Beim gestrigen Pressegespräch informierten Antje Haßmann (AOK Nordschwarzwald), Martina Kober und Brigitte Anheier (von links) über das Projekt Anonymisierte Spurensicherung, das vor einem Jahr gegründet wurde. Foto: Lachenmaier

Das Projekt Anonymisierte Spurensicherung gibt es seit einem Jahr. Initiatorinnen ziehen Bilanz.

Kreis Freudenstadt - Das Projekt Anonymisierte Spurensicherung (PAS) besteht seit einem Jahr. Eine Frau hat in dieser Zeit die Möglichkeit genutzt, gerichtsverwertbare Spuren von erfahrener sexueller Gewalt im Freudenstädter Krankenhaus anonym sichern zu lassen.

"Es war immer klar, dass es in diesem Projekt nicht um Riesenfallzahlen gehen wird", sagte die Leiterin der Psychologischen Beratungsstelle Horb, Brigitte Anheier. Studienergebnisse zeigen jedoch, so das Vorstandsmitglied der Frauenhilfe Freudenstadt, Martina Kober, dass die anonymisierte Spurensicherung wichtiger denn je sei. Beide Institutionen waren maßgeblich an der Gründung von PAS beteiligt. Martina Kober legte Zahlen vor. 13 Prozent der in Deutschland lebenden Frauen ab 16 Jahren haben laut einer Studie eine strafrechtlich relevante Form von sexueller Gewalt erlebt. Zum Beispiel Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung. Nur fünf Prozent davon seien zur Anzeige gekommen. Die Verurteilungsquote von angezeigten Vergewaltigungen liege bei 13 Prozent.

Spuren werden zehn Jahre aufbewahrt

"Hinter diesen nüchternen Zahlen versteckt sich unheimlich viel Leid", sagte Brigitte Anheier. Aus ihrer Beratungsarbeit weiß sie, dass Frauen aus allen Bevölkerungsschichten von sexueller Gewalt bedroht sind oder sie erfahren. Gleichzeitig sei sexuelle Gewalt in der Gesellschaft dermaßen tabuisiert, dass knapp die Hälfte der betroffenen Frauen noch nie mit jemandem darüber gesprochen hat.

"Sexuelle Gewalt findet überwiegend im häuslichen Nahbereich statt", erklärte Kober. Zwei Drittel der Opfer erleben diese in der eigenen Wohnung durch den Lebenspartner oder jemanden aus dem Bekanntenkreis. "An einer Anzeige können ganze Familien zerbrechen oder der Freundeskreis verloren gehen", berichtete sie. Auch aus Rücksicht auf die eigenen Kinder verzichten Frauen auf eine Anzeige. Weit verbreitet sei auch das Argument der Opfer: "Man glaubt mir ja nicht." Es gebe auch die Angst, dass vor Gericht Aussage gegen Aussage stehe und der Täter dann nicht verurteilt werde.

Die Verurteilungsquote von sexueller Gewalt sei bundesweit stark zurückgegangen. Ein Grund dafür seien unter anderem die fehlenden Beweise für den sexuellen Übergriff, erklärte Kober.

Genau an diesem Punkt setze das Projekt PAS an. Die Spuren der sexuellen Gewalt werden nicht nur gerichtsverwertbar von eigens dafür ausgebildeten Frauenärztinnen am Freudenstädter Krankenhaus gesichert, sondern auch zehn Jahre aufbewahrt. Das erleichtere Frauen, die sofort nach der erlebten Vergewaltigung keine Kraft für eine Anzeige haben, die Anklage auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Zehn Jahre haben die Frauen dafür Zeit. Dann werden die Spuren vernichtet.

Die gerichtsverwertbar gesicherten Spuren erhöhen die Chance, dass ein Täter verurteilt wird. Konnten keine Spuren gesichert werden, müsse sich jede Beratungsstelle gut überlegen, ob sie einer betroffenen Frau überhaupt zur Anzeige rät. Denn, so erklärt Brigitte Anheier, die Frau muss nicht nur den Prozess durchstehen und eine mögliche Konfrontation mit dem Täter, was schon anstrengend genug sei. Falls es zu einem Freispruch des Täters komme, müsse das Opfer auch damit zurechtkommen.

Ohne das Freudenstädter Krankenhaus und die Unterstützung von Oberärztin Anzhela Albrecht wäre die Spurensicherung nicht möglich, betonte Martina Kober. Die Aufbewahrung der Spuren ist sicher und erfüllt den vom Gericht geforderten Standard. Finanzielle Unterstützung erfährt das Projekt durch die AOK Nordschwarzwald, die die Flyer-Druckkosten übernommen hat. Die Opferschutzorganisation Weißer Ring übernimmt die Kosten für die ärztliche Untersuchung und das Spezialset zur Spurensicherung. In das Projekt sind auch das Kreisjugendamt, donum vitae und das Stadtjugendreferat Horb eingebunden.

Erfreulich sei auch, so die Projektinitiatorinnen, dass sich im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg die Zahl der Anlaufstellen für die anonymisierte Spurensicherung erhöht hat.