In der Hauptstraße von Nordstetten brodelt es derzeit. Ein 34-Jähriger wird verdächtigt, Autos zerkratzt und nun auch noch mit einer Säge in der Neujahrsnacht zugeschlagen zu haben. Foto: Lück

Polizei sieht nach Säge-Attacke in Neujahrsnacht keine rechtliche Grundlage für Festnahme.

Horb-Nordstetten - Die Polizei rechtfertigt ihr Vorgehen in der Neujahrsnacht in Nordstetten. Dort hatte ein 34-Jähriger zur Bügelsäge gegriffen und einen Nachbarn damit geschlagen. Anwohner zeigten sich entrüstet, dass die Polizei den Mann nicht mitnahm.

Die Nerven liegen blank bei einigen Nachbarn des Mannes, der in der Ortsmitte wohnt. Die Polizei verdächtigt ihn, der "Autokratzer" von Nordstetten zu sein, der mehrere tausend Euro Schaden an Autos angerichtet haben soll. Auch wegen gefährlicher Körperverletzung wurde er vor dem Amtsgericht Horb zu einer Bewährungsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, weil er einen Nachbarn geschlagen hat. Und nun die Neujahrsnacht. Mit einer Bügelsäge kam er aus seinem Haus, schlug eine Fensterscheibe der Pizzeria ein und griff mit der Säge später auch noch den selben Nachbarn an, den er schon einmal geschlagen hatte (wir berichteten). Die Beamten, die gerufen wurden, "übergab den Mann in die Obhut seiner Eltern", wie die Polizei am Sonntag im Gespräch mit unserer Zeitung erklärte. Die Anwohner reagierten mit Unverständnis: "Was muss denn noch passieren?"

Die Polizei bewertet ihre Vorgehensweise einen Tag später aber als angemessen. "Der Rechtsstaat gibt uns hier klare Grenzen vor", sagt Michael Aschenbrenner, Pressesprecher des auch für Horb zuständigen Polizeipräsidiums Tuttlingen. "Es hat hier keine rechtliche Möglichkeit für eine Festnahme gegeben. Es lag kein Haftgrund vor." Das wäre zum Beispiel der Fall gewesen, wenn es sich hier um einen Mordversuch gehandelt hätte oder Fluchtgefahr bestehen würde. Als zweite Möglichkeit sei eine Gefahrenabwehr für die Öffentlichkeit in Frage gekommen. "Da sich der Beschuldigte allerdings einsichtig gezeigt hat, mussten die Kollegen so handeln."

Aschenbrenner stellt klar, dass die Polizei die Sache vor Ort angangen habe: "Es gab eine deutliche Gefährderansprache, in der ihm aufgezeigt wurde, dass er sich nichts mehr zu schulden kommen lassen darf. Diese Worte haben wohl ihre Wirkung nicht verfehlt." Denn in dieser Nacht sei kein Vorfall mehr bekannt geworden. Man habe dem Mann klar gemacht, dass man ein Auge auf ihn haben werde. Kontrollfahrten seien in der Nacht erfolgt. "Es ist aus unserer Sicht absolut richtig, wie sich die Kollegen verhalten haben." Eine Gefährderansprache habe es auch bezüglich der Kratzattacken auf Autos vor einigen Wochen gegeben. "Es sieht wohl so aus, als hätte diese Ansprache ebenfalls gewirkt."

Natürlich könne er die Anwohner und ihre Sorgen verstehen, doch könne man niemanden einfach vier Wochen wegsperren. "Hätten wir ihn mitgenommen, hätte unverzüglich eine richterliche Anordnung erfolgen müssen."

Und auch zum Tatwerkzeug hat die Polizei eine deutliche Meinung: "Eine Bügelsäge ist zwar außergewöhnlich, aber ein Messer, eine abgeschlagener Flaschenhals oder eine Axt sind die gefährlicheren Waffen, auch wenn man das bei einer Säge vielleicht anders vermutet", so Aschenbrenner.

Der 34-Jährige ist allerdings im Visier der Staatsanwaltschaft. Der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft, Frank Grundke, hat den Fall des Nordstetters selbst auf dem Schreibtisch. Besser gesagt sind es gleich zwei. "Die Staatsanwaltschaft Rottweil hat die Ermittlungen zu den Sachbeschädigungen an Autos aufgenommen. Es ist eine dicke Akte." Gleichzeitig bestätigt Grundke, dass der 34-Jährige Berufung gegen das Urteil des Horber Amtsgerichts wegen gefährlicher Körperverletzung eingelegt hat. Der Vorfall in der Neujahrsnacht war dem Staatsanwalt gestern noch nicht bekannt: "Das ist für mich eine interessante Information, ich werde mich mit dem Polizeirevier Horb in Verbindung setzen."