Übergangslösung Ärgernis für Autofahrer. Besserung jedoch vorerst nicht in Sicht. Mit Kommentar und Video

Horb-Talheim - Der Handbetrieb am Bahnübergang bei Talheim: Für viele Autofahrer, die dort unterwegs sind, stellt die Übergangslösung ein Ärgernis dar. Doch bessere Möglichkeiten sind nicht in Sicht. Und auch die geplante Brücke wird trotz der potenziellen Gefahr wohl nicht schneller gebaut.

Es waren wahrscheinlich nur Zentimeter, die einen Autofahrer im Dezember 2014 vor dem Tod bewahrten: Der Mann überlebte den Zusammenstoß mit einer S-Bahn an einem Bahnübergang nur knapp. Der Schauplatz: Witten, eine Stadt im Südosten des Ruhrgebietes in Nordrhein-Westfalen. Die Unfallursache: Die Bahnschranke war außer Betrieb, mit Flatterband sollte der Übergang abgesperrt werden. Von einem Bahnübergangsposten.

Eine Sicherungsmethode, die mittlerweile jedem vertraut sein sollte, der seit September 2015 den Bahnübergang bei Talheim passieren muss.

Der Unfall in Witten ist ein Fall, der ein erschreckendes Schlaglicht auf die Gefahren wirft, die derzeit auch im Raum Horb drohen könnten. Das macht nicht zuletzt ein Blick in den Bericht der Eisenbahn-Untersuchungsstelle des Bundes deutlich, der sich mit dem Fall in Witten beschäftigt. Dort heißt es unter anderem: "Der Einsatz von Bahnübergangsposten (BÜP) und Hilfsposten (also Menschen, die vor Ort für eine Sicherung sorgen, Anm. d. Red.) muss grundsätzlich als risikobehaftete Tätigkeit angesehen werden." Und weiter: "Auch durch den Einsatz einer TH-BÜP (transportables Hilfsmittel zur Unterstützung eines BÜP, also beispielsweise eine mobile Ampel, Anm. d. Red.) bleibt das Restrisiko einer unzeitigen Bedienung der Anlage."

Trotz dieser Bewertung sind Sicherungen per Hand in Deutschland nichts ganz und gar Ungewöhnliches. Laut einer Statistik der Bahn waren von den 1350 Bahnübergängen in Baden-Württemberg im Jahr 2014 insgesamt 40 zumindest zeitweise auf diese Art gesichert. "Damit jedoch wird keine qualitative Aussage über die Dauer des Einsatzes getroffen", erklärt eine Sprecherin der Bahn.

Schaltung, die Ampel oder Schranke aktivieren könnte, theoretisch denkbar

"Die Posten werden in dem Zeitfenster eingesetzt, das zur Reparatur der technischen Sicherung am Bahnübergang benötigt wird." Oft handle es sich dabei nur um Stunden. "Muss jedoch ein besonderes Ersatzteil beschafft werden oder sind zusätzliche Planungen erforderlich, kann der Zeitraum auch länger sein", räumte die Sprecherin ein.

Spätestens bei dieser Aussage stellt sich die Frage, warum die Bahn auf solche Anlagen-Ausfälle nicht besser vorbereitet zu sein scheint – handelt es sich bei der Sicherung per Hand ja offenbar nicht um seltene Einzelfälle.

Eine Frage, die durchaus berechtigt ist, wie Recherchen unserer Zeitung ergeben haben. Denn die Regelung per Handbetrieb könnte durch den Einsatz weiterer Sicherheitstechnik wohl zumindest ergänzt werden, wie die Bahn indirekt einräumte.

So löst derzeit, sollte die Ampel nicht in Betrieb sein, jeder ankommende Zug bereits einen Kontakt aus, der ein akustisches Signal verursacht. Also wäre wahrscheinlich auch eine weitergehende Schaltung, die die Ampel oder eine mögliche Schranke aktivieren könnte, denkbar. Allerdings: "Mobile Anlagen, die solche Voraussetzungen erfüllen, sind derzeit nicht verfügbar", erklärte ein Bahnsprecher.

Wer seine Hoffnungen in dieser verfahrenen Situation nun darauf setzt, dass sich möglicherweise der Bau der Brücke beschleunigt, die 2018 den Bahnübergang unnötig machen soll, wird übrigens vermutlich auch enttäuscht.

So teilt das Regierungspräsidium Karlsruhe mit, dass der "Vorentwurf zur Beseitigung des Bahnübergangs durch den Bau einer Brücke" zwar bereits im vergangenen Jahr an das baden-württembergische Ministerium für Verkehr und Infrastruktur (MVI) gesendet worden sei. Die Genehmigung für diesen Vorentwurf sei jedoch erst Ende März dieses Jahres eingetroffen.

"Die Baumaßnahme ist im Maßnahmenplan des Landes BW enthalten", schreibt das Regierungspräsidium. "Wir beabsichtigen nun, die Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren zu erstellen und bemühen uns, diese bis zum Jahresende zu erstellen."

Wann mit dem Bau begonnen wird, ist wohl noch eine Weile offen

Der Baubeginn der Brücke ist damit aber noch immer nicht in trockenen Tüchern. Denn, so das Regierungspräsidium: "Danach kann das Planfeststellungsverfahren beim Planfeststellungsreferat im RPK beantragt werden."

Wann mit dem Bau begonnen wird – geschweige denn, wann die Brücke fertig sein wird –, ist somit also wohl noch eine Weile offen.

Letztlich bleibt den Autofahrern derzeit also nur eines übrig: Sich daran zu erinnern, dass ein Andreaskreuz – wie es auch am Talheimer Bahnübergang steht – immer den Schienenfahrzeugen Vorrang gewährt. Und niemand der Gewohnheit nachgeben sollte, sich nur auf die dortige Ampel zu verlassen.

Ob diese Vorschrift jedoch auch an dem zum Teil schwer einsehbaren Bahnübergang Talheim in jeder Situation weiterhilft, dürfte von vielen Faktoren abhängen – nicht zuletzt von der Geschwindigkeit des kommenden Zuges und der eigenen Reaktionszeit.

Kommentar: Inakzeptabel

Von Ralf Klormann

Wie geht es weiter mit dem per Hand gesicherten Bahnübergang bei Talheim? »Muss denn noch jemand ums Leben kommen, bevor da was gemacht wird?«, hatte unlängst ein Leser gefragt. Fraglos, dass dies nicht geschehen darf. Und auch der Hinweis, dass ein Andreaskreuz für kundige Autofahrer Warnung genug sein müsste, klingt wie Hohn in den Ohren jener, die bislang glaubten, sich auch auf Ampeln jederzeit verlassen zu können. Zumal es eine technische Möglichkeit zu geben scheint, jene Ampeln durch ankommende Züge automatisch einzuschalten. Die Aussage der Bahn, dass solche Anlagen momentan eben nicht verfügbar seien, kann nur schwer akzeptiert werden. Besser wäre es, wenn das Verkehrsunternehmen einfach jene Technik beschaffen würde, die es derzeit offenbar nicht hat. So viel sollte die Sicherheit der Menschen wert sein.