Das Gericht verurteilte einen 28-Jährigen zu sieben Monaten Haft wegen sexueller Belästigung. Symbolbild. Foto: Shutterstock/Couperfield

Gericht verurteilt 28-Jährigen zu sieben Monaten Haft wegen sexueller Belästigung.

Horb - Für einen jungen Mann, der in Horb wohnt, wurde ein versuchter Zungenkuss nicht nur zur schmerzhaften, sondern auch teuren Angelegenheit.

Wegen dem Vorwurf der sexuellen Nötigung musste er sich dafür vor dem Schöffengericht Horb verantworten und wurde dafür zu einer siebenmonatigen Haftstrafe verurteilt. Die Tatsache, dass man auch einer Bekannten, "mit der man zwei, drei Mal in der Kiste war", nicht einfach so und vor allem nicht mit Gewalt "die Zunge in den Hals stecken darf", wie es die Klägerin selbst formulierte, wird er nach dieser Verhandlung sicher nicht mehr vergessen.

Nach Angaben aller Prozessbeteiligter hat sich die Geschichte in der Walpurgisnacht vom 30. April auf den 1. Mai dieses Jahr zugetragen. Soweit waren sich auch der Angeklagte und die Betroffene einig. Ab dann gingen aber ihre Schilderungen des Geschehens weit auseinander. Der Beschuldigte, gerade mal 28 Jahre alt, offenbarte bei seiner Aussage alle Anzeichen einer aufkommenden Demenz. "Ich weiß das nicht mehr so genau", sein Standardsatz auf jede Art von Fragen. Egal ob es sich um Uhrzeit, Tage, Vorgeschichte oder was immer auch handelte.

Für ihn war klar, dass er mit der ganzen Sache nichts zu tun habe, da er die Klägerin in dieser Nacht nur zufällig in einer inzwischen geschlossenen Bar in Horb getroffen habe. "Ich habe vor ihr das Lokal verlassen und bin schnurstracks ins ›Marktstüble‹ marschiert." Er hätte dabei mit niemand gesprochen, die Marianne S. (Name geändert) weder getroffen, geschweige denn sexuell belästigt. Er vermute hinter der ganzen Geschichte einen Komplott gegen sich, da die Marianne was von ihm wollte, er aber keine feste Beziehung eingehen möchte.

Später kam noch heraus, dass die Familien der beiden nicht gut auf sich zu sprechen seien, da die Schwester des Angeklagten unter anderem eine Betrugsmasche auf Kosten der Klägerin abgezogen habe.

Ja, Anfang des Jahres habe er mal eine kurze Beziehung mit der Marianne gehabt, aber das sei schon lange aus. Auf die Frage von Amtsgerichtsdirektor Albrecht Trick, warum er dann annehme, dass die Frau ihn dann erst ein Vierteljahr später mit einer falschen Beschuldigung belasten wolle, konnte er nur antworte: "Gute Frage – keine Ahnung."

Die Geschädigte selbst, gesundheitlich stark angeschlagen, stellte sich trotzdem den Fragen von Richter, Staatsanwalt und Verteidiger. Sie schilderte die Vorgänge in der Nacht folgendermaßen. Sie habe sich kurzfristig dazu aufraffen können, der Bitte eines Bekannten, der in dieser Nacht zufällig in Horb war, zu folgen, um sich mit ihm in der Gaststätte in der Hirschgasse auf ein kurzes Hallo und einen Drink zu treffen. Also habe sie ihre Schwester angerufen, die mit einer weiteren Bekannten bei ihr in Mühlen vorbeischaute, um sie nach Horb zu fahren. Vereinbart war, dass die beiden Frauen (Schwester und Bekannte) sie etwa eine halbe Stunde später wieder aufsammeln.

Und genau auf dem kurzen Weg von der Bar zum Treffpunkt hätte sie der Angeklagte auf Höhe Steinhaus abgepasst, sie gegen die Kirchenmauer gedrückt und ihr die "Zunge in den Hals gesteckt." "Ich hab dem dann auf die Zunge gebissen und konnte mich losreißen", so ihre weiteren Schilderungen.

Aber was dann kam, war selbst für die Betroffene nicht mehr ganz nachvollziehbar. Anstatt laut um Hilfe zu rufen, habe sie mit ihrer Schwester telefoniert und mit ihrem Bekannten per WhatsApp gechattet. Ein Umstand, der noch zu recht viel Fragebedarf aller maßgeblicher Prozessbeteiligter führte.

Vor allem der Verteidiger ritt bei allen sechs Zeugen penetrant auf diesem Thema herum. Seine Fragetechniken verursachten Bauchweh bis ins Publikum, denn bei ihm hatte man das Gefühl, er könnte Zeuge und Beschuldigten nicht wirklich auseinanderhalten. Auch arbeitete er mit Tricks. So forderte er eine zehnminütige Pause nach der Hauptaussage der Klägerin. Dass diese in dieser Zeit mit ihrer Schwester sprach, wertete er dann als Zeugenbeeinflussung.

Ständig verwechselte er Fakten und Aussagen und ließ sich den Chatverlauf vom Richter bei jeder seiner "Befragungen" vorlesen. Auf die Idee, sich die Zeiten zu notieren, kam der forsche Jurist jedoch nicht. Seine Befragungen zogen den Prozess derart in die Länge, dass sogar der sehr ruhig agierende Staatsanwalt hie und da eingriff und der Vorsitzende so manche Frage als beantwortet wertete. Allein die Klägerin wurde nahezu eine Stunde "durch die Mangel gedreht", wie es Richter Trick später nannte.

Zu allem Unglück erschien auch ein Zeuge, der Bekannte, mit dem sich die Marianne treffen wollte, nicht zur ursprünglich geladenen Uhrzeit. Also musste der Richter dem arbeitslosen jungen Mann hinterhertelefonieren, ihm ein sattes Bußgeld von 1000 Euro androhen, um den Herren dann am Nachmittag in seinem Gerichtssaal zu sehen.

Letztlich bestätigte die sehr aufwendige Zeugenbefragung – es wurden noch ein Polizist, die Schwester der Klägerin sowie deren Freundin und der Kneipenwirt gehört – das Bild, das die Klägerin zeichnete. Der Beschuldigte war vor Ort, doch was tatsächlich geschah, das hat niemand mitbekommen. Es stand Aussage gegen Aussage, doch die Ausführungen der jungen Frau schienen dem Schöffengericht wesentlich glaubhafter. "Es lag nie ein Belastungseifer vor, es gab kein Falschbelastungsmotiv und die Schilderungen der Klägerin machten auf uns einen realen, in keiner Phase konstruierten Eindruck", so die Wertung des Gerichts.

Sieben Monate Haft, deren Vollzug auf zwei Jahre Bewährung ausgesetzt sind, 50 Soziale Arbeitsstunden und die Kosten des Verfahrens schienen als Strafe für diese sexuelle Belästigung sowohl dem Gericht als auch der Staatsanwalt ausreichend. Zudem muss sich der Verurteile einem Bewährungshelfer unterstellen.