Kriminalbeamte am Tatort in Horb-Nordstetten. Am 2. November 2018 wurde dort der 57-jährige Michael Riecher getötet. Foto: Jürgen Lück

Prozess gegen Mitwisser vor Amtsgericht Horb. Täter versprachen sich Gold und Geld als Beute.

Horb - Hätte der "Friseur" den Mord an Michael Riecher (57) verhindern können? Darum ging es im Amtsgericht Horb. Doch der am Dienstag verhandelte Fall gab auch Einblicke in den derzeit parallel laufenden Mordprozess vor dem Landgericht Rottweil.

Das Amtsgericht Horb. Im dortigen Sitzungssaal wurde unter dem Vorsitz von Richter Albert Trick wieder ein Stück Geheimnis um den Mord an Michael Riecher gelüftet. Dieser "Nebenprozess" liegt zwischen dem ersten und zweiten Verhandlungstag (am Donnerstag) des Mordprozesses. Und fördert mehr Details zur Tat zu Tage als bisher bekannt.

Der Friseur – der Mitwisser

Im Mittelpunkt steht der "Friseur". Der 44-jährige H. schnitt vielen Flüchtlingen in Horb die Haare. Der staatenlose Palästinenser, geboren in Beirut, hatte Widerspruch gegen den Strafbefehl über 3600 Euro wegen des "Nichtanzeigens einer Straftat" eingelegt. Nun wollte der Mann, der erst die beiden Hauptangeklagten Mohammed O. und Iyad B. miteinander bekannt machte, seine Unschuld beweisen.

Graues T-Shirt, eine Ralph Lauren-Jacke in Schwarz mit weiß-rotem Reißverschluss. Auf der Seite ist die Nummer "3" aufgebracht. Eine fast schon symbolische Zahl. Denn er ist der dritte Mann, der die Pläne des Überfalls auf den Horber Unternehmer Riecher mitbekam. Und der die Ermittler, so wird es in der Verhandlung deutlich. auf die Spur des Komplizen von Mohammed O. mit geführt hat.

Am Ende des Verhandlungstags sind sich Oberstaatsanwalt Christoph Kalkschmid und Richter Trick einig: H. hätte die Tat verhindern können. Er wird zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen á 15 Euro verurteilt. Ihm wird zugute gehalten, dass er aussagte und auch wertvolle Aussagen zum Verbrechen machte. Staatsanwaltschaft und Gericht reduzieren damit die Geldstrafe, gegen die H. Einspruch einlegte, um 900 Euro. Denn der Friseur verdient sehr wenig für seinen Vollzeit-Job.

Hinter der Person H. steckt aber wohl auch ein Schicksal. Um die Reise und seine Scheidung zu finanzieren, hatte der "Friseur", wie er im Gerichtssaal erzählt, sogar eine seiner Nieren verkauft und dafür gut 23.000 Euro erhalten. 5000 Euro davon hatte er Iyad geliehen, um ihm und seiner Frau die Reise zu finanzieren. H. landete zunächst in Frankfurt, beantragte Asyl und kam über Karlsruhe und einer Nachbargemeinde von Horb schließlich in die Neckarstadt.

Das Kennenlernen der drei

H. erzählt, woher er Iyad kennt. Es ist die Vorgeschichte, die der Schwarzwälder Bote nach eigener Recherche schon berichtet hatte: H. ist mit Iyad und seiner Frau A. aus Palästina mit Touristenvisum nach Spanien eingereist. Sie sind dann nach Deutschland gekommen und haben hier Asyl beantragt.

Der Friseur lernte hier durch sein Haareschneiden auch Mohammed O. kennen. Er erzählt – übersetzt von einem Dolmetscher: "Durch das Haareschneiden kenne ich viele Leute." Mohammed O. hatte ihn am Horber Bahnhof angesprochen, ob er auch ihm die Haare schneiden könnte. "Zunächst kannte ich ihn nur oberflächlich. Irgendwann hat er mir seine Freundin vorgestellt. Ich habe mich mit einer Freundin von ihr angefreundet. Wir sind dann ab und zu mal gemeinsam weggegangen." H. betont jedoch mehrmals: "Es war ein oberflächliches Verhältnis."

Der Friseur und das Opfer

Kannte er auch das spätere Opfer Michael Riecher? Lange Zeit nicht, erklärt H. Er habe erst auf der Hochzeit von Mohammed O. in Riechers Elternhaus kennengelernt. "O. stellte ihn mir als seinen Hausbesitzer vor." Was er aber wusste: Riecher hatte ein großes Vermögen. "Das wusste jeder in der Stadt."

Die Kontaktaufnahme

Kurz danach zog H. in den Rhein-Neckar-Raum, um dort als Friseur zu arbeiten. Er sagt: "Irgendwann rief mich Mohammed O. an. Ich soll nach Horb kommen. Er hat eine Idee, die er nicht am Telefon besprechen kann." Das muss wohl der 31. Oktober gewesen sein – zwei Tage vor der schrecklichen Tat. Der Friseur habe nachgefragt. Die Antwort von Mohammed O., so H. gestern: "Es gibt etwas zu tun. Es gibt viel Geld zu verdienen. Dabei geht es um den Schwarzhandel mit Gold." In diesem Telefonat, so H., habe Mohammed O. auch gefragt, ob er jemanden kenne, der gern Süßigkeiten isst und ein starkes Herz habe. Im Arabischen soll das die Bedeutung haben, ein größeres Vermögen machen zu können und dafür Mut zu haben.

H. berichtet: "Er hat mich auch gefragt, ob ich ihm bei den Goldtransporten helfen könne oder ihm so etwas vorfinanzieren kann. Doch ich habe gesagt, das kann ich nicht." Wegen des "starken Herzens" sei ihm dann Iyad eingefallen. Er habe ihn dann kontaktiert und gefragt, ob er Geld verdienen möchte. Iyad B. erklärte, dass er erst am nächsten Tag Zeit hätte.

Das Treffen

Am 1. November, einen Tag vor der Tat, trafen sich dann alle drei in Horb, so der Friseur. Um 9.49 Uhr, so die Auswertung der Spuren, hat Mohammed O. versucht, Riecher auf dem Festnetzanschluss zu erreichen. Mit dem Telefon des Friseurs. O. hatte angeblich kein Guthaben mehr auf seiner Handykarte. Er sagte H.: "Es geht um meinem Arbeitgeber. Um Gartenarbeit." Doch Riecher ging nicht ran. Die drei fuhren in eine Gaststätte. Iyad und Mohammed O. sollen Geld in die Spielautomaten gesteckt haben. Zunächst sei oberflächlich gesprochen worden. Dann wären die drei ins weiße Auto von Mohammed O. gestiegen. Und dort wurden die Pläne konkreter.

O. stellt Tat-Pläne vor

H. sagt: "Mohammed holte eine Tablette aus der Mittelkonsole. Er sagte: Damit kann man jemanden betäuben. Die kann man jemand geben und ihn dann ausrauben. Dann haben sie begonnen, die Überfallpläne zu besprechen." Auch das Opfer wird bekannt: Michael Riecher.

Der erste Plan, den O. vorschlug, sei gewesen das Opfer mit dieser Tablette im Haus von O. oder woanders zu betäuben und ihn dann auszurauben.

Der zweite Plan: Weil der 1. November Allerheiligen ist, wollte Mohammed O. mit dem Opfer den Friedhof mit Gräbern besuchen und ihn dann mit den anderen im Wald überfallen. Iyad sollte ihn dann fesseln. Der dritte Plan: O. sollte unter einem Vorwand in Riechers Haus. Dann sollten Iyad B. und H. auftauchen und ihn bedrohen, damit er Geld und Gold herausrückt. O. habe erklärt, dass es möglich sein könnte, dass Riecher vor Schreck zu Tode kommen könne, weil er lungenkrank sei.

Der Friseur macht nicht mit

Der Friseur nahm Abstand vom Plan: "Ich habe ihnen gesagt, dass ich Angst habe, dass Riecher beim Überfall umkippt und zu Schaden kommt. Ich habe dann aufgehört, mit ihnen darüber zu sprechen." Dann erzählt er: "Sie haben mich bedroht. O. hat mir noch im Auto erzählt, dass meiner Familie in Palästina etwas passieren könnte. B. hat das bestätigt. Auch jetzt hat die Familie von Iyad mit meiner Familien in Palästina Kontakt aufgenommen. Und gedroht, dass meinen Kindern etwas passiert, wenn ich vor Gericht aussage." Im Auto hätten ihn Iyad und Mohammed O. noch als "Schaf" betitelt. Der arabische Begriff für Feigling.

Der erste Tatversuch

Direkt danach sollen die beiden Hauptverdächtigen versucht haben, Riecher in die Falle zu locken, war von ermittelnden Beamten zu erfahren. O. soll seinen "väterlichen Freund" mehrmals darum gebeten haben, zu ihm nach Hause zu kommen. Doch Riecher lehnte ab, weil er noch etwas Geschäftliches zu tun habe. Abends gegen 23.20 Uhr klingelte Iyad an der Wohnung des Bekannten, bei dem sich H aufhielt. Er habe gesagt: "Ich muss hier übernachten. Die Frau von Mohammed ist gekommen, da kann ich dort nicht übernachten." Der Friseur berichtet: "Ich habe Iyad dann gefragt, ob der Plan jetzt erledigt ist. Er hat mir gesagt: Ja. Wir machen nichts. Als Beweis fahre ich mit Dir morgen zurück nach Stuttgart." Doch Iyad B. soll dann die ganze Nacht telefoniert haben.

Der Morgen vor dem Mord

Am nächsten Morgen gingen Iyad B., H. und der Freund zu Fuß zum Bahnhof. Während der Bekannte noch zum Jobcenter musste, kaufte H. Proviant für die Fahrt. Plötzlich tauchte Mohammed O. am Kaufland auf. H.: "Iyad sagte mir dann, dass er seine Pläne geändert hat. Er müsse etwas erledigen. Er ging dann mit Mohammed O. weg. Ich dachte, die Sache war ein Witz. Ich fuhr mit meinem Bekannten zu mir nach Hause mit dem Zug." Richter und Staatsanwaltschaft sind überzeugt, dass es H. zu diesem Zeitpunkt klar gewesen sein muss, dass es möglich ist, dass die Tat umgesetzt wird.

Friseur erfährt von der Tat

Am Dienstag oder Mittwoch nach der Tat habe der Friseur dann durch seinen Horber Bekannten erfahren, dass Riecher tot sei. Er und alle Nachbarn in der Weikersthalstraße wurden von der Polizei verhört. Der Verdacht: Mord. H. habe dann versucht, Mohammed O. und Iyad B. zu erreichen: "Iyad hat mir gesagt: Macht Dir keine Sorge. Wir haben es nicht getan."

Dann habe ihn auch Mohammed O. zurückgerufen: "Vom Handy seiner Frau. Er hat gesagt: Rede nichts über die Sache. Und lösche meine Nummer! Ich habe ihn noch gefragt, ob sie mit der Sache etwas zu tun haben. Mohammed hat mir gesagt: Nein. Der Mann ist überrascht gewesen und ist tot umgefallen. Wir haben ihn nicht angefasst."

Der Friseur nahm dann Kontakt zu einem bekannten Horber auf – mit dem hatte er sich für soziale Dinge engagiert. Dieser Bekannte riet ihm dann, zur Polizei zu gehen und auszusagen. Um 11.42 Uhr schickte er dem Horber dann eine Sprachnachricht. Inhalt: "Ich danke Gott, dass ich ausgestiegen bin aus dieser Sache. Ich hätte verhindert können, dass Riecher stirbt. Das ist das Schicksal, und ich bete zu Gott, dass er mir vergibt. Die Täter sind zwei Hunde!"

Spur 85 der Soko Pfand

Ein Kripo-Beamter berichtete dann von der Vernehmung des Friseurs am 10. November 2018. Damals war Iyad noch nicht verhaftet. Der Ermittler: "Wir haben einen Anruf von der Soko bekommen. Wir sollten den H. vernehmen – aber uns nur auf das wesentliche konzentrieren. Wegen der Lage im Hintergrund. Seine Nummer befand sich auf dem Telefon des Opfers. Der Zeuge hat umfangreiche und umfassende Angaben gemacht." Laut Richter Trick ist die Aussage des Friseurs Spur 85 der Soko Pfand.

Die Beute – doch mehr?

Der Prozess gegen H. legte offen, dass es bei der Beute um weit mehr als um die bisher angegeben 3000 Euro gehen könnte. Iyad B. gab diese Summe an. Doch kann man ihm glauben? Der Friseur berichtet von Goldgeschäften auf dem Schwarzmarkt. O. habe ihm das angedeutet. Der syrische Flüchtling habe dann noch erzählt, das Riecher über ihn Gold im Wert von 10.000 Euro auf dem Schwarzmarkt gekauft habe. Dieses habe er auch zu Hause gelagert. O. wusste laut H., wo sich Gold und Geld befand. In einem Safe im Büro. Auch von Goldmünzen war im Umfeld des Opfers immer wieder die Rede. All das würde auch besser erklären, warum die Soko "Pfand" heißt.

Spielten Drogen eine Rolle?

Gleich mehrmals kam das Thema auf Drogen. Der Richter fragte H.: "Es war auch vom Transport von anderen Dingen die Rede." Könnte es auch um Drogenhandel gegangen sein? H. erklärt: "Ich habe damit nichts zu tun."

Die Frau von Ihad B. hatte in einer früheren Aussage davon berichtet, dass sie das Telefonat zwischen H. und Iyad B. mitgehört habe, weil er das Telefon auf laut gestellt hatte. Die damalige Ermittlungsrichterin sagt im Gerichtssaal darüber: "Die Zeugin A. hat gesagt, dass ein Koffer mit Drogen von Holland über die Grenze geschmuggelt werden sollte."

Der Mitwisser wurde zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen á 15 Euro verurteilt.

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