Die drei syrischen Flüchtlinge Bassem Ase­ghair, Lokman Hadad und Belal Hadad gehören fest zur Rauschbart-Familie. Foto: Geideck

Keine Angst vor Alkohol und Schweinefleisch: Drei Syrer arbeiten in Biergarten kräftig mit.

Horb - "Wir schaffen das!" Dieser Satz von Angela Merkel ging um die Welt – und sorgte mitunter für Kritik. Nicht so auf dem Horber Rauschbart, wo Michael Singer und Christoph Steiglechner die Parole der Bundeskanzlerin in die Tat umsetzten und in ihrem Biergarten nun syrische Flüchtlinge beschäftigen.

Export, Pils, Weizen, süßes Radler, saures Radler und dann auch noch dieses ungewöhnliche Horber Ritterbier – da kann man vor dem Zapfhahn schon mal gehörig durcheinander geraten. Vor allem dann, wenn man aus einem Land kommt, in dem Bier nur in seltenen Fällen überhaupt auf der Karte steht. So wie bei Bassem Aseghair (33), Belal Hadad (27) und seinem jüngeren Bruder Lokman (21). Doch trotz Alkohol und Schweinefleisch packen die drei syrischen Flüchtlinge im Horber Rauschbart-Biergarten kräftig mit an – und sind dort inzwischen nicht mehr wegzudenken.

"Wir schaffen das" in die Tat umgesetzt

"Für uns ist das eine Selbstverständlichkeit, den Menschen, die Leib und Leben riskiert haben, um nach Deutschland zu kommen, hier eine Chance zu geben", sagt Michael Singer, der zusammen mit Christoph Steiglechner Chef des Rauschbart-Biergartens ist. "Gerade wenn christliche Werte am nötigsten sind, darf man sie doch nicht ablegen."

Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die "Wir schaffen das"-Parole ausgab, überlegten sich die beiden Rauschbart-Wirte, wie sie das in die Tat umsetzen können. "Wir wollen an der großen Politik partizipieren", verdeutlicht Singer. Der Biergarten, der 2012 zum schönsten Deutschlands gekürt wurde, nahm daher zu Beginn der Sommersaison Kontakt zum Horber Arbeitskreis Asyl auf und wurde dadurch auf Bassem Aseghair aufmerksam, der in Horb untergebracht war. Er stammt aus dem umkämpften Aleppo und war dort bereits mit Lokman und Belal Hadad befreundet, die im Frühjahr noch in einer Unterkunft in Stockach (Kreis Konstanz) lebten. Kurzerhand stellten Singer und Steiglechner die drei Freunde gemeinsam ein – wohlgemerkt jeweils mit einer versicherungspflichtigen Vollzeitstelle. "Das Arbeitsamt Horb hat das unkompliziert in die Wege geleitet. Das ging echt unbürokratisch über die Bühne. Das kennen wir als Selbstständige so gar nicht", lacht Singer.

Kontakt zur Familie tagelang abgerissen

Trotz der ungewohnten Speisekarte lebten sich die drei Syrer, die nun knapp die Hälfte des siebenköpfigen Biergarten-Personals ausmachen, auf dem Rauschbart schnell ein. "Natürlich war da am Anfang eine Sprachbarriere und manches musste man halt eine Minute lang länger erklären", meint Singer. Steiglechner ergänzt: "Wir hatten am Anfang etwas Angst vor einem möglichen Trauma. Es kam schon vor, dass ihr Kontakt zur Familie zwei Wochen lang abgerissen ist. Dann ist man mit dem Kopf natürlich ganz woanders. Das ist ja auch verständlich."

Doch inzwischen würden die drei Syrer fest zur Rauschbart-Familie gehören. Selbst bei Alkohol und Schweinefleisch hätten die Muslime keine Berührungsängste. "Sie möchten es halt selber nicht essen", meint Singer, der betont: "Wir haben drei wirklich gute Mitarbeiter hinzugewonnen."

Von Vorteil ist, dass Bassem Aseghair, der auf dem Rauschbart für die Hähnchen zuständig ist, in Aleppo selbst ein Restaurant besaß – mit Außenbewirtschaftung, ähnlich wie auf dem Rauschbart. Der Syrien-Krieg hat davon allerdings nicht viel übrig gelassen. Die beiden Hadad-Brüder teilen ein ähnliches Schicksal: Lokman war gerade dabei, seine Schulausbildung abzuschließen; Belal studierte Wirtschaft. Bomben und Massaker machten ihre Lebenspläne zunichte.

Auf einem Schlauchboot über das Mittelmeer

Vergangenes Jahr fassten die zwei Brüder den Entschluss, ihre zerbombte Heimat zu verlassen. In der Türkei bestiegen sie zusammen mit knapp drei Dutzend weiteren Flüchtlingen ein altes Schlauchboot und machten sich auf den lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer. Über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich landeten sie vor zehn Monaten schließlich in Deutschland. Einen Monat dauerte die Odyssee. "Mal sind wir gelaufen, mal ein Stück mit dem Zug gefahren", sagt Belal Hadad in schon ganz passablem Deutsch. Immer wieder hätten sie unterwegs ans Aufgeben gedacht.

Umso glücklicher sind die beiden Brüder, nun in Horb eine Chance zu bekommen – und das sogar zusammen mit ihrem Freund Bassem Aseghair. Außerdem: So gravierend seien die Unterschiede im gastronomischen Bereich zwischen Deutschland und Syrien gar nicht. Einzig: "In Syrien liegt mehr Fleisch auf dem Grill. Und es wird mehr getanzt", lacht Belal Hadad und meint: "Die Arbeit hier ist hart, aber gut."

Hoffnung auf berufliche Perspektive

Für die drei Syrer wird der Job oben auf dem Rauschbart wahrscheinlich nur eine Zwischenstation sein. Nach der Biergarten-Saison werden sie ihren Integrationskurs fortsetzen, dann wird man sehen. Lokman Hadad möchte gerne eine Ausbildung im Informatikbereich beginnen, sein Bruder Belal sein Wirtschaftsstudium fortsetzen.

Bis dahin heißt es aber erst einmal: kräftig auf dem Rauschbart anpacken. "Ehrlicherweise muss man auch sagen, dass es in der Gastronomie nicht leicht ist, Personal zu finden", sagt Singer. Mit den Syrern habe er aber gute Erfahrungen gemacht: "Die sind total motiviert und wissen, was zu tun ist. Sie sind Teil des Teams und gehören zu unserer Familie hier oben."

Da wundert es nicht, dass der Rauschbart mittlerweile – wenn auch nur auf 400-Euro-Basis – inzwischen einen vierten syrischen Flüchtling eingestellt hat.