Der Berthold-Auerbach-Literaturkreis traf sich zum vierten und letzten Mal. Foto: Morlok Foto: Schwarzwälder-Bote

Kultur: Berthold-Auerbach-Literaturkreis widmet sich ein letztes Mal dem Thema Eisenbahn / Geschichten von Mann und Dickens

Zum vierten und letzten Mal traf sich der Berthold-Auerbach-Literaturkreis, um sich innerhalb der Reihe "Horb am Zug – 150 Jahre Eisenbahnanschluss" Literarisches und Autobiografisches vorzulesen – natürlich mit Lokalkolorit.

Horb-Nordstetten. Früher war eine Reise mit dem Dampfross nicht nur im Wilden Westen ein Abenteuer, sondern auch Literaten wie Thomas Mann oder Charles Dickens wussten Spannendes zu berichten. Aber auch die Urgroßmutter von Hartmut John aus Freudenstadt, die 1871 geboren wurde und sich an eine Zugreise mit der gesamten Großfamilie von Schwaigern nach Reutlingen erinnerte. Am Tag der Reise war die Ur-Oma neun Jahre alt, wie ihr Urenkel vorlas, doch die Erinnerungen an diese damals große Reise, zu der man sogar seinen eigenen Bottschamper mitnahm, blieb ihr in alle den Jahren bis zum Aufschrieb mehr als lebendig im Gedächtnis haften.

Hartmut John las diese Geschichte bei der vierten und letzten Veranstaltung zur Reihe "Horb am Zug – 150 Jahre Eisenbahnanschluss" beim Treffen des Berthold-Auerbach-Literaturkreises im Nordstetter Schloss vor. Man traf sich hier in bewährter Runde im großen Versammlungssaal des Schlosses, genoss vegane Dinkel-Spekulatius aus der Backstube von Agnes Maier und lauschte bei Tee und Bier Literarischem und Autobiografischem.

Als John ganz nebenbei erwähnte, dass seine Urgroßmutter mit einem Kunstmaler verheiratet war, der unter anderem das "Barfüßele" gemalt hatte, das Auerbach 1856 in einer seiner Erzählungen beschrieb, war ihm die Aufmerksamkeit aller Anwesenden gewiss.

Überhaupt nichts zu tun mit dem Horber Bahnhof und schon gar nichts mit Berthold Auerbach hatte die Erzählung von Thomas Mann, der ein "Zugunglück mit allem Drum und Dran und das sogar noch in der Nacht" erlebte. Christine Diez hatte diese relativ lange Geschichte jedoch wegen ihrer sprachlichen Schönheit, Präzision und genauer Beobachtung von Mann ausgesucht. Da gab es den martialisch auftretenden Schaffner, den Herrn mit dem Mops und den Zug, der unbewusst einen bösartigen Schlenker machte, als man unvermittelt über eine falsch gestellte Weiche auf einen Güterzug donnerte.

Horber Nachtwächter bekommen Hilfe von Freudenstädtern

Beim Stichwort Zugunglück fiel dem Horber Nachtwächter Bruno Springmann ein, dass er und seine beiden Kollegen vor Jahren auch auf der Heimfahrt aus Baden in eine solch prekäre Situation gerieten. Es war so schlimm, dass sie sich nur noch durch die Unterstützung von tapferen und hilfsbereiten Freudenstädtern aus der Notlage befreien konnten.

Ein weniger amüsantes Kapitel der hiesigen Eisenbahnhistorie schlug Barbara Staudacher auf. Sie erinnerte in unterschiedlichen Ansätzen daran, dass der Horber Bahnhof für viele jüdische Familien aus der Gegend nicht Ausgangspunkt für eine vergnügliche Ausfahrt, sondern zum Abfahrtsort in die Todeslager wurde.

Für etwas sprachliche und dramaturgische Verwirrung sorgte Martin vom Ende mit seiner Interpretation des "Signal Man" von Dickens. Einsam vor einem Signal wartend, gingen dem Herren doch einige Phantasien durch den Kopf und irgendwie erinnerte der "Signal-Mann" an den einsamen Absperrer am Talheimer Bahnübergang. Während in Dickens Gruselgeschichte, die 1886 spielte, der arme Signal-Mann vom Zug überfahren wurde, hatte der Sicherheitsmitarbeiter am Talheimer Signal etwas mehr Glück.

Auch in den Erzählungen von Auerbach taucht die Eisenbahn als modernes Transportmittel auf. Briefe und Reiseberichte zeichnen schlaglichtartig ein Stück deutscher Verkehrsgeschichte und die Leser, Erzähler oder Augenzeugen schlossen sich ganz dieser Tradition an.