Die Nachtwächter mit der Gewinnerin Michaela Hertkorn aus Dommelsberg. Foto: Schwarzwälder-Bote

Sie möchten, dass der Marktplatz möglichst unverschandelt bleibt / Umgang für Gewinnerin Hertkorn

Horb. So viele Leute hat der neu gestaltete Horber Marktplatz bislang noch nie gesehen. Annähernd 200 Personen fanden sich am Freitagabend vor dem Rat- und Wachthaus ein, um an einem Umgang teilzunehmen, der nicht im offiziellen Programm des Kultur- und Museumsvereins verzeichnet ist.

Ausgewählt wurde dieser Termin von Michaela Hertkorn aus Dommelsberg, die beim Nachtwächterquiz das große Los gezogen hatte. Und damit die Verwandten, Freunde und Bekannten der Dommelsbergerin nicht ganz alleine durch die dunklen Altstadtgassen ziehen mussten, hatten die Nachtwächter kurzerhand auch alle Urlauber und Daheimgebliebenen zu diesem Umgang eingeladen. Dass sich aber fast 200 Umgangsteilnehmer auf dem Marktplatz einfanden, damit hatten Heinrich Raible, Bruno Springmann und Joachim Lipp wirklich nicht gerechnet. Deshalb sorgte Nachtwächter Raible beim Umgang stets dafür, dass Frau Hertkorn an den einzelnen Stationen immer einen Logenplatz in vorderster Reihe erhielt.

Zuvor hatte Obernachtwächter Lipp ihr bei der Begrüßung ein Horber Weingebinde in den Stadtfarben überreicht, an dem ein in Zinn gegossener Nachtwächter hing. Außerdem hatte er aufgrund der vielen Horber Baustellen einen neuen Umgang zusammengestellt, der dieses Mal über die Winter- und Bußgasse hinaus ins Tal und über die Grabenbachgasse und den oberen Burgstall zurück zum Marktplatz führte.

Eine der ersten Stationen war der Horber Marktbrunnen, der aufgrund der topographischen Verhältnisse seit mehr als sechs Jahrhunderten nicht wie in anderen Städten in der Mitte des Marktplatzes, sondern in der tiefer gelegenen Nordwestecke an der abschüssigen Kehre zur Wintergasse gelegen ist.

Hier erteilte Nachtwächter Springmann dem Plan der Interessengemeinschaft Marktplatz, die sich einen Brunnen oder Wasserspiele vor dem Rat- und Wachthaus vorstellen kann, eine klare Absage und fand dabei die Zustimmung fast aller Umgangsteilnehmer. Der historische Marktplatz ohne zentral gelegenen Marktbrunnen ist nämlich eine städtebauliche Besonderheit, die ihresgleichen sucht und Horb von anderen Städten abhebt, so die Nachtwächter. Auf diese Tatsache habe bereits vor rund 80 Jahren der Stadtplaner Christian Klaiber in einer Fachzeitschrift sein besonderes Augenmerk gelegt und dazu Folgendes ausgeführt: "Wie geschickt sind die Höhenverhältnisse ausgenützt und in wie reizvoller Weise sitzt der Marktbrunnen in der Tiefe, ohne an Wirkung zu verlieren. Wer Stadt auf, Stadt ab den Marktbrunnen auf erhöhtem Platze zu sehen gewohnt ist, wird das Ursprüngliche umso lebhafter empfinden. Er führt ein verstecktes Dasein, um dem zur Kirche Voranschreitenden als ein unerwartet Neues vor die Augen zu treten, während als Gegenstück die Kirchentreppe links unter dem Terrassenbogen hindurch sich darbietet."

Obernachtwächter Lipp sieht solchen Planungsvisionen in Sachen Marktplatzgestaltung angesichts der seit drei Jahrhunderten währenden Horber Armut indes gelassen entgegen und meinte dazu: "Normalerweise legt sich die Armut alle 50 Jahre vor eine andere Haustür, bloß vor dem Horber Rathaus da ist sie liegen geblieben." So betrachtet, kann Armut zumindest städtebaulich mit Blick auf manch kostspieligen Horber Visionär auch eine positive Seite haben. Lipp freute sich wenigstens über die Tatsache, dass bei der Neugestaltung des Platzes zumindest die beiden Fahnenmasten vor dem Rathauseingang endlich von der Bildfläche verschwunden sind, nachdem sie immer wieder von irgendwelchen städtischen Fahnenfetischisten wie von Geisterhand aufgestellt worden waren.

So kurzweilig wie sich der Aufenthalt am Marktbrunnen gestaltete, ging es auch bei allen anderen Stationen zu und immer wieder war lautes Gelächter zu hören, wenn die Nachtwächter ein Stadtgeschichtchen zum Besten gaben.

Lang anhaltenden Beifall gab es vor dem Schüttetörle, nachdem man gemeinsam das Horber Lied angestimmt hatte. Nach rund eineinhalb Stunden verabschiedeten sich die Nachtwächter auf dem nächtlichen Marktplatz von ihrem begeisterten Publikum, denn aus dem Schiff da ertönte ein Pfiff.