Trotz Blutspuren im Auto und DNA-Spuren an einem Radschlüssel sind zwei Mitglieder der Rockerbande Hells Angels vor dem Horber Schöffengericht freigesprochen worden. Foto: Kraufmann

Blut- und DNA-Spuren nicht aussagekräftig. Verteidiger werfen Polizei schlampige Ermittlungen vor.

Horb - Mit zwei Freisprüchen ging am Donnerstagvormittag am zweiten Prozesstag die Verhandlung gegen die beiden Mitglieder der "Hells Angels" zu Ende.

Den beiden Angeklagten wurde vorgeworfen, am 5. November 2014 einen Mann im Horber Ortsteil Dettingen brutal zusammengeschlagen zu haben. Dies konnte man ihnen nicht beweisen. Der Vorwurf stand im Raum, zumal man bei der molekulargenetischen Untersuchung Blutspuren des Geschädigten in dem Pkw, der von den damaligen Tätern zweifelsfrei benutzt wurde, fand. Zudem konnte man am Radschlüssel, mit dem auf das Opfer eingeschlagen wurde, die DNA eines der Angeklagten isolieren.

Für die Staatsanwaltschaft war die Beweislast daher so eindeutig, dass die Anklagevertreterin in der Gesamtschau aller Indizien davon ausging, dass beide Angeklagten vollumfänglich schuldig sind. Sie forderte für den einschlägig vorbestraften Mann, der für die Tatausführung extra aus Heilbronn angereist kam, da er zur Tatzeit erst wenige Wochen Vollmitglied der Reutlinger "Hell Angels" war und deshalb in der Rangordnung für "Bestrafungen körperlicher Art" zuständig sei, unter Hinzuziehung einer vorausgegangenen Strafe ein Gesamtstrafmaß von zwei Jahren und elf Monaten.

Für den zweiten Angeklagten, der als Fahrer des anderen Mannes und dessen nächste Bezugsperson in dem Reutlinger "Charter" unmittelbar an der Tat beteiligt war, ebenfalls unter Hinzuziehung einer vorausgegangenen Verurteilung zwei Jahre und neun Monate. Die Staatsanwältin attestierte eine große kriminelle Energie bei der Tatausführung und betonte nochmals, dass gerade die Schläge auf den Kopf des heute 50-jährigen Opfers potenziell lebensgefährlich waren.

In ihren Plädoyers zerpflückten die beiden Verteidiger dann die vorliegende Indizienkette. Zum Thema Blutanhaftung fragte der Anwalt des Angeklagten, dessen Freundin das Tatfahrzeug gehört, welcher Täter denn so dämlich sei, ein offensichtlich blutverschmiertes Fahrzeug nicht zu reinigen. "Bei meinen Mandanten ließ sich nicht einmal ein Ansatz von Spurenbeseitigungsversuchen feststellen", betonte der Anwalt, der schon aus dieser Tatsache eine Mittäterschaft seines Mandanten für nicht bewiesen erachtete.

Auch die DNA-Spuren am Radschlüssel, der am Tatort zurückblieb, könne man damit erklären, dass das Fahrzeug der Freundin des Angeklagten gehört, und er diesen Schlüssel einfach irgendwann in den Händen gehabt habe. Ansonsten nannte er die Ermittlungsarbeit der Zeugen aus den verschiedenen Polizei-Abteilungen schlampig und einseitig. "Man hat sich nur auf die beiden Angeklagten konzentriert und nicht auch in andere Richtungen ermittelt. Es wäre gut gewesen, hätte man sich intensiver mit dem Umfeld des Geschädigten beschäftigt", seine Einschätzung. "Gegen meinen Mandanten liegen keine stichhaltigen Beweise vor, er hat kein Motiv – also klarer Freispruch", so die Forderung von Anwalt Nummer Eins. Auch der Anwalt des zweiten Angeklagten bemängelte, dass man während der Beweisaufnahme zu viele Spekulationen und zu wenige Sachbeweise gehört habe.

"Wenn das, was uns die Ermittler hier angeboten haben zu einer Verurteilung ausreicht, dann können wir sofort jeden, der hier über den Marktplatz läuft, ebenfalls verhaften und einsperren." Auch war er der Meinung, man habe bewusst in die eine Richtung, in die Richtung "Hell Angels Reutlingen", ermittelt und dort nach dem Ausschlussprinzip – groß, dunkelhaarig, kennt den anderen – seinen Mandanten herausgefiltert. "Wenn dies für eine Täterschaft ausreichen soll, dann ist es eine gewagte Hypothese", stellte der Anwalt fest. Sein Appell deshalb insbesondere an die Adresse der Schöffen, dass man sich von dem Gedanken verabschieden müsse, für jede Straftat den passenden Täter zu finden. Beide Angeklagten hörten den Ausführungen ihrer Anwälte mit der stoischen Gelassenheit, die sie von Anfang an an den Tag legten, zu und stellten in ihrem Schlusswort lapidar fest, dass sie sich den Worten ihrer Verteidiger anschlossen.

Amtsgerichtsdirektor Albrecht Trick und seine beiden Schöffen zogen sich nach den Plädoyers für über eine Stunde zur Beratung zurück und kamen dabei zu dem Urteil, dass man den beiden Beschuldigten nichts nachweisen konnte. "Wir hatten eine Schale voller Perlen vor uns stehen, doch für eine Kette fehlte uns der Faden", so eine recht prosaische Anmerkung des Vorsitzenden zu dem Urteil.