Heimatgeschichte: Der Platzbrunnen und seine Figur: Teil 2 / Statue zeigt den Habsburger Ferdinand II. von Österreich-Tirol

Das Ritterstandbild auf dem Brunnen am Unteren Markt sollte Graf Rudolf von Hohenberg darstellen. So weit war man Anfang des 20. Jahrhunderts. Doch man saß einem Irrtum auf.

Horb. Der Irrtum geht wohl auf Informationen des Oberpräzeptors Heberle zurück, der im darauffolgenden Jahr in den Blättern des württembergischen Schwarzwaldvereins anlässlich der in Horb stattfindenden Hauptversammlung eine Abhandlung zur Geschichte der Oberamtsstadt schrieb und über den Platzbrunnen Folgendes ausführte: "Die Brunnensäule schmückt das Standbild Graf Rudolfs von Hohenberg, in vollem Harnisch mit dem Orden des goldenen Vließes und Schwert und Schild." Der Haken an dieser Deutung findet sich in der Erwähnung des ritterlichen Ordensschmucks, den es selbst zu Lebzeiten des letzten gleichnamigen Hohenbergers aus der Rottenburger Linie noch gar nicht gab. Das burgundische Toison d’or wurde erst 1430 von Herzog Philipp dem Guten gestiftet und seit Kaiser Maximilian I. stammen bis auf den heutigen Tag alle Souveräne des Ordens vom Goldenen Vlies aus habsburgischem Hause.

Und weil sich historische Irrtümer gerade in Horb sehr hartnäckig halten, stand für Josef Klink bei der Herausgabe seines Horber Stadtführers in den siebziger Jahren lediglich nicht fest, ob es sich bei dem Ritterstandbild um die Darstellung von Rudolf I. oder dessen Enkel Rudolf III. von Hohenberg handelt. Diese Zuschreibung sollte sich weiterhin in Horb hartnäckig halten, bis Joachim Lipp, der Vorsitzende des Kultur- und Museumsvereins, 1995 in einer Abhandlung klarstellen konnte, dass es sich bei der Brunnenfigur eindeutig um den Habsburger Ferdinand II. von Österreich-Tirol handelt.

Horber finanzieren Brunnen mit Konsum von Bier und Wein

Erzherzog Ferdinand II. überließ nämlich nach einer verheerenden Hochwasserkatastrophe im Mai 1578 der Stadt für fünf Jahre die ihm zustehende Hälfte des Umgelds, eine Art Mehrwertsteuer, die einst vor allem auf Wein und Bier erhoben wurde. Die Horber müssen dem Wein und dem Bier so stark zugesprochen haben, dass trotz des großen Schadens im Jahr darauf dank der von der Herrschaft zugesagten Einnahmen offensichtlich auch noch Geld für den Bau von zumindest zwei eindrucksvollen Renaissancebrunnen aufgebracht werden konnte. Aus Dankbarkeit ließ die Stadt auf die Säule des 1579 neu errichteten Platzbrunnens ein lebensgroßes Ritterstandbild des großzügigen habsburgischen Stadtherren stellen, der ein besonderes Faible für Prunkrüstungen besaß und seit 1557 dem Ritterorden vom Goldenen Vlies angehörte.

Aber nicht nur in der personalen Zuordnung, sondern auch im Aussehen und in der Ausrüstung hat die Brunnenfigur mehrfach einen Wandel vollzogen. Auf dem Foto aus dem Jahr 1921 stützt sich der Ritter mit der Rechten auf ein mächtiges Schwert. Um 1870 hatten ein paar jugendliche Vertreter der Horber Bildhauerschule sogar dafür gesorgt, dass der mit einem Schwert bewaffnete Ritter zumindest für kurze Zeit über eine weitere Hieb- und Stichwaffe verfügte. Im nahegelegenen Gasthaus Krone war es den Schlitzohren gelungen, dem städtischen Polizeidiener in einer Samstagnacht einen kräftigen Rausch anzuhängen. Nachdem dieser sanft auf der Ofenbank eingeschlummert war, konnten sie den Stadtpolizisten völlig unbemerkt entwaffnen. Am Sonntagmorgen staunten dann die Horber Kirchgänger nicht schlecht, als der Platzbrunnenritter mit dem wohl bekannten Säbel des Polizeidieners gegürtet war.

Seines Schwertes in der Rechten ging der Platzbrunnenritter allerdings verlustig, als Wilhelm Klink 1927 mit Blick auf das große Stadtjubiläum den Brunnen restaurierte. Offenbar war das Schwert nicht mehr zu retten, weshalb Klink dem Ritter eine eiserne Lanze in die Hand drückte. An der Lanze befestigte er noch einen blechernen Wimpel in den hohenbergischen Farben, weil wohl auch der historisch äußerst bewanderte Vertreter der Horber Bildhauerschule die Brunnenfigur für einen Hohenberger hielt. Zur neuen Lanze erhielt der vermeintliche hohenbergische Graf aber auch noch ein neues Schwert, das ihm Klink an die linke Hüfte schraubte. In der 1929 zum 700-jährigen Stadtjubiläum erschienenen Festschrift pries Stadtschultheiß Hugo Schneider den von Klink sanierten Platzbrunnen mit dem "Standbild des Grafen Rudolf von Hohenberg" als bedeutendes Kunstwerk der Renaissance.

Es sollte noch dauern, bis Ferdinand II. als Horber Brunnenritter zu den verdienten Ehren kam. Doch darüber mehr im dritten Teil dieser Serie.