Catrin Weying (rechts )unterhält sich mit Flüchtling Boris Saskirisic: Zahlreiche Talheimer halfen gestern spontan. Foto: Hopp

Frauen aus dem Ort erfahren aus dem Schwabo, dass Flüchtlinge da sind. Um 15.30 Uhr gibt's Kaffee für alle.

Horb-Talheim - Die Talheimer Bürger haben am Mittwoch gezeigt, wie es funktionieren kann: Spontan haben sie den Flüchtlingen geholfen.

Der Schulhof der Notunterkunft am Mittwochnachmittag. Der Haarschneider surrt, eine Frau huscht noch schnell in den Waschraum. Ein Mann hat den Kehrbesen in der Hand, den der real-Markt gespendet hatte. Soll ja alles blitzen für die Talheimer.

Dann kommen schon die Frauen, um die am Vortag angekommenen Flüchtlinge zum Kaffeetrinken ins Rathaus zu bitten. Andrea Merkle: "Ich habe erst aus der Zeitung erfahren, dass die Flüchtlinge schon da sind. Hätt ich das gewusst, hätte ich sie gestern schon mit einem selbst gebackenen Kuchen begrüßt."

Der Schwarzwälder Bote hatte aufgedeckt, dass es das Rathaus nicht geschafft hatte, den von ihm propagierten "Arbeitskreis Asyl" rechtzeitig zur Ankunft der Flüchtlinge auf die Beine zu stellen. Die Folge: Zwar haben sich die Landkreis-Mitarbeiter sehr intensiv um die Flüchtlinge gekümmert. Hospitant Michael Pantelic war sogar noch in den real-Markt mitgegangen, um zu dolmetschen. Doch eine erste Unterstützung mit Lebensmitteln fehlte. So kam es, dass die Flüchtlinge aus dem Kosovo und aus Serbien erst abends nach dem Einkaufen etwas essen konnten.

Als die Talheimer dann mitbekamen, dass die vier Familien da sind, ging es einen Tag später zack-zack. Catrin Weying: "Ich habe gegen 12 Uhr ein paar Frauen angerufen und das blitzschnell organisiert. Wir haben Kuchen gebacken, den Saal im Rathaus gedeckt. Auf jedem Tisch Gummibärchen für die Kinder gelegt, damit sie sich willkommen fühlen."

Und wie war die erste Nacht in der Flüchtlingsunterkunft?

Kujtim Podujeva hält sich den Rücken: "Wir haben wenig geschlafen. Die Feldbetten sind ganz schön hart, es ist recht kalt von unten." Auch SPD-Stadträtin Viviana Weschenmoser war aufgefallen, dass die Decken sehr dünn sind. Sie startete gestern einen Aufruf, um die Versorgungslücken zu schließen (siehe Artikel unten).

Daniela und Demir Saskirisic aus Serbien sitzen mit ihren Kindern Boris, Alexandar und Magdalena auf der Bank und genießen die Sonne. Daniela zeigt stolz einen Arbeitsvertrag aus Serbien – in deutsch und serbisch. Sie hat schon als Näherin für die Tochterfirma der Grammer AG in Amberg gearbeitet, Demir malt zwei gekreuzte Hammer auf den Block des Schwabo-Reporters: "Bergmann".

Während Boris unbedingt das Stadion von Talheim sehen will, plagen die Eltern andere Sorgen. Daniela: "Ich und zwei unserer Kinder haben Athma. Unser Spray ist fast alle."

Der Schwarzwälder Bote ruft Viviana Weschenmoser an, gibt die serbischen Namen der Medizin durch. Sie spricht mit Melanie Nagel (SPD-Stadträtin und Frau des Kinderarztes Michael Nagel) und Elisabeth Schneiderhan (OGL-Stadträtin und PTA der Schiller-Apotheke). Später ruft sie zurück: "Wir haben das geklärt. Das sind wohl keine Akut-Medikamente. Wir werden jetzt beim Sozialamt des Landkreises einen medizinischen Berechtigungsschein klarmachen, damit die Kinder untersucht und das richtige Medikament verschrieben bekommen." Dann gehen die vier Familien Richtung Rathaus zum Kaffeetisch. Gehen an einer Frau vorbei, die gerade ihren Garten macht. Erstaunt schaut sie hoch, lächelt: "Die können ja schon ein bisschen deutsch."

Am Rathaus geht Weying dann mit Boris kurz ums Eck und zeigt ihm den Fußballplatz. Er lächelt. Gisela Höpfer kommt die Treppe herunter. Sie bittet die Presse, draußen zu bleiben: "Wir wollen uns erst einmal ganz allein mit den Neuankömmlingen unterhalten." Dolmetscherin Marija Utrobicic sagt noch kurz, was auch auf dem Programm steht: "Wir wollen die Menschen fragen, was sie brauchen. Welche Kleidung, welche Größe?"

Dann schließt sich die Tür. Höpfer lädt noch ein Kinderfahrrad aus dem Kofferraum aus...