Tränen konnten eine Angeklagte nicht vor Justizias Urteil bewahren: Sie muss wohl für elf Monate ins Gefängnis. Foto: dpa

Prozess: Angeklagte wird zu zehn Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Lange Liste an Vorstrafen.

Horb - Zum wiederholten Male musste sich eine Frau aus dem Kreisgebiet wegen Betrugs vor dem Horber Amtsgericht verantworten.

Konnte sie sich vor einigen Wochen noch durch ein Attest, das ihr eine krankheitsbedingte Verhandlungsunfähigkeit bestätigte, vor einer erneuten Verurteilung retten, so hieß es am Dienstagnachmittag: "Nichts geht mehr."

Amtsgerichtsdirektor Albrecht Trick, der bisher schon viel Geduld mit der gelernten Erzieherin aufbrachte, verpasste ihr bei diesem Verfahren nicht wie bei der Verurteilung im Mai einen "Warnschuss vor den Bug", sondern, um im Jargon zu bleiben, diesmal "eine volle Breitseite Mittschiffs".

Neun – davon acht gleich gelagerte – Betrugs-Fälle warf ihr Staatsanwalt Frank Grundke vor. Richter Trick bot dem Anklagevertreter deshalb entgegen aller sonstigen Gewohnheiten an, dass er die Anklagepunkte wegen derer Vielzahl auch im Sitzen verlesen könne, doch Grundke nahm es sportlich und hielt sich an das vorgesehene Prozedere.

Einmal hat die 33-jährige Angeklagte in einem Modehaus mit der Kreditkarte ihres Mannes eingekauft, obwohl sie wusste, dass keine Deckung vorhanden war. In den anderen acht Fällen hat sie Puppenhäuser und Plastikschüsseln bei einer bekannten Verkaufsplattform im Internet angeboten, obwohl sie überhaupt keine Ware zum Verschicken hatte. Staatsanwalt Grundke wertete dieses Verhalten als gewerbsmäßigen Betrug.

Es waren nicht die ersten ähnlich gelagerten Fälle, für die sich die Mutter von drei Kindern verantworten musste, sondern ihre "Karriere" zieht sich wie ein roter Faden seit 2004 durch ihr Leben. 2005 ging sie für ein halbes Jahr ins Gefängnis, 2006 musste sie die nächste Haftstrafe absitzen, 2008 wurde sie zu zwei Monaten ohne Bewährung verurteilt und 2011 musste sie wieder sechs Monate verbüßen.

Auf der Suche nach dem Grund für dieses ständige Fehlverhalten stießen die Juristen aber auf eine Mauer aus Tränen und Ausreden. Selbst ihr Mann, mit dem sie seit 2007 verheiratet ist und mit dem sie in Trennung lebt, wisse von ihren Aktionen nur sehr wenig, sagte sie auf Nachfrage. Nur: Ein Ehemann sollte es doch eigentlich merken, wenn seine Ehefrau und Mutter der Kinder immer mal wieder für ein paar Monate ins Gefängnis geht.

"Es ist das Schamgefühl, warum ich mit niemandem darüber rede", so die Angeklagte, die wie ein Häufchen Elend ohne Rechtsbeistand auf der Anklagebank saß. "Es gibt in meinem Leben immer wieder Phasen, da bin ich nicht bei mir", lautete ein Erklärungsversuch. "Wenn mich die Trauer über den Tod meiner Zwillinge überkommt, wenn ich an meine erste Fehlgeburt denke, dann überkommt’s mich." Sprechen könne sie mit niemandem über dieses Trauma.

Zu ihren persönlichen Lebensumständen befragt, bot sich zwar ein Bild einer zerrütteten Ehe, doch einer ansonsten mühsam aufrecht erhaltenen gut bürgerlichen Fassade. Schulden in Höhe von 10 000 bis 15 000 Euro hätten sich aus Zeiten, als sie willkürlich im Internet einkaufte, angehäuft und die letzte Eidesstattliche Versicherung habe sie 2014 abgegeben. Ansonsten versuchte sie per Vogelstrauß-Technik (Kopf in den Sand) ihre Probleme auszublenden.

Ihre kurzzeitige Bewährungshelferin schilderte dem Gericht, dass es ihr in den sechs Wochen der Betreuung nicht möglich war, an die Frau heranzukommen. "Haben sie mal versucht mit ihrem Mann zu sprechen?", fragte der Vorsitzende nach. "Natürlich – ich bin sogar an einem Samstag unangemeldet dreimal zu unterschiedlichen Tageszeiten dort vorbeigefahren und habe versucht, mit ihm einen Kontakt herzustellen, leider erfolglos. Ich kann ihnen nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob es einen Herrn XYZ überhaupt gibt."

Albrecht Trick warf der Angeklagten vor, dass sie mit den Leuten, die ihr beistehen wollten, nicht offen sei. "Ich weiß nicht, wie ich das ändern kann", sagte die Frau unter Tränen. Auch der Hinweis, dass sie doch schon im Gefängnis war, die furchtbare Situation, wenn sie sich vor Haftantritt von den Kindern verabschieden musste, nutzte nichts. Die Frau saß nur da, versuchte die Tränen zu unterdrücken und reagierte verstört.

"Sie betrügen seit zehn Jahren – wo soll das denn hinführen als wieder ins Gefängnis?", so die rhetorische Frage des Staatsanwalts. "Das sehe ich genauso", schloss sich der Vorsitzende an. Was der Amtsgerichtsdirektor überhaupt nicht verstand, das war die absolute Untätigkeit der Beschuldigten nach dem letzten Urteil im Mai. "Da habe ich sie zu einem Monat verurteilt und erwartet, dass da irgendwas passiert, was sie wach rüttelt. Ich habe Ihnen damals klipp und klar gesagt wohin die Reise geht" – nämlich ins Gefängnis!

Die Staatsanwaltschaft forderte zehn Monate ohne Bewährung, das Gericht schloss sich dieser Strafzumessung an. "Falls das Urteil rechtskräftig wird, dann gehen sie für elf Monate (inklusive dem Monat aus der Mai-Verurteilung) in den Knast – und zwar ohne Kinder", so die glasklare Ansage am Ende dieser Verhandlung.