Regentropfen klopften an die Fenster des Geßlerschen Amtshauses, als Bruno Springmann, Joachim Lipp und Heinrich Raible, mit einer kleinen Schar Unentwegter anmarschiert kamen. Horbs einziges Spukhaus war allerdings beim Nachtwächterumgang völlig verwaist, da die Weiße Frau Hochzeitstag feierte. Foto: Kultur- und Museumsverein Foto: Schwarzwälder-Bote

Führung: Trotz des miesen Wetters ist der Umgang der Nachtwächter nicht ins Wasser gefallen / Teilnehmer aus Seewald

Horb. Obwohl ziemlich dunkle Regenwolken am Himmel hingen, hatten sich rund 30 Personen auf dem Horber Marktplatz vor dem Rat- und Wachthaus eingefunden. Zwei Teilnehmer waren sogar aus der Gemeinde Seewald angereist, die bekanntlich am anderen Ende des Landkreises Freudenstadt liegt. Da konnten die drei Horber Nachtwächter schlecht "Nein" sagen und machten sich bei leichtem Regen auf den Umgang durch die Horber Oberstadt.

Vor dem Wachthaus berichtete das Trio über das beschwerliche Leben der Nachtwächter. Auch in Horb ist die Nachtwache so alt wie die hochmittelalterliche Stadt selbst. Die erste Erwähnung der Horber Nachtwache findet sich in einem Privileg aus dem Jahr 1282, in dem Pfalzgraf Otto von Tübingen das Horber Dominikanerinnenkloster unter anderem von der Nachtwache befreite. Acht Stunden oder länger verkörperten die Nachtwächter jede Nacht ganz allein die Autorität des Gesetzes, ohne Unterstützung durch das Geflecht der kommunalen Instanzen.

Die Nachtwächter untersuchten ungewöhnliche Licht- oder Raucherscheinungen, vergewisserten sich, ob die Stadttore und die Türen der Häuser abgeschlossen waren, kontrollierten die Wachsamkeit der Turmwächter, achteten auf die Einhaltung der Sperrstunde, brachten Betrunkene nach Hause und hatten das Recht, Dirnen, Landstreicher oder andere auffällige Personen festzunehmen. In Sachen Brandverhütung und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung trugen sie eine hohe Verantwortung und ihre Hellebarde war Feuerhaken sowie Hieb- und Stoßwaffe zugleich.

Der Umgang führte vorbei am Geßlerschen Amtshaus, das an diesem Samstagabend völlig verwaist war, da die Weiße Frau, die sich üblicher Weise als Spukgestalt am Fenster zeigt, Hochzeitstag feierte. Im Lutherjahr 2017 bemerkten die Nachtwächter vor dem ehemaligen Franziskanerinnenkloster, dass die Horber schon evangelisch waren, als es die Freudenstädter noch gar nicht gegeben hat. Während der Reformation quälten die Franziskanerinnen aufgrund der Predigten des aus Horb stammenden Laienpredigers Karsthans und des Horber Chorherren Konrad Startzler, der Sendschreiben des Sebastian Lotzer sowie der in Horb unter Michael Sattler um sich greifenden Wiedertäuferbewegung erhebliche religiöse Zweifel.

Durch das 1715 auf Veranlassung der Franziskanerinnen abgebrochene Stadttor auf dem Buß führte einst die Straße nach Straßburg vorbei am Gasthaus zum Wilden Mann. Wirtshäuser dieses Namens finden sich laut Aussage der Nachtwächter immer an Wegen, die in eine waldreiche, unwirtliche, verrufene Gegend führen.

An solch einem Ort gründete Herzog Friedrich von Württemberg 1599 vor dem Kniebispass Freudenstadt. Wie schlecht es um diese württembergische Stadtgründung zunächst bestellt war, zeigt die Tatsache, dass die Freudenstädter 1771 glatt verhungert wären, wenn das vorderösterreichische Horb nicht mit Fruchtlieferungen ausgeholfen hätte. Dazu meinte Obernachtwächter Lipp trocken: "Oh, hätta m’r se seligs mol nau verhongara lau! Seither versuachet die elendige Siach aus da Freidastadt aoserm schöna Horb zu schada, wo’s nau goht!"

Dass von Freudenstadt nichts Rechtes kommen kann, bekamen die Nachtwächter sowie die Umgangsteilnehmer dann am eigenen Leibe zu spüren. Im Burggarten begannen die von Westen anrückenden Regenwolken ihre Schleusen zu öffnen, sodass man vorbei an Dominikanerinnenkloster und Stifstkirche möglichst schnell wieder das Wachthaus aufsuchte.