Besorgte Eltern und um ihre berufliche Existenz kämpfende Hebammen trafen sich gestern in Dießen um mit Informationsmaterial an Luftballons auf die bedrohliche Situation der Geburtshelferinnen hinzuweisen. Foto: Hopp

Protest von Eltern am internationalen Hebammentag. Hohe Versicherungsbeiträge machen den Job unattraktiv.

Horb-Dießen - Thalita Wössner fühlt sich sichtlich wohl. Sie spricht mit Eltern, tätschelt die Babys und lächelt fast immer. Bis zu dem Moment, wo sie mit gut 40 Eltern schwarze Luftballons in die Luft lässt.

Sie schaut nachdenklich hinterher und sagt: "Wir haben Angst um das Geburtshaus. Und ich weiß nicht, ob ich in diesem Beruf noch eine Zukunft habe."

Der Grund für die Zukunftsangst der Hebamme hängt an den schwarzen Ballons. Eine Karte mit schwarzen Rand, auf der steht: "Ab dem 1. Juli 2016 werden die freiberuflichen Hebammen nach dem heutigen Stand der Dinge nicht mehr haftpflichtversichert sein. Kämpft mit den Hebammen gemeinsam für Eure und die Rechte Eurer Kinder auf Hebammenhilfe sowie das Recht auf die Wahl des Geburtsortes!"

Denn: Die Hebammen geraten immer mehr in die Klemme zwischen dem Kliniksterben und der immer weiter steigenden Haftpflichtversicherung. Wössners Kollegin Silvia Kittel, einzige verbliebene Beleg-Hebamme am Krankenhaus in Herrenberg, sagt: "Vor acht Jahren habe ich mich als Hebamme selbstständig gemacht. Damals lag die Haftpflichtprämie bei 1000 Euro im Jahr. Derzeit liegt sie bei 5100 Euro, im nächsten Jahr wird sie bei 6100 Euro liegen."

Und das, obwohl die gesetzlichen Krankenkassen sich bereit erklärt haben, für die Mehrkosten der Versicherung im Jahr 2015 aufzukommen. Kittel sagt: "Die steigenden Prämien für die Haftpflichtversicherung führt dazu, dass immer mehr Hebammen aufhören. Was für die verbliebenen bedeutet: Immer weitere Fahrten. Bis zu 70 Kilometer muss ich für eine Hausgeburt fahren. Das heißt, dass ich teilweise auf einen Stundenlohn von sieben Euro komme." Die monatlichen Fixkosten für eine freiberufliche Hebamme belaufen sich laut Kittel auf bis zu 4000 Euro im Monat!

Und auch die junge Kollegin Wössner bangt. Denn: Das Geburtshaus in Horb-Dießen bietet neben den stationierten Hebammen auch ein Geburtszimmer, in dem die Mütter wahlweise den Hocker, das Bett oder die Wassergeburt wählen können. Heißt aber auch: hohe Fixkosten. Und im Krankenhaus möchte Wössner nicht arbeiten: "Das geht da teilweise zu wie am Fließband." Und besser dürften die Zustände dort auch nicht werden, wenn immer mehr Geburtsstationen schließen. Hebamme Wössner: "Nur die freiberufliche Hebamme garantiert die 1:1-Versorgung. Da gibt es für werdende Mütter immer denselben Ansprechpartner. Und keinen Schichtwechsel wie im Krankenhaus und ständig neue Personen, auf die man sich einlassen muss."

Und genau das war der Grund für Eva-Maria Öfner und Daniel Gemeinder aus Bondorf bei Herrenberg, im Geburtshaus Horb ihr Kind zur Welt zu bringen. Die Mutter: "Bis zum dritten Monat war mir das alles suspekt mit Hausgeburt. Doch je mehr ich mich damit beschäftigt habe, desto weniger Angst hatte ich. Für mich ist eine Geburt kein medizinischer Notfall, der ins Krankenhaus gehört. Hier im Geburtshaus war es unheimlich entspannt, ich habe ein Vertrauensverhältnis zur Hebamme, die immer dabei ist." Vater Daniel: "Die Zeit vor und nach der Geburt hier ist super. Ich konnte mir meinen Jakob schnappen und gleich an die frische Luft gehen. Die Geburt war eine Zeit, in der ich hier im Geburtshaus alles mitbekommen habe und wo wir uns als Familie näher gekommen sind."

Doch wie lange kann das mit den Hebammen noch funktionieren? Dorothea Fritz, die das Hebammenhaus betreibt, war gestern übrigens beim Aktionstag der Hebammen nicht dabei. Eine Hausgeburt... Auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Saskia Esken hat sich mit Hebammen aus den Kreisen Calw und Freudenstadt getroffen. Sie setzten einen gemeinsamen Brief an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) auf, in dem sie sich für eine "nachhaltige Besserstellung in der Finanzierung und Absicherung" der Hebammen stark macht. Esken selbst habe als dreifache Mutter die Unterstützung der Hebammen als "sehr wertvoll" erlebt. Laut Esken stellt sich der Beruf "eher als ein schlecht bezahltes Hobby" dar. Heike Klumpp, Vorsitzende des Kreisverbandes Freudenstadt des Deutschen Hebammenverbandes: "Das kommt für viele quasi einem Berufsverbot gleich, da ohne Versicherung keine Tätigkeit als Hebamme möglich ist."