Hochgerechnet für rund 757 hätte die Menge gereicht, die bei einem 43-Jährigen sichergestellt wurde. Foto: Karmann

Pflanzen stehen am Fenster. Angeklagter: "Dass die Pflanzen so groß werden, ahnte ich nicht".

Horb - Ein heute 43-Jähriger, der in einem Horber Stadtteil wohnt, musste sich am Dienstag vor dem Schöffengericht wegen der vorsätzlichen unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verantworten.

Da es sich beim Anbau von Betäubungsmitteln – in diesem Fall Cannabis, aus dem Marihuana gewonnen wurde – um eine Straftat gegen die Volksgesundheit handelt und der Gesetzgeber hier hohe Strafen androht und bei nicht geringer Menge eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr vorsieht, wurde vor dem Schöffengericht verhandelt.

Der Mann hatte am Fenster seiner Wohnung fünf Hanfpflanzen stehen, die so groß waren, dass man sie auch über den Sichtschutz hinaus gut von der Straße aus sehen konnte. Dies führte am 24. Oktober 2015 zu einer Hausdurchsuchung beim Beschuldigten, an der vier Beamte des Horber Polizeireviers teilnahmen. Gefunden wurden 299,8 Gramm Marihuana von höchster Güte. Eine Menge, aus der man 757 Konsumeinheiten hätte herstellen können, wie das untersuchende Labor hochrechnete.

Da es beim Angeklagten keinerlei Hinweise auf das Handeltreiben mit dem Stoff gab, und man bei der Hausdurchsuchung weder Waage noch Zip-Beutel oder Wechselgeld fand, er auch nie in der Drogenszene auffällig wurde, fragte ihn Amtsgerichtsdirektor Albrecht Trick, was er denn mit dem ganzen Stoff machen wollte. "Rauchen", so die klare Antwort. Seit 27 Jahren konsumiert der Beschuldigte nun schon Marihuana, wie er unumwunden zugab. Da er seit diesem Jahr arbeitslos ist und vorher auch nicht gerade viel verdient habe – zuletzt netto 1050 Euro – habe er sich Samen der Hanfpflanze besorgt und fünf Pflänzchen für den Eigenbedarf großgezogen. "Das die so groß werden und so eine gute Ernte abwerfen, habe ich nicht ahnen können", so ein schwacher Einwand des Beschuldigten. "Das hätte ja zwei Jahre gereicht", wunderte sich der Anklagevertreter. "Das wäre gut für mich gewesen", so die Einlassung des Hobby-Gärtners, der für sich feststellte, dass mit Cannabis bei ihm alles leichter geht. "Ich schlafe besser, habe Appetit und muss nicht so viel Bier trinken", schilderte er die Pluspunkte, die ihm das Kiffen bringt.

Die lange Zeit des Drogenkonsums, zwei "demonstrativ, alternative Suizidversuche", wie es der Sachverständige nannte, und ein schon länger zurückliegender Aufenthalt in einer Psychiatrie – "ich war ein bisschen depressiv" – veranlassten Richter Trick, eine Sachverständigen einzuschalten, der während einer Exploration am 4. Februar feststellte, dass man bei dem Beschuldigten weder psychotische noch andere, zwangsproblematische Störungen feststellen könne. Sein 31-seitiges, schriftliches Gutachten quetschte der Fachmann, der für seine ausführlichen Vorträge ohne Punkt und Komma bekannt ist, in eine halbe Stunde Redezeit. Für ihn wenig, doch im Kern seiner Aussage stellte er lediglich fest, dass der Angeklagte voll strafmündig ist. "Zu einer Persönlichkeitsveränderung, trotz der langen Drogen- und vermutlich auch Alkoholabhängigkeit, ist es nicht gekommen", attestierte der Fachmann, der aber riet, dass der Beschuldigte mal nach seinem Blutdruck schauen sollte.

100 Stunden sozialer Arbeit kommen auf den 43-Jährigen zu

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft fragte noch nach, ob der Mann nicht vielleicht ein Fall sei, dem man von staatlicher Seite Cannabis als Medizin zur Verfügung stellen könne und ging dabei auf die neue Gesetzgebung ein. "Da hat der Gesetzgeber sehr hohe Hürden gesetzt", wusste der Vorsitzende, der glaubt, dass diese Hürden in Deutschland gerade Mal 100 Personen genommen haben. "Und der Herr (...) gehört hier mit Sicherheit nicht dazu."

Die Sachlage war klar, der Mann auf der Anklagebank geständig, und für den Anklagevertreter stand fest, dass man aufgrund der kriminellen Energie, die der Beschuldigte aufgebracht hat um seine Pflänzchen großzuziehen und die erhebliche Erntemenge den Fall zumindest als minderschweren Fall abstrafen müsse. Er forderte eine Haftstrafe von sieben Monaten, die man auf drei Jahre zur Bewährung aussetzen könne, 150 Sozialstunden sowie mindestens drei Gespräche mit der Suchtberatungsstelle als flankierende Maßnahmen. Der Verteidiger zeigte sich vom Antrag des Staatsanwaltes entsetzt und plädierte selbst auf eine Verwarnung mit Strafandrohung. Man habe so nach wie vor das Recht, dem Beschuldigten Weisungen zu erteilen, fügte er an. Des Weiteren wollte er die 150 Stunden Arbeit in 90 Tagessätze Geldstrafe umgewandelt sehen. "Der Angeklagte hat niemand gefährdet – nicht einmal sich selbst. Und das Gericht sollte ihm den Weg in eine straffreie Zukunft nicht verbauen."

Das Gericht wertete die Straftat anders und folgte weitgehendst dem Antrag des Staatsanwaltes. Sie verurteilten den Mann zu sieben Monaten Freiheitsentzug auf drei Jahre zur Bewährung, 100 Stunden sozialer Arbeit und den Kosten des Verfahrens. Weiterhin muss er sich im ersten Jahr der Bewährungszeit einem Bewährungshelfer unterstellen und je zwei Gespräche mit der Sucht- und Schuldnerberatungsstelle nachweisen.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Täter voll schuldfähig ist und glaubt, dass man durch die Bestellung eines Bewährungshelfers dem Mann eine Ansprechperson an die Seite gibt, die ihm Hilfestellung bei der Bewältigung der Aufgaben bietet.