Das Heimweh in den Gesichtern bei der Ankunft in Horb. Die Schauspieler erzählten ihre Geschichte authentisch und ergreifend und intensiv. Foto: Hopp

Wandertheater startet mit Publikumserfolg: Mehr Besucher als erwartet. Intensität der Schauspieler ergreift.

Horb - "Ankommen in Horb", lautet das Thema des Wandertheaters, das am Freitag Premiere feierte. Und nach dem ersten Abend lässt sich sagen: Das Theater ist angekommen – inhaltlich, konzeptionell und schauspielerisch.

"Mit so vielen Leuten haben wir gar nicht gerechnet", meinte eine erfreut überraschte Gisela Höpfer von der Kulturbrücke Horb, die mit einem Team aus Helfern die Besucher koordinierte und dafür sorgte, dass jeder zur rechten Zeit an den rechten Spielort fand. Über hundert Gäste folgten im Tross dem Zug der Schauspieler; sammelten sich vor dem Bahnhofsplatz, stauten sich auf den Stegen des Kanals und zogen sich den Schwanenbuckel hinauf. Oben auf dem Marktplatz mündete der Zug in ein Fest der Kulturen. Doch zuvor durfte man als Zuschauer tief in eine solche eintauchen.

"Ankommen in Horb" erzählt in zehn Szenen die Geschichte der Gastarbeiter in der Neckarstadt. Heute ist kulturelle Vielfältigkeit der Bürger ein stolz gepflegtes Markenzeichen Horbs. Jeder Gast erhielt mit der Eintrittskarte ein buntes Tüchlein, als Zeichen für die Vielseitigkeit der Stadt. Vor einigen Jahrzehnten war es anders. "Sie kamen aus allen Himmelsrichtungen, wie Schmetterlinge" – die Zugladungen voller Gastarbeiter; aus Jugoslawien, Italien, Türkei und weiter. Sie brachten Fremdes nach Horb. Und Fremdes trafen auch diejenigen, die aus den Bergen der Türkei und den Küsten Italiens nach Horb kamen.

Regisseurin Pina Bucci und ihre Truppe haben daraus ein sensibles, kurzweiliges und eindrucksvolles Schauspiel entwickelt. In der Erzählstruktur so klar und eingängig, dass es tief gehend und zugleich unterhaltsam ist – und in den dramaturgischen Mitteln so behutsam, dass es zugänglich, aber niemals banal ist. Zugegeben: Das Wetter spielte mit am Premieren-Abend. Am Himmel türmten sich dunkellila Wolkenberge, die Altstadt leuchtete in der Sonne und über Nordstetten hing der Vollmond. Dazu erklang zwischen den Szenen Musik, die das Publikum von Schauplatz zu Schauplatz trug.

Berührend wurde die Vorstellung jedoch nicht nur durch die Mischung der verschiedenen Eindrücke: Vorne die irrenden, suchenden Schauspieler; im Publikum viele aus den Nachfolge-Generationen, die schon lange in Horb zu Hause sind und beim Theater in ihre eigene Geschichte eintauchen. Ergreifend war vor allem die immense Präsenz und Intensität der Schauspieler, die einen Höhepunkt in der Markthalle fand, wo Szenen aus Arbeitswelt und dem Leben in den anonymen Unterkünften der Gastarbeiter gezeigt wurden. Einsamkeit, Fremdheit, Sehnsucht und Träume, die damals auf engstem Raum zusammengepfercht waren, wurden von der Truppe mit schlichten szenischen Mitteln und umso beeindruckender Tiefgängigkeit inszeniert. Nach Hause wollten alle schnell wieder, doch viele sind schließlich geblieben. Horb habe ihn immer unterstützt, erklärt Ali Polat, der dem Stück als Darsteller mit einem persönlichen Blick in die Anfänge seines jungen Taxi-Unternehmens weitere Lebendigkeit verlieh. Dem abschließenden, fast schon sprachlos machenden "ich danke Euch" fügte sich einige Meter weiter geschickt eine humorvolle Szene an, in welcher sich Horbs Frauen von den neuen, fremden Eindrücken inspirieren lassen. Da wurde dann nicht mehr nur die Geisel der Kehrwoche von sich geworfen, sondern auch Einblick in die Migrationsgeschichten der sogenannten Einheimischen gewährt – die sich oft genug ebenfalls aus allen Landesteilen zusammensetzten.

Je weiter sich der Theaterzug Richtung Marktplatz bewegte, desto offener wurde das dramaturgische Konzept. Immer öfter prägten Musik, Gesang sowie Geschichten und Fabeln aus anderen Ländern die Szenen und bereiteten den Besucher auf das Fest der Kulturen – dem Finale auf dem Marktplatz – vor. An einer Art Rundtribüne durften die Besucher dort Platz nehmen, die Mitte wurde zum Schmelztiegel der Diversität mit afrikanischen Trommelrhythmen, türkischen Saz-Klängen und russischen Melodien. "Heimat ist da, wo meine Familie ist", fasste Erzähler Deniz Karakoc zusammen. "Beide Länder sind ein Teil von mir", erklärte seine Partnerin Carolina Schillinger. Und in Horb angekommen schienen auch die Zuschauer. Oben auf dem Marktplatz, wo nach Spiel-Ende noch eine gute Stunde gemeinsam der erfolgreiche Theaterabend, vor allem aber die wunderbare Vielfalt der Stadt und ihrer Menschen gefeiert wurde.

Weitere Informationen:

Die nächste Vorstellung ist am Samstag, 26. Juli, um 20 Uhr. Weitere Vorstellungen am 19. und 28. September, jeweils um 16.30 Uhr. Das Wandertheater beginnt am Bahnhof in Horb und endet auf dem Marktplatz