Ein Mann und sein Auto: Jérôme Brunelle tankt am Supercharger, wo er den Strom für seinen Tesla kostenlos bezieht. Foto: Brunelle

Interview: Jérôme Brunelle stellt sich Fragen zur E-Mobilität. Aktuell auf Tour durch Europa.

Horb - Jérôme Brunelle ist Horbs Elektroauto-Pionier. Lange Zeit fiel er mit seinem Renault Twizy im Stadtbild auf, inzwischen düst er jedoch mit einem Tesla durch die Gegend. Und das nicht nur in der Region, denn aktuell tourt der stellvertretende Chef der Horber SPD, der am Sonntag seinen 48. Geburtstag feierte, mit seinem Model S quer durch Europa. Wir haben ihn an der Ostsee an die Strippe bekommen.

Herr Brunelle, Sie touren gerade mit Ihrem Tesla durch Europa. Ist Ihnen schon der Strom ausgegangen?

Man muss sich bei einem Tesla schon reichlich doof anstellen, um mit leerer Batterie liegen zu bleiben. Zum einen gibt es in Europa ausreichend Schnellladestationen von Tesla, zum anderen rechnet das Bordsystem immer sehr genau aus, mit wie viel Restenergie man an der Ladestation ankommt. Es warnt einen auch, falls es eng wird. Also nein, bei den rund 21 000 Kilometern, die ich mit dem Tesla gefahren bin, hatte ich nicht einmal im Ansatz Reichweitenängste – und das, obwohl ich den kleinsten Akku habe.

Warum machen Sie diese Tour?

Mit dem Elektroauto fahren macht Spaß und es ist vor allem extrem günstig. Energiekosten hatte ich überhaupt keine, da der Supercharger kostenlos ist. Die Kosten beschränken sich also mehr oder weniger auf die Reifenkosten.

Sie kommen gerade aus St. Petersburg. Gibt es auch dort Stromtankstellen?

Ein Elektroauto kann theoretisch an jeder Steckdose laden. Die gibts auch in Russland.

Sie sind Horbs wohl größter E-Auto-Fan. Haben Sie bei Ihrer Tour durch Europa viele Gleichgesinnte getroffen?

Ja, man trifft an vielen Superchargern andere Teslafahrer und tauscht sich aus. Aber man wird inzwischen auch von Passanten ausgefragt. Erste Frage immer: Wie weit kommen Sie denn und wie lange dauert das Laden? Antwort: 320 Kilometer und 30 bis 50 Minuten.

Sind Sie stolz darauf, Horbs E-Auto-Pionier zu sein?

Ich halte das Thema Elektromobilität für ein wichtiges, wenn nicht das wichtigste Thema unser Mobilität in der Zukunft. Einerseits bei den Arbeitsplätzen in der baden-württembergischen Automobilindustrie als auch für die Umwelt und unsere Gesundheit. Ich bin überzeugt davon, dass die Automobilindustrie schon in wenigen Jahren keine Verbrenner mehr verkaufen kann. Ich bin auch sicher, dass wir die Luft in den Städten nur mit Elektroautos sauber bekommen. Auch Horb ist ja von schmutzigem und lautem Durchgangsverkehr betroffen. Natürlich lösen die Elektroautos nicht alle Probleme und natürlich muss auch da noch einiges verbessert werden, aber ich bin überzeugt davon, dass wir konsequent in Richtung Elektromobilität gehen müssen und das nicht erst seit dem Dieselskandal. Stolz? Ich freue mich einfach, dass meine Familie komplett elektrisch fährt, und nehme mir gerne viel Zeit, alle Fragen der Passanten zu beantworten.

Beim diesjährigen Horber Stadtfest wird es auch ein E-Mobil-Treffen geben. Sind Sie schon aufgeregt?

Ich freue mich riesig, dass die Stadt meine Idee mit viel Elan aufgegriffen hat. Es ist einfach wichtig, Elektroautofahrer und Interessierte zusammenzubringen. Nur so können Vorurteile diskutiert und dann hoffentlich ausgeräumt werden. Und das Schöne: Horb wird weder mit Abgasen noch mit Lärm belästigt.

Woher kommt die wachsende Begeisterung für Elektroautos?

Ich glaube der Umweltaspekt spielt gar nicht einmal die erste Rolle. Wer schon einmal ein Elektroauto gefahren hat, der weiß, dass es unglaublich Spaß macht, immer und zu jeder Zeit die volle Kraft des Motors zur Verfügung zu haben. Das gilt nicht nur für den Tesla, sondern für alle Elektroautos. Die Ruhe der Fahrzeuge, das größere Platzangebot durch den fehlenden Verbrennungsmotor und natürlich das Wissen, umweltfreundlich unterwegs zu sein, vergrößern den Spaß. Hinzu kommt natürlich, dass viele verunsichert sind aufgrund der drohenden Fahrverbote. Sie suchen nach Alternativen für die Schummeldiesel. Das ist nicht leicht. Wer derzeit kein Elektroauto kaufen möchte oder kann, sollte sich mal Erdgasfahrzeuge anschauen. Auch diese sind sehr umweltfreundlich und der Treibstoff ist nur etwa halb so teuer wie der normale Sprit. Ansonsten: Wer schon einmal Elektromobilität erlebt hat, dem kommen Verbrennungsautos einfach nur noch veraltet vor. Deshalb: einfach mal probefahren.

Die E-Autos haben allerdings nicht nur Fans. Längere Strecken zu fahren ist nicht möglich, ohne längere Pausen zum Aufladen einzulegen. Ist die Technik noch zu unausgereift?

Nun, ein Hersteller hat dieses Problem bereits gelöst. Mit einem Tesla kann ich im Grunde fahren wie mit einem Verbrenner. In den Pausen, die ich ohnehin brauche, lädt das Auto voll. Ich bin mühelos schon mehr als 1000 Kilometer an einem Tag gefahren. Aber einen Tesla kann sich natürlich nicht jeder leisten. Bei den anderen Elektroautos verbessert sich die Situation derzeit massiv. Inzwischen findet man an fast jeder Autobahnraststätte Schnellladestationen und auch in den Städten findet man immer mehr Ladepunkte. In Horb gibt es ja schon drei Ladesäulen. Auch die Reichweite der Fahrzeuge steigt. Die Renault Zoe zum Beispiel kommt mittlerweile auf 300 Kilometer mit einer Ladung.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Klimabilanz. Kohlekraftwerke haben einen hohen Anteil an der Stromerzeugung, auch das Herstellen der Batterien führen Kritiker ins Feld.

Rund ein Drittel unseres Stromes kommt mittlerweile aus regenerativen Quellen. Tendenz steigend. Elektroautofahrer haben zumeist Ökostrom zu Hause. Das ist Ehrensache. An den öffentlichen Säulen kommt der Strom auch meistens aus regenerativen Quellen. Aber selbst wenn der Strom zu 100 Prozent aus Kohlekraftwerken käme, wäre das Elektroauto immer noch besser als der Verbrenner. Und: Die Energie wird nicht mitten in der Stadt erzeugt. Ich habe jedenfalls noch kein Kohlekraftwerk in einer Stadt gesehen. Die Herstellung der Batterie benötigt in der Tat mehr Energie und erzeugt damit mehr CO2. Das ist korrekt. Allerdings: Das Mehr an CO2 wird schnell wieder eingespart. Und: Tesla möchte die Batterien in Zukunft mit regenerativer Energie herstellen. Ich denke, andere Hersteller werden nachziehen. Übrigens: Die Herstellung von Benzin kostet ebenfalls viel Strom. Mehr als 1,5 kW pro Liter. Wer also 40 Liter tankt, hat genauso viel Strom verbraucht wie ich, wenn ich meinen Akku fülle.

Kürzlich äußerte sich auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann kritisch zum Elektroauto. Seiner Meinung nach reicht die Kapazität der E-Tankstellen vorne und hinten nicht. Hat er Recht?

Nein, er liegt falsch. Würden wir von heute auf morgen auf Elektroautos umstellen, hätte er Recht. Das tun wir aber nicht. Der Prozess verläuft schrittweise. Insofern bleibt Zeit, die Netze dafür auszurüsten und Ladesäulen aufzustellen. Ich erinnere daran, dass anfangs das Benzin in Apotheken gekauft werden musste. Die Tankstellen entstanden auch nicht an einem Tag.

Und dann ist da auch noch die Kritik am Hersteller Tesla, der wegen seiner Arbeitsbedingungen am Pranger steht. Nachvollziehbar?

Ich kenne die internen Regelungen der Arbeiter von Tesla nicht. Allerdings ist Tesla ein relativ neuer Player auf dem Markt und ich kann mir schon vorstellen, dass es da Probleme gibt. Tesla verdient ja auch noch kein Geld. Ich bin mir aber sicher, dass das schrittweise besser wird, wenn sich die Firma konsolidiert. Das zumindest erwarte ich von Tesla.

Wann zieht es Sie mit Ihrem Tesla wieder in die Ferne?

Ach, ich möchte gern möglichst bald mal nach Norwegen. An das Nordkapp sind ja schon viele Teslas gefahren. Das muss nicht unbedingt sein. Aber ich würde schon mal gerne die Landschaft dort genießen. Ansonsten würde ich gerne mal nach Afrika. Ein Freund von mir fährt gerade mit einem Renault Zoe dorthin. Ich freue mich jedenfalls weiter sehr darauf, meinem fünfjährigen Sohn die Welt zu zeigen.  

INFO: Tanken mit dem Tesla

 Supercharger sind Stromtankstellen von Tesla Motors, die für das Schnellladen von Fahrzeugen der eigenen Marke gebaut wurden. Die Modelle S und X von Tesla können dort kostenlos Strom tanken – und zwar laut Tesla ein Leben lang.

 Die Stationen können die Traktionsbatterien der Fahrzeuge innerhalb von 40 Minuten so weit aufladen, dass der nächste Supercharger erreicht werden kann. Die Verteilung dieser Ladestationen in 20 Ländern soll Fahrten auf langen Strecken mit kurzen Ladestopps ermöglichen.

 Tesla betreibt derzeit weltweit an 855 Orten insgesamt 5462 Supercharger-Anschlüsse, ein Drittel davon in Westeuropa. In Deutschland gibt es 59, in Österreich zwölf und in der Schweiz elf Supercharger.

 Der nächstegelegene Supercharger befindet sich am Autohof Sulz/Vöhringen an der A81. Weitere gibt es unter anderem in Leonberg, Achern, Ulm, Schaffhausen, Straßburg und Bad Rappenau.