Am heutigen "Tag des Wolkenkratzers" rücken wir Horbs höchste Gebäude in den Mittelpunkt

Von Martina Lachenmaier

Horb. In Horb gibt es keine Wolkenkratzer. Sie sind die Domäne der großen Städte. Während die Metropolen-Architektur im Höhenrausch liegt, bleibt man in Horb eher auf dem Boden.

Hohe Gebäude gibt es aber auch in Horb. Welches Horber Gebäude ist das höchste in Horb? Den meisten Horbern fällt dazu die Stiftskirche ein, die als Wahrzeichen der Stadt hoch auf dem Bergsporn thront. Nicht schlecht geschätzt. Aber der Kirchturm der Stiftskirche schafft es mit 46,20 Metern nur auf Platz zwei der Horber Wolkenkratzerliste. Auch der Burgstall wird genannt.

Weil das Gebäude mit Parkhaus im unteren und Wohnungen im oberen Teil in den Berg gebaut ist, fällt es als hohes Gebäude nicht gleich ins Auge. Aber auf stattliche 34,80 Meter kommt es dennoch und liegt damit auf Platz drei. Spitzenreiter ist allerdings ein Industriegebäude. Der Siloturm der Rettenmeier-Mühle im Industriegebiet "Heiligenfeld" ist mit 50 Meter Höhe das höchste Gebäude der Stadt und damit Horbs Wolkenkratzer – auch wenn er nicht hoch genug ist, um an den Wolken zu kratzen. Die Höhenangaben hat die Horber Stadtverwaltung zur Verfügung gestellt.

Dieter Rettenmeier, der Seniorchef des Unternehmens, erklärt, warum das Silogebäude so hoch ist. In erster Linie seien es wirtschaftliche Gründe. "Will man eine Nutzfläche auf engem Raum errichten, so ist es kostengünstiger, in die Höhe zu bauen." Der umbaute Raum eines Siloturms ist günstiger als wenn man eine Lagerhalle für das Getreide bauen würde. Aber auch die betriebliche Zweckmäßigkeit sei ausschlaggebend für den Siloturm. In den 40 übereinander angeordneten Getreidezellen wird das Getreide bis zur Weiterverarbeitung in der Mühle gelagert. "Müsste man dafür ein Lager mit vielen Lagerboxen bauen, wäre dafür eine sehr große Grundfläche nötig", informiert Dieter Rettenmeier.

Zudem würde das Entleeren und Säubern der Lagerboxen einen viel höheren Aufwand erfordern als bei den Silos, die sich durch den trichterförmigen Auslauf von selbst entleeren. Das Silogebäude der Mühle wurde übrigens 2012 in modernster Gleitschalungstechnik rund um die Uhr im Schichtdienst gebaut. Der Turm wurde an einem Stück betoniert, indem die Gleitschalung allmählich nach oben verschoben und mit Beton befüllt wurde.

Über diese moderne Bautechnik verfügte der Kirchenbaumeister der Horber Stiftskirche nicht. Hier wurde Stein auf Stein gemauert. Dass Kirchtürme oft zu den höchsten Gebäuden zählen, hat seine Gründe, wie der Architekt des bischöflichen Bauamts der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Ralf Schneider, anhand der Baugeschichte erklärt.

Im frühen Mittelalter dienten Kirchtürme vielerlei Zwecken. Im Zusammenhang mit Burgen oder im Bereich einer Vorburg handelte es sich dabei oft um einen Bergfried oder Burgturm. Von ihm herab ließ sich das Gelände gut beobachten und Feinde konnten schnell erkannt werden. Hohe Gebäude zu damaliger Zeit waren auch wichtig, weil darin das Glockengeläut untergebracht war, das den Einwohnern nicht nur die Stunde schlug, sondern auch bei Bränden oder bevorstehenden Angriffen Sturm läutete.

In mittelalterlichen Städten übernahm diese Aufgabe der Türmer. Er wachte in der Türmerwohnung über die Stadt. "Je größer eine Stadt war, umso höher mussten die Türme sein", erzählt Schneider. Türme seien aber auch ein Prestigeobjekt. Je höher sie sind, umso mehr Aufmerksamkeit gab es für den Bauherrn. Das erklärt, warum sich in manchen Städten Bürgerschaft und Klerus in den Turmhöhen einen Wettstreit lieferten. Türme seien in der Baugeschichte aber auch deshalb so hoch, damit sie zur Ehre Gottes gereichten, erklärt Ralf Schneider. Und nicht zuletzt seien Türme im Zeitalter des Uhrenbaus wichtig, weil die hoch oben angebrachte Turmuhr von überall her zu sehen war.

Es gibt also viele Gründe in die Höhe zu bauen: wirtschaftliche, politische oder solche, die Betriebsabläufe optimieren. Auch wenn die höchsten Horber Gebäude nicht in schwindelerregende Dimensionen vorstoßen und an den Wolken kratzen – wie eintönig wäre das Stadtbild ohne sie?