Ist dieses Durcheinander am Löwenbrunnen Kunst? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Foto: Hopp

Warum ist Werk von Mügge Kunst und Mayk Herzogs "Rotes Chaos" Müll? Facebook-Nutzer wundern sich.

Horb - Die "Vermüllung" des Löwenbrunnes sorgt für heftige Kritik. Viele fragen sich: Warum ist das, was Christoph Mügge da macht, Kunst – und das, was Mayk Herzog veranstaltet hatte, Müll?

Wir erinnern uns noch an den Mix von Gurkengläsern mit der Aufschrift "Gefahr" auf alten Tischen, Waschmaschinen und sonstigen alten Gegenständen, die rund um das Sebastian Lotzer-Haus zu finden waren. Eine Skulptur, so Mayk Herzog. Titel: "Rotes Chaos".

Christoph Mügge ist vor dem Löwenbrunnen dabei, an seiner Skulptur "Im Banne des Löwen" noch die letzten Feinheiten zu richten. Er gibt freimütig zu: "Ein Lkw-Fahrer hat schon aus dem Fenster gerufen: Das sieht scheiße aus."

Doch während das Rathaus Mügges Kunst ausdrücklich unterstützt, wurde das "Rote Chaos" von Mayk Herzog vor dem Belle Arti vom Bauhof weggeräumt. Bürgermeister Jan Zeitler erklärte damals: Es liegen unter anderem gefährliche Dinge auf öffentlicher Fläche. Deshalb sei Gefahr im Verzug. Der Verweis auf die Kunst hat Mayk Herzog nichts genutzt. Im Gegenteil: Das Rathaus hat sogar seine Baustelle stillgelegt.

Doch sind die beiden Werke wirklich so unterschiedlich? Auf der Facebook-Seite Schwarzwälder Bote Horb erinnert die Mülleimer-Kunst vom Marktplatz viele an Mayk Herzog. Matthias F.: "Aus Müll Kunst machen?! Kenne ich irgendwo her. Im Gegensatz zum Teilzeit-Müllplatz in der Stadtmitte sieht das doch ›super‹ aus." Birgit N.: "Passt doch zu Horb ;) In der Innenstadt kann man das nächste Projekt bestaunen. Feriengäste werden begeistert sein von der Umgestaltung der historischen Altstadt." M. R.: "Nur Herzog kann es." Ben S.: "Kann ja gar keine Kunst sein. Fehlen ja die Gurkengläser!"

Die Werke von Mayk Herzog und Christoph Mügge. Warum ist das eine Müll und das eine Kunst? Das Material: beides Abfälle. Mügge: "Die Mülltonnen habe ich vom Recyclinghof für zwei Euro gekauft. Für das Holz habe ich eine Anzeige im Amtsblatt aufgegeben. Ich habe das Material aus einer alten Fabrikhalle."

Beide wollen Aufmerksamkeit. Mügge: "Wenn du etwas im Rathaus ausstellst, erscheinen da nicht die großen Menschenmassen. Hier am Löwenbrunnen sieht jeder dein Kunstwerk – ob er es will oder nicht." Seine Künstlerhaus-Kollegin Steffi Schöne: "Das ist ein total optischer Eingriff in die Stadt."

Beide haben einen Hang zur Provokation. Herzog schrieb nach der Räumung auf die Fassade: "15 Jahre erfolglose Stadtentwicklung Horb." Mügge: "Ursprünglich wollte ich das ganze quietschorange anmalen."

Und beide zeigen ein gewisses Selbstbewusstsein gegenüber ihren Kritikern. Mügge lächelt: "Ich verstehe die Aufregung nicht. Wenn die Mülltonnen kurz vor der Leerung alle vor den Häusern auf dem Marktplatz stehen, ist das auch nicht schöner."

Und wie ist die Reaktion des Publikums? Auf der Facebook-Seite Schwarzwälder Bote Horb hagelt es Kritik an der "Vermüllung" des Marktbrunnens. Peter M.: "Das ist keine Kunst sondern eine Verunstaltung des schönen Brunnens. Weg mit dem Müll!" Daniel R.: "Man kann heute leider jeden Unsinn ›Kunst‹ nennen." Bernd M.: Das Wort Kunst mit so was in Verbindung zu bringen ist eine Frechheit." Neckar R.: "Der arme Brunnen!" Maik S.: "Ist das Kunst oder kann es auf den Müll?" Eva-Maria S.: "Total schrecklich!" Sven K.: "Auf solch eine Kunst kann man gerne verzichten." Peter S.: "Blödsinn." Mäggy L.: "Unseren schönen Brunnen so zu verschandeln." Eva-Maria S: "Total schrecklich." Bernd M.: "Kunst? Das Wort Kunst in Verbindung mit so was zu bringen ist eine Frechheit." Philipp S.: "Man kann heute leider jeden Unsinn ›Kunst‹ nennen. Selbst einen Haufen Sperrmüll." Angela L.: "Aber in meinen ignoranten Augen, ist das eine Art Versuch der Verdummung der Horber, ein Denkmal zu verschandeln und es auch noch als Kunst zu deklarieren. Im Umkehrschluss wäre ich auch eine Künstlerin, wenn ich alle meine Stoff-und Wollreste um den Flößersteg wickeln würde?" Hm. Nicht, dass Mayk Herzog das noch als Anregung für seine nächste Aktion nimmt.

OB Peter Rosenberger, der sich zwar kritisch gegenüber dem Kunstwerk gezeigt hatte, zieht jedenfalls eine klare Geschmackslinie. Das Stadtoberhaupt: "Ich finde es eine Unverschämtheit, die Skulptur am Marktplatz mit Mayk Herzog zu vergleichen. Hinter dem Kunstprojekt von Herrn Mügge steht ein künstlerisches Konzept. Herzog hat offenbar nur versucht, seinen Müll unter dem Begriff Kunst vor dem Belle Arti zu lagern."

Ach ja. Das ist übrigens einer der Unterschiede zwischen Mayk Herzog und dem Müll-Brunnen-Künstler Mügge: Der Künstlerhausbewohner räumt selbst weg. Mügge: "Ich habe einen Nutzungsvertrag mit der Stadt abschließen müssen. Darin habe ich mich verpflichtet, nach dem Ende die Materialien selbst zu entsorgen."

Seite 2: Pro und Kontra

Der "vermüllte" Brunnen, den Künstler Christoph Mügge am Dienstag mit Abfalleimern "verziert" hatte, sorgt in Horb für Aufregung. Niemandem scheint das Werk so richtig zu gefallen. Und so drängt sich die Frage auf: Wie weit darf ein Kulturschöpfer gehen?

Pro: Jürgen Lück, Reporter

Der historische Löwenbrunnen ist jetzt zum Mülltonnen-Brunnen geworden. Ein optischer Schock für viele, die jetzt den Weg zum Marktplatz suchen. Doch ist das, was der Künstlerhaus-Bewohner Christoph Mügge da gemacht hat, eine Vermüllung oder Kunst? Und warum darf ein Künstler das und Mayk Herzog nicht? Für viele Leser des Schwarzwälder Boten ist optisch das, was – teilweise noch bis heute – vor dem Belle Arti zu sehen ist und der mit gebrauchtem Holz und aufgesägten schwarzen Mülltonnen verkleidete Brunnen auf dem Marktplatz dasselbe. Die Zielrichtung: Sicherlich ähnlich. Provokant.

Für mich als Reporter ist Kunst das, was die Menschen aufrüttelt. Ihnen einen neuen Blick verschafft. Neue Perspektiven. Sichtwechsel. Und genau das hat der Künstler mit seiner Skulptur "Im Banne des Löwen" geschafft.

Wie oft bin ich einfach an dem schönen Löwenbrunnen vorbeigefahren, ohne ihn zu beachten? Jetzt sticht mir der Platz, wo der vermutlich schöne Brunnen stand, mit seinen Mülltonnen ins Auge. Es tut ein bisschen weh. Doch spätestens am 16. September, wenn Mügge den Brunnen wieder von den Mülltonnen und dem Altholz befreien wird, wird der alte, historische Brunnen in meinem Auge ganz neu strahlen. Ich werde bestimmt neue Details an ihm wahrnehmen. Die schön gearbeiteten Steine, die Skulpturen. Wieder meine Hände im Wasser kühlen. Alles wird wieder so harmonisch aussehen wie früher. Und allein für diesen Moment des Wiederentdeckens hat sich die Kunstaktion von Christoph Mügge schon gelohnt. Wetten, dass auch Ihnen dann nach ein paar Tagen der Marktplatzbrunnen nur noch so wenig Aufmerksamkeit entlockt wie eins der anderen Kunstwerke, die dezent am Wegesrand stehen?

Kontra: Ralf Klormann, Redakteur

"Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei" – so steht es im Grundgesetz der Bundesrepublik geschrieben. Ein wichtiger Grundsatz, der nicht vehement genug verteidigt werden kann. Doch muss dieser Grundsatz auch für die zweifelhafte Installation von Mülleimern am Löwenbrunnen gelten?

Eine Frage, die sich derzeit viele Horber stellen – und die eine genauere Betrachtung verdient. Denn eines dürfte klar sein: So sehr ein Künstler frei sein muss, zu schaffen, was die Kreativität eingibt, so sehr muss bezweifelt werden, ob jede Kunst eine öffentliche Präsentation verdient hat.

Vor allem dieser Tage, da beinahe alles zu Kunst und Kultur erhoben werden kann – und die Geschmäcker bekanntlich ziemlich verschieden sind.

So bleibt zwar jedem selbst überlassen, ob er sich von antiken Statuen, einem Haufen stinkender Socken, von düsteren Gemälden oder selbst von einem Berg Unrat ästhetisch angezogen fühlt.

Doch kann man in solchen Fällen sicher auch ohne schlechtes Gewissen verlangen, dass diese Menschen ihrer Kunstliebe zu Hause oder zumindest in Museen frönen. Und nicht auf Marktplätzen, wo jeder – ob er will oder nicht – mit dem speziellen Geschmack Einzelner konfrontiert wird.

Diesen Gedanken sollten sich nun vielleicht auch jene einmal durch den Kopf gehen lassen, die dem Künstler Christoph Mügge erlaubten, den Löwenbrunnen mit Mülleimern zuzupflastern.

Denn jeder Mensch sollte schließlich auch die Freiheit haben, sich bestimmte Formen von Kunst nicht zu Gemüte führen zu müssen. Dass man dazu in Horb derzeit den Marktplatz meiden muss, hat mit Kunstfreiheit nichts mehr zu tun. Es ist eine Frechheit.