Mit bunten Regenschirmen wollen die Teilnehmer der Demonstration ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen setzen. Foto: Hopp

Demonstration soll Opfer zum Hilfeholen ermutigen. Statistik enthält deutliche Zahlen.

Horb - Mit einem Spaziergang durch Horb haben am Freitagnachmittag rund 25 Frauen und Männer ein Zeichen gegen Gewalt an Mädchen und Frauen gesetzt. Vor allem Gewalt in der Beziehung sei ein Thema in Deutschland.

"Wir lassen Frauen nicht im Regen stehen", stand auf Schildern, die sich die Teilnehmer an ihre bunten Schirme klemmten. Dass es wirklich regnete am Freitagnachmittag nahm dem geplanten Schirm-Spaziergang vom Flößerwasen zum Marktplatz ein Stück weit den Überraschungsmoment. Doch inhaltlich tat es der Aktion keinen Abbruch.

Die Diakonie Horb/Freudenstadt, das Landratsamt Freudenstadt und die Stadtverwaltung Horb hatten zur Aktion kurz vor dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen (25. November) eingeladen.

Mit unter den Schirmherren und -herrinnen war Martina Kober von der Frauenhilfe. Nach ihren Angaben spielt in Deutschland vor allem häusliche Gewalt und Partnergewalt eine große Rolle. Sie ruft Betroffene dazu auf, sich Hilfe zu holen, sich an Vereine wie etwa die Frauenhilfe zu wenden. "Das Thema ist oft schambehaftet", sagte Kober. Viele Frauen suchten die Schuld deshalb erst mal bei sich, weil sie sich den Partner selbst ausgesucht haben. Die Frauenhilfe berät pro Jahr 160 Frauen. "Das hat sich über die Jahre gesteigert", so Kober. Je mehr das Thema in die Öffentlichkeit getragen werde, sinke die Hemmschwelle der Frauen, sich zu melden. Deshalb hält Kober einen Marsch wie den am Freitag mit Außenwirkung für wichtig.

Der Verein UN Women Nationales Komitee Deutschland verbreitet unter dem Hashtag "#jedendrittentag" derzeit, dass jeden dritten Tag eine Frau in Deutschland von ihrem Partner getötet wird. Angesichts einer Auswertung der Kriminalstatistik von 2015 durch das Bundeskriminalamt scheint diese Zahl noch untertrieben (siehe Infokasten).

Susanne Henning, die in der Suchtberatung der Diakonie in Horb arbeitet, war auch unter den Demonstrantinnen. Sie hat oft mit Angehörigen von Suchtkranken zu tun, die von Gewalt durch den süchtigen Partner berichten. "Alkohol und Drogen enthemmen, da kann es zu Gewalttätigkeit kommen", sagte sie. Betroffenen Frauen oder Männern rate sie, sich Hilfe zu holen und eine Strategie zu entwickeln.

Wie diese Strategie aus Sicht eines Opfers aussehen könnte? Zunächst müsse man mit jemandem über die Probleme sprechen, sagte Henning, dann überlegen, wie lange man die Situation noch ertragen will und sich schließlich von Hoffnungen und Illusionen verabschieden, was auch zur Trennung führen könne. Auf dem Weg sei es auch wichtig, finanzielle Unabhängigkeit zu schaffen, damit man bei einer Trennung auf eigenen Füßen stehen kann. Einem Täter müsse man durch absolute Konsequenz und Eindeutigkeit vermitteln: "Das geht nicht!".

Dabei spiele es auch keine Rolle, wie schwer die Kindheit gewesen sei – damit spielt Henning auf das Gerichtsurteil nach einer Vergewaltigung eines Mädchens in Horb an, bei dem der Täter mit einer Bewährungsstrafe davon gekommen ist. "Ich habe mit Schrecken gelesen, wie der Täter bemitleidet wird", sagte Henning. Mehrere Frauen bei der Demonstration kritisierten das Urteil als zu mild.

Unter den Teilnehmern waren am Freitag auch einige Männer, unter anderem der Caritas-Koordinator in der Region, Rüdiger Holderried. Er erlebt in seinem Berufsalltag, dass Frauen von Gewalt berichten – oft nur zwischen den Zeilen. Holderried versucht, auch auf diesem Feld Hilfe zu vermitteln. "Die Frauenhilfe ist da ein wichtiger Baustein. Was hier fehlt, ist die schnelle Hilfe durch ein Frauenhaus." Eine solche Einrichtung gibt es im ganzen Landkreis nicht.

  Statistische Auswertung Das Bundeskriminalamt (BKA) hat die Kriminalstatistik 2015 auf Delikte, die gegen Partner begangen wurden, ausgewertet. Dabei geht es nur um die bei der Polizei registrierten Fälle. Nach Angaben des BKA muss man von einem erheblichen Dunkelfeld ausgehen.

  Die Zahlen

Im Jahr 2015 wurden laut BKA durch ihre Partner oder Ex-Partner 127 457 Personen Opfer von Mord und Totschlag, Körperverletzungen, Vergewaltigung, sexueller Nötigung, Bedrohung und Stalking. Davon waren knapp 82 Prozent Frauen. Fast die Hälfte von ihnen lebte zum Tatzeitpunkt mit dem Täter in einem Haushalt (49 Prozent). Die einzelnen Delikte der Partnerschaftsgewalt gegen Frauen in 2015: vorsätzliche einfache Körperverletzung – über 65 800; Bedrohung – über 16 200; gefährliche Körperverletzung – über 11 400; Stalking – über 7900; Mord und Totschlag – 331.

  Hilfeangebote

Ein bundesweites Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" ist unter 08000 116 016 rund um die Uhr erreichbar. Die Beratung ist in 15 Sprachen möglich. Die Frauenhilfe Freudenstadt ist an Werktagen von 10 bis 12 Uhr unter 07441 520 3070 zu erreichen.