichkeit der württembergischen Kirchenordnung und des hiesigen Katechismus erklärte Pfarrer Keller seinen Begleitern am Ort der Entstehung, denn Johannes Brenz wirkte als Prediger in dieser Kirche. Die von ihm definierten Hauptstücke des Glaubens, Predigt, Taufe und Abendmahl, waren den Konfirmierten wohl vertraut.

So erholsam sich die Wanderstrecke durch den Wald anfühlte, auf den Feldwegen und erst recht entlang des Radwegs unter der höchsten Brücke Deutschlands strapazierte die pralle Sonne Körper und Geist der Pilger. Da wussten alle die Kühle der Braunsbacher Kirche beim Mittagsgebet zu schätzen. In dem von einer verheerenden Flut heimgesuchten Ort fanden die Besucher nach über einem Jahr noch überall Spuren der Verwüstung, doch auch deutliche Zeichen des Aufbauwillens und der Neubelebung.

Die Zeugen des reichen jüdischen Andenkens in diesem Ort nahm Pfarrer Keller zum Anlass, die Judenschriften Luthers kritisch zu hinterfragen. Im 500. Jahr der Reformation sei es legitim, Luther als Menschen zu betrachten, der kein Heiliger gewesen sei und durchaus auch Fehler machen konnte. In allen kritischen Fragen sei Brenz wesentlich besonnener und vorsichtiger gewesen. Nach Bächlingen im Jagsttal abgestiegen, sammelten die Pilger ihre Kräfte für einen anstrengenden Aufstieg nach Langenburg, wo der zweite Tag in einer Pizzeria seinen Ausklang fand.

Die Morgengedanken des dritten Tages in der Stadtkirche zu Langenburg, wo die Porträts der Apostel von der Empore auf die Pilgergruppe herabschauten, drehten sich um Abendmahl und Herstellung von Brot und Wein, die natürliche Rohstoffe und menschliche Arbeit erfordert. Durch sich bis zum Horizont hinstreckende Getreidefelder wanderten die Pilger nach Schrozberg, wo eine Kettensägefigur einen Jakobspilger mit Hut, Stock und Muschel auswies. Derlei Äußerlichkeiten benötigten die Horber Pilger nicht. Mit innerer Überzeugung folgten sie dem Jakobsweg in der entgegengesetzten Richtung und wussten sich doch auf dem richtigen Weg.

Unmerklich überschritten sie am vierten Tag die Landesgrenze nach Bayern, an der auch das Gebiet der württembergischen Landeskirche endet, da sie bereits das romantische Rothenburg vor sich sahen, das sie zum Endpunkt der Jahresetappe erwählt hatten. Von Riemenschneiders Heilig-Blut-Altar ließen sie sich zutiefst bewegen. Deutlich wurde der Grenzübergang erst am Sonntag beim morgendlichen Gottesdienst, der plötzlich fremd, lebendiger, ja "lustiger" erschien als der gewohnte in Brenz’scher Überlieferung.

Bis nach Wittenberg ist es noch weit zu laufen, aber in den nächsten Jahren wollen die Horber Pilger sich Schritt für Schritt weiter ihren Glaubensquellen annähern.